»Und Mrs. Meyer hat gesagt, ich habe Talent. Ich könnte eine erstklassige Klarinettistin werden.«
Müßig rührte Rico die als Bolognese getarnte Tomatensoße auf dem Herd, während neben ihm seine kleine Schwester Celia den winzigen Kanten Käse in Streifen rieb. Selbst durch den aufsteigenden Dampf gekochter Nudeln strahlte ihm ihre Aufregung entgegen.
»Wirklich?«
»Ja, aber dafür müsste ich in ihren Nachmittagskurs.«
Na, jetzt war ihm klar, warum sie ihm dabei helfen wollte, das Abendessen zuzubereiten. Große glänzende Augen blickten unter leicht verzogenen Brauen zu ihm auf und er wusste, dass es nicht lange dauerte, bis sie auch die Unterlippe vorschob.
»Weißt du, Mrs. Meyer ist da sehr wählerisch. Ihr Kurs ist klein und sie nimmt nicht einfach jeden auf. Aber wenn sie sagt, dass ich mitmachen könnte, dann ...«
Dann würde für seine Schwester ein kleiner Traum in Erfüllung gehen. Und während Celia sich schon sehr genau vorstellen konnte, wie sie zu verschiedenen Anlässen mit der Schulband auf der Bühne stand, lauschte er nach ihrer Mutter.
Die führte immer noch das Telefon durch die halbe Wohnung, wobei die lange Schnur immer wieder an den Türrahmen schabte. Irgendetwas war im Busch. Die Zeitungen mit den angestrichenen Stellenanzeigen waren ihm jedenfalls nicht entgangen, doch wenigstens trällerte sie überwiegend zustimmende Laute in den Hörer.
»Na ja, vielleicht kann ich ja mal mit Mom reden.«
Die überschwängliche Umarmung seiner Schwester hatte er sich zwar nicht verdient, aber sie entlockte ihm dennoch ein Lächeln.
Kinderlachen war etwas Wundervolles, selbst wenn seine Nerven immer noch blank lagen. Es vertrieb zumindest für eine Weile das Gefühl, ihm würde die Haut abgezogen.
Das würde sogar zutreffen, sollte er sich weigern, sein Paket, bestehend aus etwa zwanzig kleinen Tüten Gras und einer bunten Mischung Pillen zum Testen unter die Leute zu bringen.
Ach was, Leute. Das waren Teenager. Je nachdem, an wen sie das Zeug weitergaben, vielleicht noch vorpubertäre Kids. Möglicherweise nicht älter als seine Schwester.
Das war nicht richtig. In keiner Welt war das in Ordnung.
Während Celia nun gut gelaunt zur laufenden Radiomusik tanzend den Tisch deckte, schob sich der Jüngste der Familie auffällig unauffällig an ihnen vorbei. Natürlich erkannte Rico die eckige Beule unter seinem Pullover als den eben noch gerettet geglaubten Schokoladenpudding. Eine willkommene Ablenkung von diesen sehr düsteren Gedanken.
»José« Bei seinem mahnenden Tonfall blieb der zwar stehen, drehte sich aber nicht zu ihm um. »Kein Nachtisch vor dem Abendessen. Na los, her damit.«
Erwischt. Der kleine Junge spähte aus verengten Augen zu ihm herüber. Noch hielt er seine Beute fest umklammert, als wollte er abschätzen, ob seinem älteren Bruder zu trauen war.
»Was kriege ich dafür?«
»Dafür, dass du Diebesgut zurück gibst? Na, ich würde sagen, keinen Ärger.«
»Das reicht nicht.«
Als Rico mit hochgezogenen Brauen reagierte, sah sich der Kleine in einer günstigen Position. Er verschränkte die Arme so, dass der Becher nicht mehr zu sehen war, und hob spitzbübisch das Kinn. Das war der Gong zur nächsten Runde. Mal sehen, wie weit er diesmal kam.
»Nicht? Okay. Was willst du?«
»Ich gebe dir den Pudding, aber dann darf ich länger auf bleiben, ja?«
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Queens Blvd
Novela Juvenil| Watty-Gewinner 2021 in YA | »Ich wünschte, du würdest aufhören, ständig die Luft anzuhalten, und wieder anfangen, dein Leben zu genießen.« Als Schulabbrecher hat der sechzehnjährige Rico andere Sorgen als Mathetests. Das schnelle Geld macht ihn zu...