Sicht von Andreas
Gelangweilt lehnte ich an den Zaun zum Abreiteplatz. Immer wieder huschte mein Blick zu den großen Springplatz.
Bis jetzt waren es noch nicht viele Fehlerfreie Ritte. Anna eine Freundin von Sophie lag bis jetzt in Führung.
Es würde definitiv ein Stechen geben. Langsam kam die Juni Sonne hervor und schien angenehm warm auf meinen Rücken. Ich setzte meine Sonnenbrille auf und verschränkte die Arme vor der Burst. Das Wetter war wundervoll. Der Boden war außerordentlich gut. Wir brauchten nur kleine Stollen für die Pferde, damit sie nicht rutschten. Der Sieg gestern von Sophie war außerordentlich gut, bis jetzt hatte ich sie selten so gut reiten sehen.
Am Abend kamen einige bekannte Reiter her und sprachen mich darauf an. Auch der Bundestrainer war da. Er meinte, dass sie für die Europameisterschaft gesetzt war. Sie sollte zwar auf den Vorbereitungenslehrgang nach Warendorf kommen, aber das wäre nur eine reine Form Sache. Ich freute mich richtig, meiner Enkelin diese Nachrichten zu überbringen. Ihre Augen strahlten dann noch mehr als eh schon.Am Rand konnte ich Sophie ausfindig machen, ihr Reithelm der einer Diskokugel glich, strahlte hell in der Sonne. Ich vermutete immer noch, dass der Helm die Richter erblinden lässt, manchmal bekam sie die hohen Wertnoten nur so hinter her geschmissen.
Sie hatte die Zügel auf den Hals gelegt und schrieb irgendwas auf ihren Handy.
Eigentlich hatte ich ihr schon tausendmal gesagt, dass sie den scheiß lassen soll. Auf den Turnier sind die Pferde immer angespannter als Zuhause und da musste man einfach gleich reagieren können.
Sophies Füße baumelten locker ohne Steigbügel an Casis Bauch.
Ich suchte den Platz, mit meinen Augen, nach Kurt ab. Der Kadertrainer hatte heute die Verantwortung. Er verstand bei so einer Fahrlässigkeit keinen Spaß. Vielleicht dämmerte ihr es dann, dass sie wenigstens ihr Handy weg legte.
Leider konnte ich Kurt so schnell nicht ausfindig machen.
Jemand klopfte mir von hinten auf die Schulter, gespannt drehte ich mich um.
Ich konnte mir ein grinsen nicht verkneifen. Ludger Beerbaum stand breit lächelnd hinter mir. Früher waren wir zusammen in der gleichen Mannschaft geritten. Wir beide hatten uns schon immer gut verstanden, in letzter Zeit wurde der Kontakt allerdings weniger.
Umso mehr freute es mich ihn jetzt zu sehen. Mit einen freundlichen Klaps auf die Schulter begrüßten wir uns.
„Ja Ludger was machst du den hier.“ Lachte ich ihn an.
„Ich war in der Gegend und da dachte ich mir ich Schau mal vorbei. In der Hoffnung, dass ich dich und deine Enkeltochter reiten sehe.“ Grinste er mich an.
Ich nickte rüber zu Sophie, die immer noch lässig auf Casi saß.
„Also recht aufgeregt scheint sie nicht zu sein. Ich kann mich noch an die Anfänge erinnern, da dacht ich ab und an, das die beiden sich irgendwann umbringen werden“ Stellte er fest. Ich hatte das Pony damals auf einer Auktion gesehen und sofort gekauft. Der Wallach war am Anfang heftig. Er Steigte und Bockte ohne Rücksicht auf Verluste. Sophie hatte es nicht leicht mit den Fuchs. Die ersten male konnte sie keinen Parcours beenden. Sie segelte oft in einen Sprung. Sue war mehr als einmal wütend auf mich. Sie verfluchte das Pony regelrecht. Sophie liebte es und gab nie auf. Die beiden hatten mittlerweile alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Sie galten als das beste Paar, in ihrer Altersklasse, in Europa. Wir hatten unzählige Anfragen die das Pony gerne kaufen würden.
„Die beiden sind super geworden. Leider ist es das letzte Pony Jahr im Oktober wird sie 16. Sophie reitet die Hengste auch mit. Allerdings ist dies keine Dauer Lösung, da die Hengste während der Decksaison auf der Station stehen bleiben. Wir sind schon auf der Suche nach einen Nachwuchspferd.“ Zerknirscht da wir immer noch kein passendes Pferd gefunden hatten, stützte ich mich wieder auf die Umrandung.
„Was passiert mit den Pony, wollt ihr es abgeben? Ich suche ein Pony für meine Enkeltochter…Momentan hab ich eine 9 jährige Cassini Tochter bei mir im stall stehen. Ein vermögendes Pferd, leider ein wenig zu klein und sehr schmal gebaut. Sie wäre aber perfekt als Junioren Pferd. Ich würde sie ein paar Jahre zur Verfügung stellen, danach hätte ich gerne noch ein paar Fohlen aus ihr gezogen. Die verkaufen sich halt wesentlich besser, wenn die Mutter im Sport gelaufen ist.“ Antwortete Ludger ehrlich. Wir hatten schon öfters Geschäfte gemacht. Es hatte bis jetzt immer funktioniert.
„Sophie wird das Pony nicht abgeben. Dafür liebt sie es zu sehr. Muss sie auch nicht. Wir können es uns leisten ihn zu behalten. Ihr kleiner Bruder soll später den Fuchs reiten. Die Stute würden wir uns aber gerne anschauen. So ein Pferd suchen wir.“ Nickte ich den Reiter zu. Ich sollte mich melden wenn ich das Pferd anschauen wollte. Währenddessen sprang Sophie ein paar Probesprünge. Alle sauber und auf den Punkt geritten. Ludger stieß einen Anerkennenden pfiff aus. Was mich natürlich voller Stolz erfüllte.
Sophie ließ die Zügel lang und klopfte den Fuchs seinen Hals. Zufrieden schnaubte dieser.
Sie ritt zu ihren Eltern. Beide wünschten ihr viel Glück. Man konnte von weiten sehen, wie stolz Susanne auf ihre Tochter war. Mir ging es nicht anders.
Danach kam Sophie zu uns geritten. Mit einen freundlichen nicken grüßte sie Ludger, dabei zog sie sich ihr Jacket über. Trotz des Warmen Wetters, haben die Richter keine Marsch Erleichterung ausgesprochen. Also muss ein Jacket getragen werden.
„Wenn du nicht soviel Kekse essen würdest, würde es leichter zu gehen.“ Zog ich sie auf, da sie mit einen Knopf kämpfte. „Die Packung aus den LKW ist auch schon wieder weg. So langsam kann ich ein ABO unterschreiben.“ Amüsierte ich mich darüber. Sophie streckte mir bloß die Zunge raus, musste dann aber selbst über meinen Spruch lachen. „Ohja das würde ich toll finden. Unbegrenzt Kekse im LKW. Aber nur die mit Schokolade.“ Fügte sie lachend hinzu. Konzentriert schaute sie auf den Springplatz und verfolgte den Reiter mit den Augen. „Ups das passt nicht“ schüttelte sie ihren Kopf. Kurz drauf hörte man schon Stangen fallen. Das war zuviel für das Pferd, danach verweigerte es dreimal und war Ausgeschieden. Der Reiter ließ enttäuscht den Kopf hängen.
Sophie ritt in die Bahn. Mein Kumpel und ich suchten uns einen Platz, so das wir alles sehen konnten.
Eine Starterin war noch dran, derweilen zeigte meine Enkeltochter ihrem Pony einige Hindernisse.
Casanova schien es aber nicht zu interessieren, er klapperte als Langeweile auf seinen Gebiss herum.
Die Reiterin beendete fehlerfrei und in Bestzeit den Parcours.
Sophie stellte sich vor das Richterhaus zum Grüßen, kurz drauf ertönte die Glocke, die den Start frei gab.
„Jetzt die letzte Startnummer für das U16 springen. Sophie-Louise Parker mit ihren Deutschen Reitpony Casanova K, sie zählen aktuell zu den besten Nachwuchsreiter in Europa.“ Kündigte der Kommentator Soph und Casi an.
Mit einer fast unsichtbaren Hilfe galoppierte sie das Pony an. Frech drückte er kurz gegen ihren Schenkel. Was Sophie sofort unterband.
Sie ritt konzentriert das erste Hindernis an und traf den Absprung perfekt. Es wirkte, als ob ihnen der Anspruchsvolle Parcours voll und ganz liegen würde.
Beinahe Schwerelos überwanden sie die Hindernisse.
„Falls sie einen Ausbildungsplatz als Bereiterin sucht, schick sie sofort zu mir. Die reitet für ihre 15 Jahre besser als manch ein Bereiter der bei mir Arbeitet.“ Stieß Ludger hervor.
Mein Lächeln wurde immer breiter, so ein Lob aus den Mund eines Olympia Siegers, da konnte man sich was drauf einbilden.
Sofort konzentrierte ich mich wieder auf das Paar, dass gerade den Schlusssprung einer Distanz anritt, der eigentlich ziemlich gelegen stand. Die Reiterin nahm das Pony zu sehr zurück. Viel zu spät sprang der Wallach ab. Mit einen riesigen Satz rettete er, sich und Sophie. Ich stöhnte auf. Genau die gleichen Fehler machte sie im Training auch.
Sophie kam in der Bewegung nicht ganz mit. Casi konterte dies gleich mit einen großen Bocksprung, den sie gut sitzen konnte, danach kickte er aber seine Hinterhand in die Höhe, dadurch hatte Sophie kaum Chancen. Sie kam vollkommen aus dem Gleichgewicht.
Casi nutzte dies aus und stürmte auf die Kombination zu.
„Langsam, nimm ihn zurück“ rief ich laut rein, in der Hoffnung sie hörte es.
Einige Eltern drehten sich empört um. Wie konnte ich es wagen meinen Kind Anweisungen zugeben, da hatte es ja mehr Chancen auf einen Sieg.
Ludger neben mir sog laut die Luft ein „das passt nie und nimmer“ sprach er meine Gedanken aus.
Alles passierte in einer Wahnsinnigen Geschwindigkeit.
Der Einsprung war viel zu groß, Sophie hielt sich am Sattel fest. Casi sprang mit einen gewaltigen Satz ab. Sie verlor das Gleichgewicht über den Sprung.
Ich sah wie sie sich im Sattel weit zurück lehnte und die Hände nach oben riss. In der Hoffnung das Pony würde bremsen. Was allerdings nicht möglich war. Der Aussprung kam viel zu schnell
Durch die zu hohe Geschwindigkeit war der Absprung viel zu dicht. Er konnte den Oxer unmöglich schaffen. Zu allem Überfluss bekam das Pony die Stange zwischen die Füße. Ein lautes Raunen ging durch die Zuschauerreihe.
Er strauchelte und überschlug sich, mit seiner kleinen Reiterin oben drauf.
Es krachte fürchterlich, alle Stangen flogen umher und der Pony Wallach vergrub seine Reiterin unter sich.
Mein Herz setzte einige Sekunden aus, dass durfte doch nicht war sein. Voller Schock stand ich da.
In der ersten Sekunde, hoffte jeder, die beiden würden aufstehen und unverletzt hinaus gehen, dies war leider nicht der Fall.
„Scheiße“ entwich es meiner Kehle.
Aus meiner Schockstarre erwacht sprang ich über die Absperrung. Aus den Augenwinkel konnte ich sehen wie Mark mir folgte.
Langsam näherten wir uns den Pony, wir hofften nur das er liegen bleiben würde und nicht versuchte aufzustehen, nicht das er Sophie nochmal erdrückte. Seine Augen waren vor Schreck geöffnet. Ein Grunzen ging von den Pony Körper aus.
Meine Ohren rauschten, ich handelte wie im Autopilot. Casi lag direkt auf Sophie, man sah nur noch das weiße in seinen Augen. Er hatte wahnsinnige Angst.
Mark und ich versuchten den Pony beim aufzustehen zu helfen, in der Hoffnung das er Sophie nicht mit seinen Huf traf, oder gar zerquetschte.
Sophie lag Regungslos am Boden ihr Fuß stand komisch ab. Alles ging so schnell, die Sanitäter kommen angelaufen und riefen irgendwelche Fachbegriffe. Nur ein paar Wortfetzten drangen zu mir durch. Es sah nicht gut aus.
Fest umklammert hielt ich die Zügel fest. In der Hoffnung sie gaben mir die nötige Sicherheit.
Ich versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren. Jan kam Atemlos herbei.
„Was ist Passiert Chef, die Leute haben irgendwas von einen Unfall erzählt, jetzt bin ich hergelaufen.“ Fragte er völlig durch den Wind. Meine Stimme versagte, ich brachte keinen Ton heraus.
Der Turniertierarzt kam herbei. Er versuchte das Pony zu untersuchen. Casi stöhnte qualvoll auf. „Es hilft nichts wir müssen das Pony hier wegbringen. Er braucht definitiv eine ordentliche Ladung Schmerzmittel.“ Entschied der Arzt. Ludger kam neben mich und übernahm die Entscheidungen.
Wir versuchten das Pony zu den Privatstallungen zuführen, da diese näher dran waren wie die Stallzelte.
Casi konnte mit einen Fuß überhaupt nicht auftreten und hüpfte auf drei Beinen ganz langsam neben uns her. Er zitterte am ganzen Körper.
Mark hielt Jan fest am Arm „Egal was. Du tust alles dafür, dass dieses Pony überlebt. Sophie würde es zerbrechen wenn ihm was passiert.“ Zischte er Jan zu. Man merkte, dass die Nerven bei allen blank langen.
Währenddessen wurde Sophie ganz langsam auf eine Trage gelegt.
Ich folgte den Pony, da ich hier nicht mehr machen konnte. Langsam löste sich eine Träne aus meinen Augen.
Ludger legte einen Arm um mich und ging langsam neben mir her. Der Tierarzt untersuchte sofort das Pony. Erschöpft ließ der Wallach seinen Kopf hängen. Bedacht strich ich über seinen Hals. Ich wusste das es sehr schlecht aussah.
„Scheiße. Ich muss röntgen, so sehe ich nichts. Irgendwas stimmt nicht.“ Fluchte der Tierarzt laut vor sich hin.
Er ging zu seinen Auto und holte alles für die Untersuchungen.
Casi bekam eine ordentliche Portion Beruhigungsmittel, damit er sich ein wenig beruhigt.
Ludger schaute mich voller Sorge an. „Wir schaffen das hier ohne dich. Sobald wir eine Diagnose haben rufen wir dich sofort an…Wenn fahren wir eh in die nächste Klinik…. Wir handeln nicht ohne dich. Schau du nach Sophie.“ Sagte er mit Nachdruck. Langsam löste ich meine Hände von den Zügel. Sofort macht sich eine leere in mir breit. Ich strich Casi über die Nase und betete im stillen für das Fuchsfarbende Pony.
Mit einen ungute Gefühl lief ich zu den Rettungswagen.
Susanne hockte auf der Treppe und weinte. Sie schaute fürchterlich aus. Mark schaute auch genauso schlimm aus. Wir alle waren mit den Nerven am Ende.
Mark kam auf mich zu „Wie geht es Casi, habt ihr eine Diagnose.“ Fragte er sofort. Ich schüttelte den Kopf. „Sie röntgen gerade, ob überhaupt noch eine Chance besteht. Wenn müssen wir gleich in die Klinik fahren.“ Flüsterte ich schon fast. Die Angst schnürrte meine Kehle zu.
Sue sagte unter Tränen erstickter Stimme, dass Sophie nicht ansprechbar war und man von inneren Verletzungen sowie Wirbel Verletzungen ausgehen musste. Der Rettungshelikopter war unterwegs, dieser sollte sie dann nach Frankfurt in die Uni Klinik bringen.
Die Meldestelle hatte schon durch gegeben das der Springplatz geräumt werden musste, sonst konnte der Helikopter nicht landen.
„Ich versteh warum meine Mutter damals so froh war, als ich den Turniersport aufgegeben habe. Immer diese Angst, wenn deine Tochter über Springe fliegt die höher als sie selbst ist.“ Weinte sie immer mehr vor sich hin. Mich zerriss es innerlich. Meine einzige Tochter so fertig zu sehen. Mit schnellen Schritten war ich bei der Treppe angelangt und nahm sie fest in den Arm.
Marks Handy vibrierte „Ja Markus hier“ meldete er sich, gab das Telefon aber gleich an mich weiter.
„Chef, es schaut echt Scheiße aus, Trümmerbruch am Fesselgelenk.“ Hörte ich Jan sagen. Danach reicht er das Telefon weiter „Andreas, dass komplette Gelenk ist kaputt, ich hab selten einen schlimmeren Bruch gesehen. Der Kreislauf sackt langsam zusammen, er muss unfassbare Schmerzen haben. Wir schaffen es definitiv nicht in die Klinik. Meiner Meinung nach macht das auch keinen Sinn, so eine Verletzung kann man nicht behandeln.“ Sprach Ludger mit Ernster Stimme.
Nachdem ich auflegt hatte, stand die Welt für mich still. Ich schaute Mark traurig an und schüttelte den Kopf. „Trümmerbruch“ war das einzige was mir über die Lippen kam. Jeder Pferdebesitzer wusste, dass es das aus war. Er schlug beide Hände über den Kopf zusammen. Verärgert kickte er gegen die Treppe. „So eine verdammte scheiße.“ Schrie er verärgert. Sue umarmte ihren Mann fest. Von weiten hörte man den Hubschrauber landen.
Für Casi konnten wir leider nichts tun… Ich lief schnell zu den Stallungen um mir die Bilder nochmal persönlich anzuschauen, aber ich zweifelte ihre Kenntnisse nicht an.
Sophie würde am Boden zerstört sein…
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Stay Strong and never give up
RandomGib das, was dir wichtig ist nicht auf, nur weil es nicht einfach ist. Diesen Satz musste die 16 Jährige Sophie-Luise Parker oft genug hören. Bloß was passiert, wenn man einfach keine Kraft mehr zum kämpfen hat, wenn man am liebsten alles vergessen...