Kapitel 18

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„Die 5 Euro Parkgebühr erlässt mir der große Felix Lobrecht hoffentlich höchstpersönlich." ärgerte sich Lena, als wir auf die große Parkwiese fuhren. Es regnete in Strömen. „Und die 10 Euro für die Autowaschanlage auch." fügte sie hinzu, als ihre Reifen auf der matschigen Wiese durchdrehten, während sie in die Parklücke fuhr. „Dafür kommst du kostenlos in eine ausverkaufte Show." verteidigte ich Felix, der ja nun wirklich nichts für das Wetter konnte. Wir saßen noch eine Weile im Auto, um abzuwarten, bis der Regen weniger wurde, weil wir natürlich keinen Regenschirm dabei hatten. Vergeblich. „Also jetzt reicht's mir. Ich schreibe dem jetzt, er soll hier so einen Regenschirm-Futzi her schicken." Lena kramte ihr Handy aus der Halterung. „Bist du bescheuert? Auch noch Extra-Wünsche zu verlangen?" ich schämte mich für ihre Dreistigkeit. „Wenn der dich jemals wieder nackt sehen will, muss er auch n bisschen was dafür tun." lachte Lena. „Du nutzt das grade richtig schön aus, oder?" Eigentlich war es mehr eine Feststellung als eine Frage. „Ja, klar!"

Im Seitenspiegel sah ich einen Mann mit 2 Regenschirmen aufs Auto zu laufen. Ich kniff die Augen zusammen und erkannte, dass es Julian, Felix' Bruder, war. Als er vor unserem Auto stand, stiegen Lena und ich schnell aus dem Auto, während Julian schon die geöffneten Regenschirme in der Hand hielte. „Sie haben einen Regenschirm-Futzi bestellt?" fragte er amüsiert. „Du hast das wirklich genau so geschrieben?" fragte ich Lena. Sie nickte mit einer selbstverständlich die ihres Gleichen sucht und ich schüttelte den Kopf.
„Felix war ganz schön fertig, als du einfach abgehauen bist." sprach Julian, als wir neben einander unter einem Schirm zum großen Zirkuszelt gingen. Lena trottete hinter uns her und murmelte vor sich hin, wie sehr sie Regen hasste. „Es wurde irgendwie kompliziert." die Ausrede, die ich in dem Zusammenhang immer anwendete. „warte mal..." sagte er und stoppte uns beide kurz vor einem kleinen Eingang im Zelt. „Du solltest da was wissen." Julian sah mich ernst an. „Felix war die letzten Wochen nicht er selbst. Ich habe ihn selten so schlecht gelaunt erlebt. Du hast wirklich etwas mit ihm gemacht und du musst ihm wirklich viel bedeuten. Deswegen bitte ich dich, als sein Bruder, wenn du nicht mindestens ansatzweise das Gleiche empfindest, dann geh da bitte nicht rein." er deutete auf den kleinen Schlitz im Zelt. Ich schaute zu Julian, dann zu Lena, die mir bekräftigend zu nickte und wieder zurück zum Zelteingang. Kurz kamen Zweifel in mir hoch. Wie sollte das funktionieren? Er in Berlin, ich in Detmold. Er ständig unterwegs, ich ewig im gleichen Trott. „Hör auf alles zu zerdenken, Emilia." sprach mir Lena zu, als könne sie meine Gedanken lesen. „Was will dein Herz?" ich atmete einmal tief ein und wieder aus. „Ihn." antwortete ich sehnsüchtig und ging entschlossenen Schrittes in's Zelt.

Der Backstagebereich war bei weitem nicht so glamourös, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ein paar Leute drehten an einem Pult irgendwelche Knöpfe, andere richteten das Bühnenlicht und immer mal wieder huschte jemand hektisch an uns vorbei. „Felix ist hinten." erklärte uns Julian und wir folgten ihm wie zwei Entenbabies der Mama. Als wir um eine Ecke bogen sah ich ihn und mein Herz machte sofort einen kleinen Hüpfer. Lässig angelehnt an einem Eisengerüst mit Kippe in der Hand unterhielt er sich mit einem schlacksigen, dunkelhaarigen Mann mit Brille. Er lachte und mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Dieser Mann brachte mir irgendwann noch einen Herzinfarkt. „Hab da wen mitgebracht!" rief Julian ihm zu und Felix drehte sich augenblicklich in meine Richtung. Seine Augen leuchteten auf und er konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, als er auf uns zu kam. Er musterte mich von oben bis unten, als würde er mich zum ersten Mal sehen und blieb dann mit seinem Blick starr in meinen Augen hängen. „Ich habe gedacht, ich sehe dich nie wieder." sagte er mit ruhiger Stimme und nahm mich fest in den Arm. Ich sog seine Wärme und seinen Duft in mich auf. Er war wie Feuer und mir war mein Leben lang kalt. Mein Gesicht war seinem Hals zugerichtet und ich konnte ein leises „es tut mir so leid" flüstern, ehe er wieder von mir ab las. „Du musst Lena sein. Danke, dass du mir geschrieben hast." er wandte sich meiner besten Freundin zu und gab ihr höflich die Hand. „Immer gerne. Das konnte man sich ja wirklich nicht mehr mit ansehen." sprach sie und lächelte mich provozierend an. Eine viel zu lange Weile verharrte sein Blick auf mir, ehe er, wie aus einer Trance gerissen, weiter sprach. „Ah, das ist übrigens Kawus." er deutete auf den Mann, der etwas weiter abseits stand und nun auch der Runde beiwohnte. „Hi, Kawus Kalanta." sagte er lächelnd und gab mir und anschließend Lena die Hand. „Meinen Bruder kennt ihr ja schon, den Regenschirm-Futzi. Übrigens, geiles Wort, so werd" ich ihn jetzt nur noch nennen." lachte Felix und Julian lachte mit ihm. „Und das dahinten sind Daniel und Kinan." er deutete auf zwei Männer, die auf der anderen Seite des Bereichs auf zwei Stühlen saßen. „Wollt ihr n' Bier?" fragte er. „Klar, gerne!" antwortete Lena enthusiastisch und ich nickte Felix zu. „Ich hole uns welche." sagte Julian und verließ die Runde. „Dein Bruder ist echt nett." Lena schaute ihm mit einem Blick hinterher, den ich nur zu gut kannte. „Und Single." warf Felix ein und grinste frech. Auch er schien den Blick lesen zu können. Ich betrachtete sein wunderschönes Gesicht und die kleinen Lachfalten, die sich bei diesem Grinsen abzeichneten. In diesem Moment wurde mir klar, wie sehr ich ihn vermisste. Am liebsten würde ich über ihn herfallen, ihn küssen und ihm die Kleider vom Leib reißen, aber das wäre hier wohl ziemlich unangebracht gewesen.
„Hier, bitte schön." Julian riss mich aus meinen Gedanken und hielt mir ein kaltes Bier hin. „Oh, Dankeschön." antwortete ich herzlich. „Bruder, führ Lena mal ein bisschen rum hier. Zeig ihr den Backstage, zeig ihr die Venue, holt euch ne Pizza, irgendwie sowas." sagte Felix und wippte mit den Augenbrauen. „Ja, Julian. Mach das doch mal." sagte Lena und hakte sich provokant bei ihm ein. Der Arme Junge, dachte ich mir und lächelte in mich hinein.

„Warum bist du abgehauen?" fragte Felix ein wenig bedrückt, als wir alleine im Raucherbereich standen. „Ich hatte Angst." antwortete ich ihm ehrlich. Ich war das rumdrucksen leid. Entweder wir sprachen hier jetzt beide Tacheles, oder ich hätte gleich zuhause bleiben können. „Wovor?" fragte er erneut. „Du hattest so eine Wirkung auf mich. Das du das Mädchen geküsst hast, hätte mir eigentlich egal sein müssen. Das mit uns war nichts ernstes. Mein Gott, wir kannten uns seit 3 Tagen. Aber es tat so weh das zu sehen. Ich wollte diesem Weib meinen Drink in's Gesicht schütten, sie anschreien und sagen, dass du mir gehörst." er sah mich mit einem Blick an der aussagte, dass er verstand, was ich da von mir gab. „Und dann, unser Gespräch an dem Abend. Du warst nicht ehrlich zu mir. Jedenfalls nicht 100%. Hast nur in Rätseln gesprochen. Ich wollte das Ganze beenden, bevor es noch komplizierter wurde." antwortete ich und versuchte, seinem Blick standzuhalten. „Ich hätte dieses Weib nicht küssen dürfen, das weiß ich. Das wusste ich an dem Abend schon. Ich habe mir die ganzen letzten Wochen selber Vorwürfe gemacht. Weißt du, damals, als ich mit dem Zeug dass ich so mache meinen Durchbruch hatte, immer mehr Leute zu meinen Shows kamen und man plötzlich wusste, wer Felix Lobrecht war... zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine Freundin. Wir waren 3 Jahre zusammen. Sie hat alles mit mir zusammen durchgezogen, ist zu jedem beschissenen Dorfauftritt mit gekommen, hat mich einfach in allem supportet. Und als der Hype kam..." er legte eine kurze Pause ein, zog an seiner Zigarette und atmete den Rauch schwer wieder aus. „... kamen die Weiber. Und das riesengroße Ego." er sah mich ernst an. „Ich habe sie betrogen. Mehr als einmal. Und ich bin nicht stolz darauf." sprach er und es kam mir vor, als wäre eine Last von seinen Schultern gefallen. „Um mich daran zu erinnern, so etwas nie wieder zutun, habe ich mir das hier tätowieren lassen." er hob seinen Arm und zeigte auf das 4:44. „naja und seitdem war ich alleine. Hatte hier und da mal meinen Spaß, aber das war nie was ernstes. Soweit habe ich es auch nie kommen lassen. Vermutlich aus Angst, dass ich so einen Scheiß nochmal tun könnte. Bis ich dich kennengelernt habe." ich lächelte kurz. „an dem Abend in Köln, als wir uns kennenlernten, ich bin ganz ehrlich: du solltest eigentlich nur ein One-Night-Stand sein. Ich weiß nicht, was dann passiert ist, aber ich wollte mehr Zeit mit dir verbringen. Ich wollte dich nicht nur bumsen, ich wollte dich kennenlernen. Deswegen solltest du mit nach Berlin kommen." endlich beantwortete er die Frage, die ich ihm schon in dieser einen Nacht in Berlin gestellt hatte. Er wippte auf seinen Sohlen hin und her. „Sag was." er wirkte verunsichert, wie ein kleiner Junge. Plötzlich war nichts mehr da von dem lässigen, coolen Proleten aus Neukölln. Ich schaute ihm tief in die Augen. Dieses Mal war ich es, die ihn mit meinen Blicken nervös machte. Ich trat näher auf ihn zu, legte meine Arme um seinen Hals und küsste ihn zärtlich.

Zu Dir (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt