Irgendwann hörte ich in der Küche einige Stimmen.
Kurze Zeit später rief Mutter auch schon zum Abendessen.
Langsam erhob ich mich. Ein Blick im Spiegel verriet mir, dass ich nicht ganz so mies ausschaute, wie ich mich fühlte.
Mama war gerade dabei den Tisch zudecken. Lukas war bei einen Freund und aß da mit zu Abend.
Andreas stand mit Mark, in seinen Büro. Die beiden Männer unterhielten sich angeregt über etwas.
„Mum kann ich dir noch was helfen? Gibt es irgendwas besonderes weil Opa mit da ist?" fragte ich neugierig.
Sie verneinte die Fragen. Einen Augenblick später saßen wir alle zusammen am Tisch. Das Essen stand in der Mitte und dampfte.
Mamas Handy klingelte. Was mich verwunderte, eigentlich legte sie viel Wert darauf, dass die Handys am Tisch ausblieben. Zügig stand sie auf und trat weg.
Schweigend machten wir uns über den Eintopf her. Es herrschte eine angespannte Stimmung. Bis Opa sich räusperte: „Sophie was war heute im Stall los. Ich habe drei verschiedene Meinungen. Jeder sagt was anderes, jetzt will ich von dir wissen was los war." Seufzend legte ich mein Besteck zur Seite und schaute auf meinen Teller.
Mir war gerade definitiv der Appetit vergangen. Beide Männer sahen mich mit einen fragenden Blick an. Ich zuckte bloß mit den Schultern „Michelle kann mich nicht leiden, ist ja nichts neues." Ganz glücklich war er über meine Antwort nicht.
„Sophie du weißt doch selber, dass es so nicht weiter gehen kann. Innerlich brennst du für den Reitsport. Du bist doch früher auch oft von einen Pferd gefallen und gleich wieder aufgestiegen. Ich verstehe das Drama nicht. Du machst dich Psychisch verrückt."
„Markus hat recht, es wird Zeit das du wieder aufsteigst. Mir fehlt das Personal hinten und vorne. Jan kann Paxi auch nicht länger mitreiten. Entweder du kümmerst dich ab sofort wieder um ihn, oder ich muss einen Verkauf in Erwägung ziehen." Beide Männer blickten mich erwartungsvoll an.
Empört sprang auf. Dabei flog der Stuhl nach hinten um „Das könnt ihr nicht machen. Er gehört mir." Schrie ich umher. Mein Vater stand auf und stützte beide Hände auf den Tisch ab. „Jetzt reicht es, stell sofort den Stuhl auf und setz dich hin. Veranstalte keinen Kinderzirkus. Dann können wir reden wie Erwachsene. Andreas und ich haben uns lange über das Thema unterhalten." Herrschte er mich mit wütender Stimme an.
„Ach leckts mich doch, hier hört mir eh keiner zu." Schnell drehte ich mich um und lief zur Treppe. Mama stand im Türrahmen und macht mir Platz
„Fräulein nicht mit diesen Ton." Hörte ich meinen Vater schreien.
Oben an der Treppe angelangt blieb ich stehen und lauschte.
„Was fällt euch ein Sophie so anzumachen. Sowas müsst ihr vorher mit mir besprechen. Das Gespräch war wahrscheinlich schon lange so geplant. Sie ist noch nicht soweit.
Mittlerweile kann ich sie verstehen. Mark du setzt Sophie immer unter Druck. Auch vor den Unfall schon, nie durfte sie irgendwas." Meine Mutter schien außer sich vor Wut zu sein.
„Was sollen wir deiner Meinung nach machen. Einfach die Augen zumachen? Sie in Watte packen und nie mehr drauf anreden? Meine Güte, Unfälle passieren in den Sport. Da musste jeder durch. Sobald irgendwer was sagt würdest du ihn am besten zum Stillschweigen bringen." Papa schien wirklich wütend zu sein.
Ich hatte noch nie einen Streit zwischen meinen Eltern mitbekommen. Das ich jetzt der Auslöser dafür war schmerzte.
„Glaubt ihr, mir geht es am Arsch vorbei? Gebt ihr doch einfach Zeit. Sie schläft keine Nacht durch. Ich höre sie jede Nacht herum schleichen. Mir geht es ja nicht anders. Oft genug hab ich die Bilder im Kopf, als sie unter den Pony lag und die Heidenangst, die ich im Krankenhaus verspürt habe, als sie nicht aufwachen wollte, verflogt ja selbst mich mit in den Schlaf.
Mark du würdest es mitbekommen wenn du nicht ständig mit deiner Scheiß Firma unterwegs wärst."
„Es muss aber wieder aufwärts gehen. Sie kann nicht ewig in der Vergangenheit herum hängen. Dann muss sie nochmal zu einen Psychologen. Ach, jetzt heißt es wieder meine scheiß Firma, aber kaum wollt ihr was, soll es diese scheiß Firma zahlen oder was." Papas Stimme wurde immer lauter.
Die Konversation wurde durch ein Handy klingeln unterbrochen.
„Geh hin und fahr danach in die Firma, wie du es immer machst. Du kannst dir dein Geld sonst wo hinstecken. Du kannst dir mal überlegen, ob dir was an deiner Familie liegt. Der letzte gemeinsame Ausflug ist schon sehr lange her."
Es kamen Schritte auf mich zu. Langsam schlich ich in mein Zimmer. Ich schloss die Tür und ließ mich auf das Bett fallen.
Ich hörte nebenan die Schlafzimmer Tür meiner Eltern zufallen und danach ein leises schluchzen.
Meine Gedanken kreisten um den Streit. Bis meine Augen irgendwann vor lauter Müdigkeit zufielen.
Schweißgebadet schreckte ich auf. Kurzzeitig schaute ich mich orientierungslos um.
Seufzend ließ ich mich zurück in mein Kissen fallen. Der Albtraum noch tief in mir drin.
An Schlaf war jetzt nicht mehr zu decken. Langsam stand ich auf und zog mir ein frisches Shirt über.
Mit leisen Schritten ging ich die Treppe hinunter.
In der Küche angekommen schnappte ich mir ein Glas und füllte es mit Leitungswasser.
„Solltest du nicht lang im Bett sein." kam plötzlich eine Stimme aus den Wohnzimmer.
Vor Schreck hätte ich fast das Glas runter geschmissen.
Erschrocken drehte ich mich um. Papa saß in seinem Sessel und hielt ein Glas mit brauner Flüssigkeit in der Hand.
„Konnte nicht schlafen, hab Durst bekommen." Zuckte ich mit meinen Schultern.
Er schaute mich an und lachte bitter. „Welch Ironie das ich hier sitze und einen Whiskey trinke. Wo ich euch alle doch immer sage das Alkohol beschissen ist. Aber irgendwie konnte ich nicht widerstehen, als ich die Falsche in der Firma gesehen habe."
Schuldbewusst schaute er mich an. An seiner Stimme konnte ich erkennen, dass er wahrscheinlich schon mehr als dieses Glas getrunken hatte.
„Du bist also nach den Anruf in die Firma gefahren?" fest schaute ich ihn in die Augen.
Papa zog eine Braue nach oben „und du hast gelauscht." Stellte er fest.
„War ja nicht zu überhören. In der Lautstärke wie ihr geschrien habt."
Schuldbewusst senkte er den Kopf. Langsam fuhr er mit den Finger über den Glas Rand. Mit einem Zug leerte er das Glas.
„Du weißt das ich Dich lieb habe...Ich will nur das Beste für dich und unserer Familie. Ich versuche mehr Zeit mit euch zu verbringen." seine Stimme bebte.
„Ich weiß. Ich hab dich doch auch lieb... Es tut mir leid das ich vorhin so ausgerastet bin. Ich versuche auch mich zu bemühen." Kurz umarmten wir uns.
Danach schickte mich Papa wieder ins Bett.
Am nächsten Morgen stand ich wie immer an der Bushaltestelle und warte auf Isabella.
Sie kam wenig später angelaufen, in einer Gelben Regenjacke. Das Wetter war für Anfang Oktober echt mies. Definitiv kein Goldener Herbst. Opa hatte sogar die jung Pferde schon in den Stall geholt. Eigentlich kamen diese erst im November in die großen Laufboxen.
Sehnsüchtig erinnerte ich mich, dass ich in zwei Wochen 16 Jahre alt wurde.
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Stay Strong and never give up
RandomGib das, was dir wichtig ist nicht auf, nur weil es nicht einfach ist. Diesen Satz musste die 16 Jährige Sophie-Luise Parker oft genug hören. Bloß was passiert, wenn man einfach keine Kraft mehr zum kämpfen hat, wenn man am liebsten alles vergessen...