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Als der Anruf sie erreichte war es mitten in der Nacht. Sie und ihr Mann waren leicht genervt, als sie den Anruf annahmen, doch als sie erfuhren, dass ihr Sohn in Lebensgefahr war, waren seine Eltern hell wach und machten sich sofort auf den Weg ins Krankenhaus. 

Die Straßen waren Menschenleer, die Ampeln grün und nur das Quietschen der Reifen und das Brummen des Motors hallte zwischen den Häusern wieder. Es war eine klare Nacht, sie konnten drüber streiten ob dies ein gutes oder schlechtes Omen war, aber sie waren sich einig darüber, dass die Sterne nie heller geleuchtet hatten.

Schon vor drei Wochen, als die Beiden über den Angriff informiert wurden, hatten sie Angst ihr Sohn würde sterben. Nun, da es so nah war, verspürte sein Vater sogar etwas ähnliches wie Schuld, nach all den Jahren. Seine Mutter weinte stille Tränen, glitzernd wie Diamanten, ihr Herz schon so zerbrechlich wie eine alte Vase, die man von Generation zu Generation weitergegeben hatte. Sie hatte Angst, spürte die Trauer in sich, aber brachte es nicht übers Herz ihren Sohn aufzugeben. 

"Es ist unwahrscheinlich, dass er bald aufwachen wird. Die Wunde war sehr tief, unser herzlichtest Beileid.", hatten die Ärzte gemeint.
Elgona wollte es am Anfang nicht glauben. Dann vergingen Stunden, dann Tage und schließlich Wochen, in denen er nicht aufwachte. Im Endeffekt drohte er nun nie wieder aufzuwachen, denn sein Körper schien aufeinmal aufzugeben – aufzugeben gegen die Dunkelheit, gegen den Wunsch zu sterben während sein Körper noch am Leben festhielt.

"James Scailer...?!", fragten sie gleichzeitig an der Rezeption. Die Krankenschwester sah sie erst verwirrt an, dann setzte sie ein nettes, mitfühlend Lächeln auf. Auf ihrem Namensschild stand: Lara.

"Folgen Sie mir. Bitte verabschieden Sie sich jetzt von ihm. Es ist unklar ob er die Nacht überstehen wird"

Ihr Herz schmerzte an den Gedanken, dass eine Familie einen geliebten Menschen zu verlieren drohte. Sie schlenderte durch die Gänge und traf auf den Arzt, der sich die Blutwerte des Patienten ansah. "Irgendetwas neues?", fragte sie, "Eine Infektion? Oder vielleicht ist sein Herz geschädigt worden, nach der Attacke"

"Seine Blutwerte sind erhöht...", murmelte der Arzt.

In der Zwischenzeit sammelten sich Tränen in den Augen seiner Mutter. Sie musterte ihren Sohn, bemerkte wie blass er aussah,wie friedlich er schlief aber die Geräte um ihm herum alles anders herum darstellten. Das EKG schlug stark aus, das Piepen, dass kontinuierlich beschleunigte aber die Sauerstoffsättigung langsam aber sicher sank.
Langsam ging sie zu dem Schwarzhaarigen rüber und nahm seine Hand im ihre. Kalt.
Auch sein Vater kam zu seinem Sohn, sah ihm ins Gesicht und war sprachlos von der Friedlichkeit, die sein Körper ausstrahlte. Immerhin kämpfte er um Leben und Tod. Wie ein Krieg zwischen Himmel und Hölle.

Das Team war ratlos. Mit jeder Minute in der sie keine passende Diagnose fanden, wurde der Zustand des Patienten kritischer. Trotz der Nachtschicht, ließen sie die Müdigkeit nicht über ihre Fähigkeiten gewinnen und arbeiteten sogar auf höchstem Niveau. 

"Es ist Stress! Geben Sie ihm 10mg-" Er wurde unterbrochen. Das Zimmer des Mannes wurde von einem lauten Piepen erfüllt während die Ärzte ohne einen Atemzug zu nehmen schon ins Zimmer eilten.

"Wir brauchen einen Arzt!"

Der Terror in der Stimme war nicht zu überhören und ohne auch nur in das Zimmer gehen zu müssen, wussten sie, dass der Patient einen Herzstillstand erlitten hatte. 
Kaum eine Sekunde verging in welcher Elgona nicht aufhörte zu Beten und sich an die Hand Edwards zu Klammern. Sie wurden aus dem Raum gebeten, als James aufgehört hatte zu Atmen und die Ärzte wiederbelebende Maßnahmen ergreifen mussten.

"28..29..30! Beatmen!" Kalter Schweiß lief dem Arzt über die Stirn, als er die Herzdruckmassage fortfuhr und konzentriert auf das EKG starrte.

Komm schon, hoffte er, Komm Zurück!

Verzweifelt sah er eine Krankenschwester an und meinte, sie solle den Defibrillator holen. Sie kam mit ihm etwa 30 Sekunden später zurück. Ein anderer Arzt übernahm die Massage während er den Defibrillator auflud.

"Weg vom Patienten!"

Der Elektroschock drang durch den ganzen Patienten, durch seine Adern bis zu seinen Knochen. Die Elektrizität zog durch seinen Körper, erreichte sein Herz, brachte es aber nicht wieder zum Schlagen.
Der Arzt spürte die Enttäuschung einen seiner Patienten nicht retten zu können, aber er wollte nicht aufgeben...Er konnte nicht.

Er setzte den Defibrillator wieder an seine Brust. Der Strom floss durch den Körper des Leblosen ein weiteres Mal, aber es geschah wieder nichts. Es änderte nichts, dass sie hofften und beteten und alles versuchten. Denn sie hatten ihn verloren.

"Todeszeitpunkt: 03.13 Uhr..."

Die Atmosphäre schien sie zu erdrücken. Der Arzt bereitete sich schon mental auf das Gespräch mit den Verwandten von James vor, doch dann-
Ein heftiger Atemzug erfüllte das Zimmer, füllte es gleichzeitig mit Erleichterung und Verblüffung. Es war still als sie sich zu dem erschrockenem Mann umdrehten, der seine Hand an seine Brust presste und heftig ein und aus Atmete.

Nicht eine Sekunde später eilte der Arzt zu ihm, checkte die Pupillen, dann den Herzschlag und schließlich fragte er den Patienten ob er Schmerzen hatte.

Mein ganzer Körper schmerzte. Ich fühlte mich , als wäre ich gestorben, aber gleichzeitig war ich lebendiger als je zuvor. Die Ärzte sahen erleichtert aus, vor allem der, der mich untersuchte, nach meiner Naht sah und einige Bluttests durchführte. Erst im Nachhinein erfuhr ich, dass ich für ganze 5 Minuten gestorben war.

"Wir werden jetzt Ihre Eltern reinlassen, okay?" , fragte eine Krankenschwester. Sie war nett, hatte mir etwas zum Trinken gebracht und die ganzen Geräte von mir abgeschlossen nachdem der Arzt weg war.

Eltern? Ich wollte meinen Vater nicht sehen! Er hatte mich immerhin hierher befördert, oder nicht? Meine Mutter war auch tot, war ich vielleicht doch gestorben?

Meine Atmung beschleunigte wieder, der Schmerz um mein Herz wuchs und ich hatte Angst. Spürte wie sie mich von innen aufaß und mir das Gefühl von Übelkeit gab.
Mein Vater trat in den Raum.
Die Muskeln meines Körpers spannten sich an, meine Augen fixierten ihn an Ort und stelle.
Dann betrat meine Mutter den Raum.
Mein Herz rutschte in meine Hose. Sie war tot, ich hab ihren Sarg gesehen! Panik. Panisch sah ich mich um, suchte nach Anzeichen, dass ich Träumte oder gestorben war, aber da war nichts. Niemand der mich aufwecken konnte, niemand der mir sagen würde, ob das real war.

"D-du bist gestorben...", sagte ich, "Ich war auf deiner Beerdigung!" Lauter. Noch lauter.

"W-warum bist du am Leben?!"

Tränen sammelten sich in ihren Augen als sie näher kam und meine Angst erkannte. Sie spiegelte sich in ihren Augen. Hektisch Atmete ich ein und aus, dann versuchte sie mich zu berühren.

"Lass mich!", rief ich und rutschte weg von ihr. Weit weg, an den Rand des Betts.
Sofort kam Edward in meine Richtung, die Augen verstört aufgerissen, den Mund hoffnungsvoll geöffnet.

"James, erkennst du etwa deine Mutter nicht?", stellte er mir eine simple Frage.

"Sie ist gestorben...", antwortete ich leise. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Sie war gestorben, da war ich mir sicher. Der Blick meines Vaters wechselte zu einem wütenden Blick, als er versuchte nach meinem Arm zu greifen.

"Nein! Du hast mich fast Umgebracht!", schrie ich los, sprang auf und ging den größten möglichen Abstand ein. Das konnte nicht real sein, es konnte nicht!
Ein scharfer Schmerz durchzog mein Herz. Der verletzte Blick meiner Eltern, meine Hand an der Vase der 'Get well soon' Blumen.

" James, bitte beruhig dich doch!"

Sie versuchten sich zu nähern, mich zu berühren und obwohl ich ihnen glauben wollte sie wären echt, konnte ich nicht. Sie würden mir wehtun wollen, mich irgendwie um den Verstand bringen!
Mit voller Wucht zerbrach ich die Vase an der Wand und hob eine Scherbe hoch.

Jason...

Wo war er ? Wollte er mich nicht besuchen kommen? Hatte er mich nie geliebt?
Wütend starrte ich die Scherbe an, bemerkte nicht wie meine 'Mutter' einen Arzt holte um mich zu beruhigen. Doch die Angst war zu groß, es fühlte sich an, als würde der Mond mit der Erde kollidieren, doch bevor ich mir oder jemand anderem mit der Scherbe Verletzungen hinzufügen konnte, wurde sie mir aus der Hand gerissen.

Prisoner 013 (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt