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Der nächste Tag brach an, wie jeder andere. Die Sonne ging erst auf nachdem wir schon lange wach waren und das Herbstwetter machte sich laut bemerkbar, indem es andauernd regnete oder der Wind laut durch die Gänge blies. 

In der Kantine war es laut, nichts Ungewöhnliches also. Heute morgen ist mir aufgefallen, dass es mir nicht zu hundert Prozent gut ging und selbst nachdem ich einen ekelerregenden Kaffee hatte, gings mir nicht besser. Man könnte es als eine einfache Erkältung abstecken; Immerhin war der Ausgang gestern nicht sehr angenehm.

Theo und ich standen mal wieder bei der Essensausgabe. Das Essen auf dem Metalltablett schien kaum wärmer zu sein, als das Tablett selbst - Darum beeilten wir uns um einen Platz zum Essen zu finden. Dabei merkte ich immer wieder, wie ich das Gefühl hatte über meine eigenen Füße zu stolpern. Das ging so weit, dass eine bekannte Person meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Belustigt rief 177: "Kannst dich wohl nicht mehr auf den Beinen halten, was Nummer 13?"

177...

Der größte Gefangene in dieser Anstalt, der mit den meisten Tattoos und der längsten Liste an Verbrechen, Morden und Tagen in Isolationshaft. Das enormste Geheimnis war mir aber, warum sie ihn überhaupt noch den anderen Insassen aussetzten, wenn er eine klare Bedrohung für andere darstellte. Deswegen bemühte ich mich 177 zu ignorieren. 

"Komm schon! Bist du so schwach, dass du mir nicht mehr antworten kannst?"

Einigermaßen genauso nervig war ich noch in der Mittelstufe. Um ehrlich zu sein würde ich diesen Typen auf Ende Dreißig, Anfang Vierzig schätzen; seiner Glatze nach zu Urteilen. Normalerweise sind Menschen in diesem Alter nicht mehr so nervig, gar kindisch. Es wäre höchste Zeit für ihn, sein jugendliches Selbst endlich loszulassen und seine Strafe abzusitzen. Wer weiß wie lange sie geht...

Der ganze Saal verstummte allmählich als laute Schritte erklangen, die offensichtlich in meine Richtung führten.  Mein Rücken brannte förmlich von dem Blick des Mannes und als ich zusätzlich seinen Atem in meinem Nacken spüren konnte, blieb mir nichts weiter übrig als trostlos Theos Gesicht zu betrachten und zu versuchen herauszulesen, was als nächstes passieren würde. Seinem Ausdruck nach zu urteilen: nichts Gutes. 

Folglich hätte man denken können, dass ich einfach keine Angst vor ihm hatte. Dabei war mein Herz am rasen und meine Hand zitterte während ich versuchte weitere Nahrung zu mir zu nehmen. Als das also mein Beobachter bemerkte, erklang ein leises Schmunzeln aus seinem Mund und er legte seine raue Hand auf meine Schulter. Eine Gänsehaut durchzog meinen Körper und ich hielt sofort in meiner Bewegung inne. 

"Lass mich los", brachte ich hervor. Zwar war nichts Gravierendes passiert, aber, dass er mich berührt hatte ließ alle Alarmglocken bei mir klingeln. Es war vergleichbar mit einer Spinne und einem Spinnennetz - schon die kleinste Bewegung würde die Spinne in Alarmbereitschaft versetzten.

"Wie war das?", verspottete er mich, "Da kann unsere liebe 13 also doch reden! Hey Leute gu-"

Meine Faust traf sein Gesicht. Mit all meiner Kraft stieß ich ihn weg von mir, stand auf und vergrößerte den Abstand zwischen mir und dem Glatzkopf. Es reichte. Anscheinend war das der Tag an welchem ich mich mit dem gefährlichsten Insassen der Justizvollzugsanstalt anlegen würde; Ohne Wenn und Aber. In diesem Moment sammelte sich erstaunlich viel Wut in mir an - ich war bereit zuzuschlagen, ich war bereit ihn in einen kritischen Zustand zu befördern. Doch bei einer Sache war ich mir sicher: ich würde nicht Morden. Nicht wie 034, nicht wie 177, nicht wie ein blutrünstiges Monster. 

Ich würde nicht zum Mörder werden.

Kurz daraufhin schlug er zurück. Meine Augen begannen zu Tränen, als seine Faust auf meine Nase traf und er mich schlussendlich zu Boden stieß. Ein schriller Ton zog durch meine Ohren und für einen Moment nahm ich nur den blutigen Geschmack in meinem Mund war. Dann sah ich ihn wieder klar und deutlich; wie der Glatzkopf nach etwas auf dem Tisch griff und dabei eine klare Bewegung in Richtung Theo andeutete. Fuck...

Fast Zeitgleich verpasste ich ihm einen Tritt ins Gesicht während ich versuchte aufzustehen. Diesen Kampf zu meinem Sieg zu machen, war definitiv unmöglich, da der Größen- und Stärkeunterschied zu gewaltig war. Hektisch durchsuchte ich die Umgebung und bemerkte, dass die Beamten von anderen Insassen zurückgehalten wurden und 177 ein Messer in der Hand hielt. Meine Atmung beschleunigte und ich wich nur knapp einen Schlägen aus-

Fest trat ich ihm in seine Weichteile und nahm all meine Kraft zusammen um zu zeigen, dass ich nicht schwach war,  um mir selbst zu zeigen, dass ich die Stärke hatte um mich zu Verteildigen. Mit jedem weiteren Schlag  kam ich weiter aus der Puste; Mit jedem weiteren Tritt erkannte man, wie jämmerlich die 177 eigentlich war; mit jeder weiteren Sekunde kamen die Beamten näher. 

Plötzlich befand ich mich wieder auf dem Boden und ohne weiter zu zögern setzte sich der Mann auf mich und griff nach etwas hinter mir. Jedoch war es schon zu spät als ich bemerkte, dass es das Messer war und es steckte schon tief in meinem Brustkorb bevor ich überhaupt meine Arme schützend vor mich halten konnte. Das wars dann also...

Mein Shirt verfärbte sich dunkelrot. Panik stieg in mir an und ich hob meine Hand zitternd an die Wunde nur um sie dann Blutverschmiert zu mustern. Oh nein...Oh nein...Scheiße.

Ich wusste nicht was ich tun sollte, würde ich sterben? Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich presste verzweifelt meine Handflächen auf die Wunde...Aber das Blut schien nicht weniger zu werden. Das Blut schien mich zu verschlingen wie eine große Welle während eines Sturmes am See. Es versetzte einen in Panik und im Nachhinein hat man kein Wissen darüber ob man überleben wird. Das wohl gruseligste war aber immer noch der Moment in dem meine Augenlieder immer schwerer wurden...

Vorsichtig öffnete ich meine Augen wieder. Die Ärzte hatten mich an mehrere Geräte angeschlossen und meinen Brustkorb sorgfältig mit einem Verband verbunden. Mein ganzer Körper war in einer Art Trance. Nicht so wie bei einem Koma, es ist eher Vergleichbar mit dem Gefühl, wenn man von einer Narkose aufwacht und unter dem Einfluss von starkem Schmerzmittel steht. Hinzu kam, dass es keine Uhr in dem Zimmer gab und es abgedunkelt war, sodass ich nicht wusste, wie lange ich die Decke angestarrt hatte bis jemand rein kam. 

"Gut, Sie sind endlich wach.", begrüßte mich eine weibliche Stimme. 

Erschöpft drehte ich mich zu der Braunhaarigen und nickte nur zur Begrüßung. Ohne auch nur ein Wort zu sagen wusste ich, dass mein Hals sehr trocken war.

„Ich bin Dr. Cassidy , ich bin beeindruckt. Sie hatten verdammt viel Glück."

Prisoner 013 (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt