15. Kapitel

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Ein tiefer Seufzer entwich meiner Kehle, fest drückte ich die Türklinke nach unten. Einen Fuß nach den anderen setzte ich voran. 
Die ganzen Wände waren mit Bilder geschmückt. Auf einen Regal lagen unzählige Schleifen und Pokale.
Schwungvoll schmiss ich meine Krücken in die Ecke. Langsam ließ ich mich auf den Boden fallen. Alles in meinen Zimmer erinnerte mich an Casanova. Ich machte mir große Vorwürfe, schließlich war ich an seinen Tod schuld. Stumm liefen Tränen über meine Wange.

Ich nahm einen Bilderrahmen in die Hand und musste kurz schlucken. Auf den Bild sah man Casanova und ein jüngeres ich über einen Sprung. Ich konnte mich noch gut daran Erinnern. Das Bild hatte damals ein Fotograf aufgenommen. Es entstand bei meinen ersten M springen. Ich hatte zwar einen Fehler, aber ich war der glücklichste Mensch. Knapp hatte ich eine Platzierung verpasst. Unter allen Teilnehmern war ich die jüngste, ich war so unglaublich stolz auf das Pony, dass ich ihn vor Freude um den Hals gefallen war.
Ein dicker Kloß saß in meiner Kehle. Mit einem lauten schluchzen, stellte ich das Bild neben die anderen, unzählige Schleifen zierten sich dazwischen. Eine Prachtvoller wie die andere.
Ein mit Glitzer überzogenes Eisen stach hervor. Das Rosa schimmerte im Licht.

Opa hatte es mir geschenkt. Bei meinem ersten Preis der Besten in Warendorfer, hatte Casanova nach den letzten Sprung sich das Eisen abgetreten. Wir hatten das Springen gewonnen. Opa hatte das Eisen auf den Rasenplatz gesucht und mir dann zum Geburtstag geschenkt.
Immer mehr Tränen floßen an meiner Wange hinunter. Ich schlug die Hände vor mein Gesicht und schluchzte auf.
Tausend fragen schossen durch meinen Kopf, ich fand keine Antwort darauf. Wieso musste mir sowas passieren. Reichte es nicht schon, dass meine Oma so früh starb, jetzt auch noch dieser blöde Unfall. Die Tatsache das ich wahrscheinlich mein Leben lang ein Krüppel blieb war nicht sehr vielversprechend.

Die letzten Jahre waren Papa und ich im Winter in Bayern zum Ski fahren, aber sowas werde ich nie wieder können. Die Ärzte redeten aktuell über Glück, das ich überhaupt laufen konnte.

Langsam ließ ich mich auf mein Bett sinken.
Ich hatte schon viele Pferde kommen und gehen sehen. Mir wurde von klein auf gesagt, dass es unser Job sei Pferde zu züchten auszubilden und dann weiter zu verkaufen.
Ab und an mussten wir auch schon Pferde erlösen weil sie zu alt, schwach oder schlimm Krank waren, sowas war schlimm, es wurde aber immer zum Gunsten des Pferdes entschieden. Aber noch nie war ein Pferd meinetwegen gestorben…
Ich konnte nicht sagen, wie lang ich einfach da saß und die Wand anstarrte.
Erst als Mama nach mir rief, erhob ich mich von den Bett und ging nach unten.

Unten angekommen sah ich Lukas auf den Wohnzimmertisch sitzen. Augenscheinlich malte er ein Bild. Mama und Papa standen zusammen in der Küche und kochten. Sie schienen viel Spaß zu haben. Ich stand unschlüssig in den Essbereich und schaute den beiden zu. Immer wieder, musste ich mit einen Lächeln feststellen, das meine Eltern ein tolles Paar waren. Papa war trotz, dass er nicht mein richtiger Vater war, immer für mich da und unterstützte mich mit allen. Manchmal war er zwar sehr streng und vergaß, dass er nicht in der Arbeit war und gerne mal einen Gang zurück schalten konnte, aber das waren wir mittlerweile gewohnt.
Mama drehte sich zu mir um und lächelte mich an. „Sophie da bist du ja, du darfst dich gerne schon einmal hin setzten, Papa müsste auch gleich kommen.“ Kaum hatte sie ausgesprochen klingelte es auch schon an der Tür.
Lukas sprang auf und machte auf. Kurze Zeit später kam er gefolgt von Opa wieder in das Esszimmer.

Meine Eltern hatten damals, kurz nachdem sie geheiratet hatten, unser Haus gebaut. Opa wohnte neben an. So hatte jeder seine Privatsphäre, aber wir waren trotzdem nicht weit entfernt.
Opa schloss mich in eine feste Umarmung. „Ich habe dich so vermisst.“ Seine Stimme klang erschöpft und müde. Die Umarmung fühlte sich fremd an. Ich fühlte mich mit einem Mal unwohl. Schnell löste ich mich und Strich eine verwirrte Haarsträhne hinters Ohr.
Meine Augen brannten, wahrscheinlich waren sie rot Unterlaufen von den ganzen Tränen.
Ich stocherte ein wenig verloren in der Lasagne umher. Seit dem Krankenhaus Aufenthalt hatte ich fast keinen Hunger mehr. Man sah es leider auch schon an meinen Klamotten. Das T-Shirt hängte schlaff an meinen Schultern und die sonst so perfekt sitzende Hose rutschte immer wieder die Hüften hinunter. „Sophie magst du danach mit in den Stall kommen? Paxi vermisst dich schon und ich hab einen neuen Deckhengst, den würde ich dir gerne vorstellen.“ Mit leuchtenden Augen sah er mich an. Die Gabel fiel mit einen lauten gepolter auf meinen Teller. Der gesamte Tisch musterte mich, unangenehm umhüllte die Stille den Raum. Ich räusperte mich Geräuschvoll versuchte mit aller Macht den großen Kloß in meinen Hals loszuwerden. „Darf ich aufstehen? Ich bin müde und würde gerne rauf gehen.“ Leise, fast schon zaghaft durchdrang meine Stimme die Stille. Unverständnis lag aufs Papa Gesicht. Er schüttelte empört den Kopf. „Du hast noch gar nichts gegessen. Sue hat extra für dich gekocht.“ Seine Stimme klang Vorwurfsvoll. Opas Blick lag auf mir, er wirkte traurig, wie als hatte ich seine letzten Hoffnungen genommen. Mama legte zum besänftigen, ihre Hand auf die von meinem Vater und nickt mir zu.
Langsam stand ich auf, mit einen entschuldigen Blick ging ich aus der Tür. Vor der Treppe blieb ich kurz stehen und lauschte. „Gebt ihr Zeit, dass ist momentan alles nicht leicht für sie. Sie muss sich auch erst wieder einfinden. Noch Dazu hatte sie einen schweren Unfall. Sowas vergisst man nicht leicht.“ Mama wirkte gefasst, wie immer. Noch nie hatte ich sie aufbrausend erlebt. Bei meinen Vater war dies schon des Öfteren vorgekommen. Seine Geduldsspanne war nicht sehr groß. Früher hatte ich es regelmäßig darauf angelegt, dass er halb durchgedreht war. Ich wollte nicht noch mehr hören. So lief die Treppe hinauf.
Mit schlechten Gewissen, legte ich mich auf mein Bett. Ich wusste das Opa enttäuscht war, er hatte sich wahrscheinlich so sehr gefreut. Mein Schmerz im inneren saß zu tief, ich konnte ihn nicht überwinden.

Stay Strong and never give up Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt