Joe hatte Recht gehabt. Dieser beißende Geschmack im Hals war absolut ekelhaft, aber bereits nach wenigen Zügen hatte er ein Gefühl für diese neuerliche Selbstmedikation entwickelt. Mit ein wenig Cola spülte er die bittere Note herunter und genoss schließlich ein Gefühl von Leichtigkeit.
Schon nach kurzer Zeit fühlte er sich wacher, fitter, einfach viel besser als noch vor einer Stunde. Sein Weinkrampf war nur noch eine blasse Erinnerung aus einer längst vergessenen Zeit. Jetzt durchflutete ihn eine Euphorie, die er in naher Zukunft nicht mehr zu empfinden geglaubt hatte.
Er spürte, dass sein Blut schneller durch seinen Körper rauschte, dass sich sein Blick schärfte, aber trotzdem blieb er auf dem Teppich. Er fühlte sich einfach nur gut. Und das verdankte er Joe.
»Alter, das ist so gut.«
Rico hatte sich auf seinem Bett ausgestreckt, den Blick an die Decke geheftet und stellte sich dabei vor, auf einer Wiese zu liegen und die vorbeiziehenden Wolken zu beobachten. Einfach nur selig sein.
»Sag ich doch. Das Zeug ist der Hammer. Das wird so verdammt gut ankommen, sag ich dir.«
»Bei wem?«
»Bei allen. Bei allen, die mal auf einer ganz anderen Welle unterwegs sein wollen.«
Rico verkniff sich nur schwer ein dämliches Kichern, als sein Freund sich zu ihm drehte. »Woher hast du das? Vielleicht muss ich mir auch mal was davon besorgen.«
»Meine geheime Quelle. Aber ich bin großzügig. Ich teile mit dir.«
Joes Lächeln war heute so anders als sonst, viel offener, fröhlicher. Nicht so gezwungen wie in den letzten Wochen. Und es war irgendwie schön.
»Nein, ernsthaft. Woher hast du das?«
»Das hier ist neu. Besser als das letzte, so viel ist mal sicher.« Joe versuchte also weiter, ihm auszuweichen, aber so trüb Ricos Blick auch war, er konnte ihn immer noch fixieren. Und das schien zu funktionieren. »Okay, na gut. Die ersten Male habe ich das bei einem Typen aus Ridgewood gekauft. Hat getan, was es sollte. Aber das hier ist aus Canarsie.«
»Brooklyn?«, fragte Rico nach. »Wie kommst du denn da hin?«
»Du weißt noch gar nicht, was in Green Point los ist, oder?«
Wenn er noch mehr geografische Knotenpunkte in ihr Gespräch einband, würde Rico ihm bei seinem fröhlichen Herumspringen nicht mehr folgen können. Er schüttelte vorsorglich den Kopf.
»Cam hat da diesen Typen an der Hand. Colben. Holden. Oder so ähnlich. Der hat mächtig viele Leute. Ich glaub, seine ganze Familie hängt da drin. Aber er hat einfach nicht genug Stoff.«
Nachdem Joe noch einmal genüsslich an der Pfeife gezogen hatte, erzählte er Rico von den Entwicklungen, von denen er selbst erst kürzlich erfahren hatte. Nachdem nicht nur dieser Leo aus dem Verkehr gezogen worden war, sondern auch noch zwei weitere Dealer verschwunden waren, hatten Benito und Ramon ordentlich damit zu tun, Nachschub auf die Straße zu bringen.
Sehr wahrscheinlich wurde Rico deshalb genötigt, ebenfalls zu verkaufen. Joe war nicht zufällig dort gewesen, als Benito ihn zu sich bestellt hatte. Nein, er war im richtigen Moment eingestiegen und hatte ein Gespräch mitbekommen, das nicht für seine Ohren bestimmt gewesen war.
Aber er war clever genug, diese Information aufzunehmen und die Zeit für sich arbeiten zu lassen. Lange hatte es allerdings nicht gedauert, bis man ihm in der Raucherpause etwas mehr erzählt hatte.
Nun, wenn die Jungs in Green Point etwas waren, dann ungeheuer stolz auf dieses Geschäft. Und das sollte nun expandieren.
»Wenn Cam mit dem Kerl ins Geschäft kommt, übernimmt er seinen Vertrieb. Dann gehen Eddies Gras und all die bunten Pillen sogar weit über Jersey hinaus. Alter, dann rollt der Rubel aber richtig.«
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Queens Blvd
Teen Fiction| Watty-Gewinner 2021 in YA | »Ich wünschte, du würdest aufhören, ständig die Luft anzuhalten, und wieder anfangen, dein Leben zu genießen.« Als Schulabbrecher hat der sechzehnjährige Rico andere Sorgen als Mathetests. Das schnelle Geld macht ihn zu...