Kapitel 23

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~Kai~

Die bereits untergehende Sonne tauchte die komplette Umgebung in eine Art goldenes Licht, welches die Atmosphäre des späten Herbstes um einiges verstärkte. Eine ungemeine Ruhe durchströmte meinen Körper und ich genoss die kühle Luft, die mir entgegen wehte.

Um ehrlich zu sein, hätte ich nicht erwartet, heute noch einmal zur Ruhe kommen zu können - nicht nach all dem, was passiert war. Doch scheinbar hatte es das Leben doch gut mit mir gemeint, als ich mich nach der Schule dazu entschieden hatte, nicht direkt nach Hause zu gehen. Stattdessen lag ich wieder auf dieser Tischtennisplatte, welche sich auf irgendeinem Spielplatz im Nirgendwo befand. Jedoch war ich gerne hier, denn aus irgendeinem Grund gab mir dieser Ort etwas Frieden.

,,Wie meinst du das?" , fragte ich Yuna verzweifelt. ,,Wieso sollte ich der einzige sein, der dazu in der Lage ist, deinem Bruder zu helfen?" Doch eine Antwort bekam ich nicht mehr - Yuna war fort. Und es war wieder so, als hätte sie nie existiert, als wäre sie nie hier gewesen, um mit mir zu sprechen. Vielleicht war sie das ja auch nicht...sie war tot...und normalerweise war es Lebenden nicht möglich mit Toten zu kommunizieren. Ich werde noch wahnsinnig.

,,Mit wem hast du gesprochen?" Ich erschrak, als sich Garmadons Stimme plötzlich hinter mir meldete. Schnell drehte ich mich in seine Richtung und blickte direkt in seine Augen, welche mich mal wieder genauestens musterten.

,,M-mit Niemanden...", stammelte ich und hoffte, dass er mir glaubte.

Doch natürlich war der Sensei skeptisch. ,,Und warum siehst du dann so aus, als hättest du gerade einen Geist gesehen?", fragte er mich und legte seine Stirn in Falten.

,,Ach, ähm...tue ich das wirklich?"

Garmadon seufzte tief. ,,Was soll ich nur mit dir machen, Kai..."

,,Sie könnten so tun, als wäre nie etwas passiert und mich einfach in Ruhe lassen." Verdammt...ob das so schlau gewesen war...

Der Sensei kniff seine Augen zusammen und blickte mich streng und wütend zugleich an. ,,Das kannst du mal wieder schön vergessen! Wie ich schon sagte: ab jetzt werde ich ein genaues Auge auf dich haben."

Ich musste tief seufzen, als ich das zuvor Geschehene wieder einmal Revue passieren ließ. Ich wollte gar nicht wissen, was der Sensei nun von mir dachte...und der Gedanke daran, dass ich jetzt unter seiner genausten Beobachtung stand, machte das Ganze nicht wirklich besser.

Wenn er nur gewusst hätte, dass ich wirklich einen Geist gesehen hatte...oder in was auch immer einer Form, Yuna existierte...Oder hatte ich mir das doch alles nur eingebildet? Vielleicht wurde ich doch einfach nur verrückt - verdammt.

Ich schloss meine Augen und versuchte jeglichen Gedanken daran zu verdrängen - doch mit jedem Versuch, wurde dieses Gedankenchaos nur noch schlimmer und ergriff immer weiter von mir besitz. Ich hatte absolut keine Chance dagegen anzukommen. Ich seufzte tief.

Wieso konnte ich nicht einfach ein ganz normales Leben haben...eines wo ich mir nicht die ganze Zeit über seltsame Erinnerungsschübe, Träume oder irgendwelche Geister Gedanken machen musste.

Resigniert griff ich nach meinem Handy, in der Hoffnung, mich damit etwas ablenken zu können.

16:02 Uhr:

Lloyd: Ich habe mitbekommen, dass du derjenige warst, der dafür gesorgt hat, dass Daiki mich nicht völlig umbringt...und dafür wollte ich mich bei dir bedanken...

Überrascht erblickte ich eine neue Nachricht von Lloyd, mit der ich um ehrlich zu sein überhaupt nicht gerechnet hatte. Und wieso bedankte er sich überhaupt? Das war doch selbstverständlich gewesen...ich hätte doch unmöglich einfach nur dabei zusehen können, wie Daiki ihn verstümmelt. Das hätte ich mir niemals verzeihen können.

Kai: Kein Problem...wie geht es dir denn? Er scheint dich doch schon ziemlich heftig erwischt zu haben...

Und womit ich noch weniger gerechnet hatte, war die Tatsache, dass Lloyd meine Nachricht nichtmal drei Sekunden später gesehen hatte und auch daraufhin sofort antwortete.

Lloyd: Na ja, bis auf einen gebrochenen Arm und einer Platzwunde am Kopf bin ich noch einigermaßen gut davongekommen...ich will mir gar nicht vorstellen, wie es mir ergangen wäre, wenn du nicht eingeschritten wärst...

Ich musste schlucken. Das wollte ich mir lieber auch nicht vorstellen...aber immerhin schien es ihm wenigstens etwas besser zu gehen - das erleichterte mich.

Kai: Dann ist ja gut...Na ja, bis auf den gebrochenen Arm und die Platzwunde natürlich...

Ich zögerte einen Moment und überlegte, ob ich Lloyd auf den Grund der Prügelei ansprechen sollte...Mit einem Mal erinnerte ich mich an das Gespräch zurück, welches ich zwischen Skylor und Daiki auf den Schultoiletten mitbekommen hatte.

,,Dieses Schweigen reicht mir so langsam! Der soll endlich mal mit offenen Karten spielen! Wir werden es eines Tages sowieso erfahren."

,,Was seine Familie angeht, ist Lloyd eben ziemlich konsequent...", murmelte Skylor nachdenklich.

,,Sein Vater ist auf Geschäftsreise, wer's glaubt!", rief Daiki aufgebracht.

,,Er wird reden müssen! Und wenn ich dafür zur härteren Mitteln greifen muss!"

Und noch immer fragte ich mich, wieso Daiki so wütend war und was das alles mit Lloyds Familie zutun hatte...was war nur zwischen ihnen vorgefallen? Was war nur alles passiert, während ich weg war? Mit einem Mal wurde mir wieder bewusst, wie viel ich verpasst haben musste...und wie sehr ich eigentlich Lloyd im Stich gelassen hatte...Der Gedanke ihn einfach danach auszufragen, fühlte sich falsch an. Ich hatte da absolut kein Recht zu. Also fragte ich ihn etwas anderes.

Kai: Bist du eigentlich noch im Krankenhaus?

Lloyd: Nein, heute Morgen wurde ich entlassen...am Montag bin ich dann auch schon wieder in der Schule...

Das hörte sich doch ganz gut an...Auch wenn ich noch nicht ganz wusste, wie ich mich verhalten sollte, sobald ich ihn Montag dann wiedersehen würde...sollte ich mit ihm reden? Oder weiter so tun, als wäre nichts passiert?

Lloyd: Apropos Schule...Da war ja noch dieser Vortrag in Geschichte...

Ach, stimmt...da war ja noch was...Dieser Vortrag über das Tal der verlorenen Seelen...Wo Lloyd und ich ,,zufällig" in die selbe Gruppe eingeteilt wurden. Noch immer fragte ich mich, ob der Sensei das extra getan hatte.

Kai: Ach ja, das hatte ich schon fast vergessen...

Lloyd: Hast du am Sonntag schon was vor? Wir könnten uns vielleicht bei mir treffen und den Vortrag vorbereiten...

Warum wusste ich nur, dass es genau darauf hinauslaufen würde...Unbehagen machte sich in mir breit. Nach all den Jahren wieder bei Lloyd zu Hause zu sein...einen Ort, der von so unendlichen vielen Erinnerungen geprägt war...und überhaupt die Tatsache, dass ich mit Lloyd allein war, wo ich doch nicht wusste, wie ich mit der gesamten Situation umgehen sollte...Doch auf der anderen Seite musste der Vortrag ja gemacht werden...ich seufzte tief. Augen zu und durch, würde ich sagen.

Kai: Wie spät soll ich vorbeikommen?

Lloyd: 16:00 Uhr?

Kai: Okay.

Lloyd: Dann sehen wir uns also Sonntag...

Kai: Jap...

Ninjago ~Verlorene Seelen~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt