Wenn er wirklich ein Mitspracherecht haben wollte, was den Verlauf seines weiteren Lebens anging, dann musste er alles in Betracht ziehen, so abwegig es auch war. Da kam es ihm sehr gelegen, dass der Hund auf der anderen Straßenseite eines dieser Sicherheitsgeschirre trug, die Appleby in seiner Zoohandlung anbot.
Er dachte nur kurz darüber nach. Im Grunde war sein Aushilfsjob damals ganz toll gewesen. Inhaber Richard Appleby war zwar oft wahnsinnig nervig gewesen, aber die Tiere, die dort verkauft wurden, machten das wieder wett und boten eine echte Alternative zu seinem Kurierjob.
Und so ziemlich alles wäre besser, als die ranzige Bude von Mrs. Ming, in der Nudeln auf dem Boden klebten und keiner wirklich wusste, was da hinten im Kühlschrank wuchs. Eigentlich irre, dass der Laden immer noch geöffnet hatte.
Zwölf Pfund leichter sorgte sogar die Auslage in Applebys Schaufenster für Zuversicht. Keine offensichtlichen Veränderungen. Alles klar, das würde er schaffen.
Die Klingel an der Tür klang nach wie vor etwas dumpf und als er eintrat, drängte sich ihm der Geruch von Heu, Vogelsand und dem flüssigen Wasseraufbereiter für Tropenaquarien auf. Ja, und der Papagei hinter dem Tresen hatte gerade auf den Boden gekackt.
»Amadeus.« Dennoch lächelnd lehnte er sich gegen die Ladentheke, als der rote Riesenvogel auf ihn zu hopste. »Na Großer, wo ist denn Mr. Appleby, hm?«
»Willkommen bei Applebys«, krächzte der Papagei und schlackerte mit den Flügeln. Auf den kurzen Beinchen tapste er auf ihn zu, seine Krallen klackerten über die Glasscheibe des Tresens, und Rico war froh, dass der Vogel sich an ihn erinnerte. Während Rico ihn mit zwei Fingern streichelte, verdrehte Amadeus genüsslich den Kopf und gab diese seltsamen, aber irgendwie auch beruhigenden Geräusche von sich.
»Mr. Alvez, ach was. Dass ich dich noch mal hier sehe.«
Der alte Appleby ertönte zynisch zwischen den Regalen mit Kleintierzubehör und beinahe bereute Rico es doch, hierher gekommen zu sein. In seiner Erinnerung war das Arbeiten hier meistens sehr nett gewesen, er hatte nur vergessen, wie vorwurfsvoll eine Stimme klingen konnte.
»Was führt dich her, hm?«
Unschuldig lächelnd begrüßte er seinen ehemaligen Boss, der mit dem lichter werdenden Haar und den eingearbeiteten Falten im Gesicht noch härter wirkte als damals. Okay, sein Abgang hier war auch nicht ganz sauber gewesen. Ein Grund mehr, allen verfügbaren Charme zusammen zu kratzen.
Wenig professionelle Unterstützung gab es von Amadeus, der die Krallen in seinen Arm drückte, um an ihm hochzuklettern.
Oh Shit, das war nach wie vor furchtbar.
»Willkommen bei Applebys«
Dieses Krächzen klang so nah an seinem Ohr ja wirklich verstörend und der wackelnde Vogel lenkte ihn ein wenig von seinem Vorhaben ab, möglichst professionell aufzutreten.
Während er versuchte, das Tier nicht von der Schulter zu werfen, startete er seine Präsentation. »Mr. Appleby, ich bin hier, um ...«
»Willkommen bei Applebys«
Oh man, der Vogel musste mal eine andere Platte auflegen. Als der auch noch anfing, an seinen Haaren zu knabbern, und Rico bereits jetzt den Faden verlor, kam es ihm doch fast vor, als wollte das Federvieh ihn an seiner Bewerbung hindern.
»Ich wollte Sie fragen, ob Sie einen Job für mich hätten.«
Ja, das war nicht einmal annähernd so eloquent, wie er es auf dem Weg hierher geübt hatte, und der Ladenbesitzer schien ebenfalls nicht überzeugt zu sein. Der verschränkte die Arme vor der hageren Brust, als sei er seiner bereits jetzt überdrüssig.
»Rico, ich habe schon eine Aushilfe. Ich glaube nicht, dass ...«
»Aber Ihre Tiere brauchen die beste Pflege, die man ihnen bieten kann, das haben Sie selbst gesagt, und ich kenne den Ablauf hier genau und kann wirklich gut mit den Tieren umgehen.«
Wenn sie nicht gerade versuchten, ihn aufzufressen. Amadeus säuselte mittlerweile an seinem Ohr herum und machte ihn damit noch nervöser als der Blick des alten Appleby.
»Bitte, Mr. Appleby, ich tue alles. Ich mache sauber. Ich wasche, bürste, wenn es hilft, pudere ich die Tierchen ...«
Seine letzten Worte klangen abgehackt, denn das aufdringliche Verhalten des Papageis machte ihm gerade wirklich zu schaffen. Die kleine blaue Zunge zitterte immer wieder über seine Ohrmuschel und Ricos Versuche, ihm auszuweichen, brachten ihn bedrohlich in Schräglage.
»Was machst du denn da mit meinem Vogel?«
Die Frage war eher, was der Vogel mit ihm machte. Wie bescheuert musste er denn gerade aussehen? Mr. Appleby erbarmte sich schließlich und nahm Amadeus von ihm herunter.
Durchaus erleichtert und doch aufs Äußerste gespannt, als der Alte den Vogel streichelnd seufzte, gab er ein hoffentlich glaubwürdiges Versprechen.
»Sir, ich werde morgens der erste im Laden sein und alle Käfige überprüft haben, noch bevor die Chinchillas einschlafen. Ich gehe mit jedem Hund um den Block, so oft Sie wollen, und wenn es nötig ist, füttere ich auch die Schlangen. Aber lieber wären mir die Echsen.«
Die keine winzig kleinen Mäuse im Ganzen verspeisten. Das war wahrscheinlich das Schlimmste an seinem Job.
»Morgens, hm? Und was ist mit der Schule?«
Shit, mit Nachfragen hätte er rechnen müssen. Jetzt bloß nicht einknicken, sonst hätte er verloren.
Doch Mr. Appleby verstand seine Zurückhaltung bei diesem Thema genau richtig und schloss auf eben jene Hilflosigkeit, die Rico zu überspielen versuchte.
»Rico, ich habe deiner Mutter damals einen Gefallen getan ...«
»Und sie wäre Ihnen so dankbar, wenn Sie noch einmal so großzügig sein könnten. Mindestens so dankbar wie ich.«
Wirklich überzeugt schien der Alte immer noch nicht, aber Rico spürte Hoffnung, als er nachdenklich den Papagei kraulte und nicht sofort Nein sagte. »Was meinst du, Amadeus? Geben wir dem Quälgeist noch eine Chance?«
Los, Vogel, sag's ihm!
Ja, Rico erwartete tatsächlich Zuspruch von dem Tier, schließlich hatte es ihn gerade auf gar intime Weise angeknabbert, da wäre das ja wohl angebracht. Und mit erhobener linker Kralle verkündete Amadeus seine Entscheidung.
»Willkommen bei Applebys.«
Verdammt, Vogel, so ist es richtig!
Mit gefalteten Händen und sicher leuchtenden Augen wartete Rico auf das finale Urteil seines Besitzers und konnte sich gerade noch davon abhalten, wie Jack in the box durch den Laden zu springen, als Mr. Appleby milde lächelte.
Mit anhaltendem Grinsen bedankte sich Rico nur ein paar Mal zu oft, bevor er wenige Minuten später das Geschäft verließ.
Eingestellt von einem Vogel. Okay. Das würde er vielleicht nicht in seinen Lebenslauf schreiben, aber Scheiße, er hatte es geschafft!
Zugegeben, mit etwas Bettelei, aber darüber würde er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Vielmehr galt es jetzt, seiner Mutter die guten Neuigkeiten zu überbringen. Sie wäre sicher froh, dass er ...
»Rico?«
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Queens Blvd
Teen Fiction| Watty-Gewinner 2021 in YA | »Ich wünschte, du würdest aufhören, ständig die Luft anzuhalten, und wieder anfangen, dein Leben zu genießen.« Als Schulabbrecher hat der sechzehnjährige Rico andere Sorgen als Mathetests. Das schnelle Geld macht ihn zu...