Kapitel 33: Schadensbegrenzung

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Marcs Küche war genauso klein wie der Rest der Wohnung. Was er aber darin gebunkert hatte, war beeindruckend und gleichermaßen köstlich. Während der sich um die Salsiccia kümmerte, die Wurst, die er zum Kochen verwenden wollte, übernahm Rico die Hilfsarbeit des Schnippelns.

Beim Zwiebelnschneiden war er allerdings an die Arbeitsfläche gebunden und Marc nutzte das aus, um sein eigenes Vorhaben in Gang zu bringen.

»Also, wir wollten aufräumen«, kündigte er nun an. »Was denkst du, wo wir anfangen sollten?«
Rico brannten von dem scharfen Aroma die Augen und er wandte sich ab, um zu blinzeln. »Bei denen hier. Mann, sind die übel.«

»Nein, frisch. Wenn dich das schon stört, freu dich auf den Knoblauch.« Gänzlich ungerührt schnitt er weiter die Rohwurst in Scheiben. »Erzählst du mir, wie das alles angefangen hat?«

Tja, das Ausweichmanöver war nach hinten losgegangen. Zwar hatte er um seine Hilfe gebeten und wollte sie auch durchaus annehmen, aber es war ihm doch unangenehm, ihm seinen wenig beeindruckenden Lebenslauf zu präsentieren.

»Keine Sorge, hier geht es nicht um Wertungen, sondern um Lösungen. Du kannst ganz offen sprechen und ich werde nett sein, vertrau mir.«

Nun rang er sich ein Lächeln ab. Nun gut, dann würde er den Gaul von hinten aufzäumen.
»Bei uns lief es nicht besonders gut. Mom hatte ihren Job verloren und das Geld war knapp. Mein Cousin Benito sagte, er hätte einen Job für mich, wenn ich etwas dazu verdienen wollte. Und dann war ich schon drin.«

Marc wusste, dass das nur die halbe Geschichte war, aber er summte, dass er verstanden hatte, und wartete auf weitere Details.

»Anfangs war ich nur Kurier. Ich habe Pakete an Großkunden geliefert, ein paar Mal die Woche. Das lief alles ganz problemlos. Am Ende der Woche bekam ich mein Geld und meine Mom konnte einkaufen.«

»Hm. Und dein Vater? Was macht der?«

Bei dieser Nachfrage hätte Rico sich beinahe einen Finger abgeschnitten. »Keine Ahnung. Der ist abgehauen, als ich klein war.«

Er sah, wie Marc das Gesicht verzog, aber er nickte nur wieder zur Bestätigung. Sicher setzte er die Bausteine schon selbst zusammen. Der Vater weg, die Mutter arbeitslos, der Sohn ein Drogendealer. Das musste ja ein tolles Bild abgeben.

»Meine Mom hatte drei Jobs, um uns durchzubringen, aber manchmal hat es einfach nicht gereicht«, verteidigte er sie automatisch. »Dann war es gut, wenn ein bisschen was dazu kam. Dummerweise hat sie wieder einen davon verloren und es wird gerade richtig eng.«

»Deswegen hast du verkauft. Bist also aufgestiegen.«

»Ich musste. Ich wollte eigentlich damit aufhören, nur noch ein paar Runden liefern, bis mein neuer Job anfängt, und dann weg da. Aber dann ... ach, das war so dämlich. Bei der letzten Lieferung bin ich auf eine der Überwachungskameras geraten. Jetzt gibt es ein Video, das sie gegen mich verwenden können.«

Marc hatte das Schneiden einen Augenblick lang eingestellt und sah Rico dabei zu, wie er diese arme Zwiebel völlig auseinander nahm. Ja, da steckte eine Menge Wut in dem Jungen, das hörte er schon an seiner Stimme und sah es an dem Gemüsemassaker.

»Das habe ich gemeint, als ich sagte, ich habe keine Wahl. Sie wollen, dass ich verkaufe.«

Ricos flehender Blick bat gleichermaßen um Entschuldigung wie auch um Verständnis für seine rüde Reaktion von neulich.

»Und dein Cousin ist dir da keine Hilfe?«

»Er hat es mir gezeigt. Benito würde mir nie das Genick brechen, aber ich weiß nicht, wer das Video noch hat.«

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