#20 Philosoph

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    - Kapitel 20 -

Ein Philosoph sagte mal: „Es ist besser, ein kleines Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu schimpfen.", ich verstand es einfach nicht. Denn woher sollte ich dieses Licht nehmen, wenn in mir nur Dunkelheit herrscht? Ich wurde in meinem Leben schon oft genug von Menschen enttäuscht, die mir nahestanden. Viel zu oft habe ich ihnen vertraut nur damit sie mich verlassen können wenn es eng wurde. Mir wurde immer wieder gezeigt, warum ich keine Erwartung in Menschen setzen sollte. Denn wenn man etwas erwartet, kann man enttäuscht werden. Doch auch jetzt, am ersten Tag an der neuen Schule, versuchte ich diese Hoffnung, dieses kleine Licht, wieder zu erlangen. Ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben und dafür kämpfen nicht die Außenseiterin zu sein. Nicht die, die sie anschauen und dann hinter ihrem Rücken über sie zu lachen.
Würde ich hier, an der neuen Schule, Platz für mich finden? Diese Frage jagte mir schon seit gestern im Kopf umher. Sie hielte mich auch vom Schlafen ab. Was würde schon passieren, wenn sie etwas aus meiner Vergangenheit erfuhren? Würden sie panisch wegrennen und kein Wort mehr mit mir wechseln wie an meiner alten Schule? Oder eine Gruppe aufmachen, in der sie über mich ablästern?
Der einzige Weg, um diese Fragen zu beantworten ist es, einfach in das Haifischbecken zu springen.
Somit sitze ich gerade im Mercedes mit meinem Vater und blicken aus dem Fenster zum Schulgebäude. Meine schwitzigen Hände rieb ich über die Jeanshose mit dem Loch am Knie. Meine Lieblingshose. Ohne sie würde ich sicher nicht hier auftauchen. Auch meine weißen Converse Schuhe durften nicht fehlen. „Also los, du musst noch ins Sekretariat um deine Unterlagen abzuholen, okay?". Ich nickte wie in Trance, doch bewegte mich kein Zentimeter. „Hey", er versuchte zu mir durchzukommen, doch ich baute schon die Schutzmauer wieder um mich herum, die ich mir in den letzten Jahren so mühevoll aufgebaut hatte. Ich blickte weiter stur nach draußen, wo schon mehrere Schüler in Gruppen standen. „Schau mich an.", widerwillig schaute ich ihn an. Am liebsten würde ich einfach aussteigen und wegrennen. Ja, ich wollte vor dieser Situation abhauen. Vielleicht war das der nur schwach. Aber für mich war es einfach der sicherste Weg, um nicht wieder verletzt zu werden. „Mach dir nicht gleich wieder so ein Kopf, es wird schon alles gut werden. Du musst es einfach nur zulassen. Also los, sonst kommst du an deinem ersten Tag noch zu spät.". Ich stöhnte innerlich genervt auf, machte aber was er wollte.
Als ich hinaustrat, zog ich ein paar Blicke auf mich. Ich kann es ihnen nicht krummnehmen, denn wenn man einen Mercedes AMG GT sieht, denkt man, dass die Personen darin Markenklamotten und so tragen würden. Doch bei mir war das eben nicht gefall, also schauten sie so.
Ich schaute nochmal zu Max, der mir nur aufmunternd zunickte, und ging dann in dem Schulgebäude. Es war relativ voll. Viele standen an den Spinten, um sich für die Stunden die Bücher zu holen. Manche liefen den Gang entlang, um zu ihrem Raum zu gehen. Und ich stand mittendrin. „Achtung! Aus dem Weg!", um ein Haar wurde ich von einem Typen auf dem Skateboard mitgerissen. Zum Glück konnte er noch rechtzeitig ausweichen, bevor es für uns ungemütlich werden konnte. Na, das war ja eine großartige Art am ersten Tag willkommen zu werden.
Bevor ich nochmal in so eine Gefahr gebracht zu werden, lief ich eilig weiter und suchte das Sekretariat. Nach einer gefühlten Stunde fand ich es dann auch und trat ein. Hinter einem Schreibtisch saß eine stämmige Frau mit rundlichem Gesicht, die anscheinend in ihren 40 ern war. Sie sah mich fragend an und ich trat näher. „Hallo, ich bin Liv und neu hier.". Ihr Blick weilte noch einen Moment auf mir, bevor sie etwas in ihrem Computer eingab. Kurz runzelte sie die Stirn und schaute nochmal zu mir und dann wieder auf den Bildschrim vor ihr. „Hmm also hier steht Olivia Diehn. Aber ich schätze Liv ist dein Spitzname.". Sie lächelte mich warm an. Doch mir war nicht nach lächeln zu mute. Es war ein Wunder, dass ich nicht gleich alles zusammen geschrien hatte. Hatte ich das richtig gehört? Olivia Diehn? Olivia war mir in dem Moment egal, doch der Nachname brachte mich zur weißglut. Der Nachname „Gomez" gefiel mir zwar auch nicht, aber das Max einfach ohne zu fragen, mich hier als Olivia Diehn eintragen lassen hatte, ging wirklich zu weit. Die Frau legte ein Stapel Blätter auf den Tresen zwischen uns. „Hier ist alles drin was du brauchst. Deine Bücher liegen schon in deinem Spinnt. Und hier...", sie zog aus einer Schublade einen kleinen Schlüssel. „Hier ist der Schlüssel für deinen Spinnt. Wenn irgendwelche Fragen auftauchen, kannst du einfach zu mir kommen.".
Ich nickte ihr freundlich zu und verschwand so schnell wie möglich aus dem Raum. Draußen musste ich nochmal tief durchatmen, um die ganze aufsteigende Wut unter Kontrolle zu bekommen. Das Thema mit meinem Nachnamen werde ich noch mit meinem Vater ausdiskutieren.
Auf meinem Zettel stand das ich jetzt im Raum 201 Geschichte bei Herr Schröder hatte. Eigentlich mochte ich dieses Fach sogar, aber dafür das ich nicht auffallen wollte, durfte ich mich nicht als Geschichtsstreber outen. Es hatte schon längst zum Unterricht geklingelt, keine Menschenseele war auf den Fluren zufinden, somit auch keiner der mir den Weg zeigen konnte. Also war ich auf mich selbst gestellt. Nach ungefähr zehn Minuten fand ich endlich meinen Raum und klopfte an. Eine tiefe raue Stimme bat mich herein.
Langsam öffnete ich die Tür und trat ein. Natürlich schauten alle mich, den „Störenfried" an.  Jetzt ist der Moment, in dem sie sich ein Urteil über mich bildeten. Mein Blick lag emotionslos auf den Mann an der Tafel gerichtet. Dieser Blickte mich nur fragend an. Oh ja, ich musste ja was sagen. Natoll. So viel dazu.
„Hallo, ich bin Liv.", ich hoffte darauf, dass er mich ablöste und endlich was sagen würde. Doch er nickte nur. „Ich bin Herr Schröder und dort hinten ist noch ein platz für dich frei, am Ende der Stunde kommst du bitte zu mir.", sagte er nur knapp und führte seinen Unterricht weiter.

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I'm back 🙋🏻‍♀️🙏

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