Heute war mein letzter Schultag, ab morgen war ich für das Turnier freigestellt. Wir hatten den Bio Test zum Glück noch nicht raus bekommen, sonst würde mich mein Vater höchst wahrscheinlich köpfen.
Am nächsten Tag packte mich die Vorfreude auf das Turnier. Ich liebte die Atmosphäre und die ganzen Leute. Casi und ich waren in Best Form. Wir waren das letzte Jahr fast ungeschlagen gewesen. Gerade als ich noch ein letztes Mal über das Pony putzte, kam Jan auf mich zu gelaufen. „Sophie, flechtest du Caipirinha auch ein. Ich habe keine Zeit.“ Ohne auf eine Antwort zu warten verschwand er gleich wieder. Verärgert über diese Dreistigkeit, wetterte ich vor mich hin.
Sollte er sein Pferd doch selber Einflechten. Caipirinha war eine Schimmel Stute, die Opa eigentlich in die Zucht nehmen wollte, leider hatte sie nie aufgenommen. Deshalb durfte Jan sie reiten und konnte sich tatsächlich, wie Opa und ich, für die Hessischen qualifizieren. So kam es, dass wir dieses Jahr mit drei Pferden, für das Gestüt Königshofen, an den Start gingen.Kurzzeitig überlegte ich, ob ich Caipirinhas Mähne einfach offen ließ, da würde es aber spätestens heute Abend mächtig Ärger geben.
Mit routinierten Handgriffen war wenig später die Mähne der Stute akkurat nach oben gerollt. Casi konnte ich morgen vor der ersten Prüfung einflechten. Genervt packte ich mein restliches Zeug zusammen. Ich wollte keinen Stress mit Jan. Sollte dieser aber weiterhin so zickig zu mir sein, nahm ich mir fest vor mit Opa darüber zureden.
Nachdem alles zusammen gepackt war, fing Freddy an die Pferde zu verladen.
Casi hatte mal wieder einen Clown gefrühstückt. Lachend schaute ich ihn zu. Er stand wie ein sturer Esel in der Box und wollte sich keinen Millimeter mehr bewegen. Als er zwei Schritte vorwärts machte, stolzierte er, aufgrund von den Transportgamaschen, wie ein Storch. Fast wäre er über seine eigenen Beine gestolpert. Freddy versuchte alles, aber Casi bewegte sich nicht mehr. Erst als Opa angelaufen kam, bewegte er sich vorwärts. Da wusste das Pony, dass er keine Chance hatte und mächtig Ärger bekam. Mit hängenden Ohren trottete er brav in den Anhänger.
Als alle Pferde verladen waren, sprang ich auf meinen Sitz. Von hier aus konnte ich die Pferde im LKW mit einer Kamera beobachten. Casi fraß gemütlich an seinen Heu. Caipirinha wirkte ziemlich nervös. Wahrscheinlich machte Jan, mit seiner Laune auch die Stute verrückt.
Opa hatte während der gesamten Fahrt gute Laune und pfeifte vor sich hin. Es war schön, dass er so gute Laune hatte. Nach dem Tod meiner Oma war er lange Zeit still und hatte sich von allen Abgekapselt, umso schöner waren diese Momente, wo er völlig unbeschwert wirkte. „Na Soph, bist du aufgeregt? Du schaust so nachdenklich aus.“ Reißte mich Opa aus meinen Gedanken. „Nö. Eigentlich nicht. Ich weiß schon gar nicht mehr wie oft ich da schon mitgeritten bin.“ Lachte ich ihn an. Die ganze Fahrt über, redeten wir über Gott und die Welt.
Opa meinte, dass er ohne mich wahrscheinlich nicht so eine Freude an seinen Beruf hätte. Ganz stolz schaute er mich an. „Reite alle in Grund und Boden. Du bist nicht umsonst eine der besten Nachwuchsreiter.“ Zwinkerte er mir zu. Mein Plan war es schon immer, nach der Schule eine Lehre zum Pferdewirt zu machen, dann irgendwann den Hof zu übernehmen. Mama und Papa fanden die Idee zwar nicht so toll, sie meinten ich sollte erst was anderes lernen, aber irgendwann werden sie auch einsehen das der Reitsport mein Leben war.
Opa dagegen unterstützte mich.Am Turnierplatz angekommen, luden wir zügig die Pferde aus und brachten diese in die dafür vorgesehenen Boxen.
Jan kam später nach, er musste noch einiges klären. Sollte mir nur Recht sein. Am besten sollte der Bereiter Zuhause bleiben.
Mit routinierten Handgriffen hatten wir bald den LKW ausgeräumt. Freudig blickte ich auf die Stallgasse. Das Stallzelt erstreckte sich weit vor mir. Ich hatte viele bekannte Namen an den verschiedenen Boxentüren gelesen. Kaum wunderlich, ritt ich doch schon eine ganze Zeit im Bundeskader.
Die Pferde standen in ihren Boxen und mümmelten an ihrem Heu.
Mein Handy vibrierte. Als ich drauf schaute entdeckte ich, dass Papa geschrieben hatte.
Er wünschte mir, heute Abend bei den Eröffnungsball, viel Spaß.
Er und Mama kamen am Samstag und Sonntag zum zuschauen vorbei.
Langsam freute ich mich schon auf das Wochenende. Mit Freunden und guten Bekannten. Reiterpartys waren bekanntlich die besten.
Heute Abend steigte in der Longierhalle eine Party, da werden wir alle hin gehen.
Schnell hüpfte ich in unseren blauen LKW und holte eine Packung Schokokekse.
Man muss wissen, dass ich für Kekse sterben würde. Natürlich nur wörtlich gemeint. Ich könnte jeden Tag eine Packung verdrücken, aber dann würde ich wahrscheinlich schon 200 Kilo wiegen und nicht mehr aufs Pferd kommen, geschweige denn den Sporttest für den Kader bestehen.
Einmal hatte ein Veranstalter mir eine Packung Kekse zu der Platzierung geschenkt.
Er hatte vorher einen Streit mit meinen Papa mitbekommen. Mark hatte mir nämlich verboten die Packung aus dem LKW zu holen.
Papa war natürlich überhaupt nicht begeistert davon.
Er hatte sich aber relativ schnell gefangen und fand es am Ende genauso lustig, wie alle die Zuschauer.
Vor den LKW atmte ich durch, ich ließ meinen Blick über das Turnier Gelände gleiten.
Ich liebte diese Atmosphäre, die Sonne scheinte, alle Blumen blühten und die Vögel zwitscherten. Zwischendurch wiehrte mal ein Pferd.
Es gab keine Hektik, es schien als hätte jeder seine Aufgabe. Auf ländlichen Turnieren herrschte immer eine gewisse Grundanspannung und Hektik, da die meisten keine Ahnung hatten was sie tun sollten und noch dazu ziemlich aufgeregt waren. Hier war alles ganz anders. Es kannte jeder jeden. Die meisten Reiter waren schon zig Jahre im Turniersport unterwegs. Auch ich kannte die meisten Reiter, schließlich hatte ich meine ganze Kindheit, auf irgendwelchen Turnierplätzen, in ganz Deutschland verbracht.
Ich setzte meine Sonnenbrille auf und ging die letzten Stufen runter.
Die warme Juni Sonne schien in mein Gesicht, dort hinterließ sie eine angenehme Spur. Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Meine Fingerspitzen krippelten, ich freute mich auf die bevor stehende Saison. Casi und ich waren ein eingespieltes Team, wir verstanden uns Blind. Die Europameisterschaft konnte kommen.
Völlig in Gedanken versunken, merkte ich erst spät, dass mein Handy vibrierte.
DU LIEST GERADE
Stay Strong and never give up
RandomGib das, was dir wichtig ist nicht auf, nur weil es nicht einfach ist. Diesen Satz musste die 16 Jährige Sophie-Luise Parker oft genug hören. Bloß was passiert, wenn man einfach keine Kraft mehr zum kämpfen hat, wenn man am liebsten alles vergessen...