07

376 15 0
                                    

Die Menge sah mich nur enttäuscht an und sie warfen mir ohne Mitleid irgendwelche Beleidigungen an den Kopf. Der Wind blies mir um die Ohren und obwohl ich so selbstbewusst da vorne stand und versuchte etwas zu sagen, war meine Kehle wie zugeschnürt und mein Körper wie gelähmt. 

"Bring dich doch um!"

Unter allen Beleidigung hörte ich die noch am meisten heraus. Das ganze Rudel verhielt sich wie eine Klasse Jugendlicher, die eine Person mobben. Es war fast schon peinlich, dass mich über 100 Personen beschimpften und ich nichts anderes tun konnte, als abwarten. Vielleicht hatte mein Vater ja recht, ich war ein schlechter Alpha. Wahrscheinlich der schlechteste, den er je gekannt hatte... 

Dieser eine Kommentar spielte sich in einem Kopf ab wie eine Aufnahme; Selbst nach zwei kläglichen Versuchen endlich die Menge zum schweigen zu bringen, seufzte ich leise und gab auf. Was hatte ich anderes erwartet? Menschen haben Angst vor dem Ungewissen - so auch bei Werwölfen. Klar, ich war im Gefängnis, sie kannten mich kaum...Aber dann müssen sie eben meine unschöne Seite kennenlernen, denn meine Schöne wird mir hier nicht viel weiterhelfen.

"HEY!", schrie ich laut und ließ mein Stimme wie ein Echo durch den Wald hallen. Die Menge vor mir verstummte langsam und sah erwartend zu mir. Da war sie also, die Macht, die sie hören wollten; Die Macht, die in mir hervorkam. 

"Wenn ihr euren Alpha weiter so behandelt, dann kann ich euch beim nächsten Kampf nicht retten!" Mein ganzer Körper zitterte leicht. Durch meine Adern schoss Adrenalin und Angst sowie große Trauer. Natürlich ließ ich mir diese nicht anmerken - würde ich jetzt Schwäche zeigen, hätte ich den Respekt endgültig verloren. Den Respekt, der sowieso kaum vorhanden war.

"Bring dich doch um!"

"Sein wir doch mal ehrlich!", ich hob meine Stimme leicht an und ließ einen sauren Unterton durchscheinen, "Ihr habt hier einen 'kriminellen' Alpha vor euch stehen, der angeblich Drogen verkauft hat - Wenn ihr wirklich daran glauben würdet, würdet ihr eure Münder halten und zuhören!" Der Wind hatte sich gelegt und hinter all den Wolken kamen die warmen Sonnenstrahlen hindurch und machten die ganze Situation ertragbarer.

"Immerhin hab ich fast eine Person umgebracht..."

Mein Anwalt hätte mir in diesem Moment wahrscheinlich gerieten meinen Mund zu halten und auf seine Anweisungen zu warten, aber er war nicht hier. Ich war frei und mir stand es frei zu sagen, was ich wollte. Auch wenn dies bedeutet alles auszusprechen wovor ich Angst hatte... Stolz baute sich in meiner Brust auf und mein viel zu hoher Blutdruck senkte sich allmählich. Grinsend erklärte ich meine letzten Ideen: " Also habt ihr zwei Möglichkeiten. A, ihr hört nicht auf mich und werdet brutal von einem anderem Rudel umgebracht oder B, ihr hört auf mich und habt eine faire Chance zu überleben. " Meine Rede glich der eines Oberstufenschülers, der Schülersprecher werden wollte - sie war schlicht und weg langweilig und ähnelte eher einer Drohung oder einem Zwang als einer überzeugenden Rede. 

Es blieb für einige Sekunden still bis der große Protest über mich kam, wie eine Hitzewelle im Sommer. Sie riefen mir wie schon vorher verschiedenste Beleidigungen entgegen und drohten mir damit, die Polizei anzurufen, damit ich zurück ins Gefängnis kam; dabei war ich erst einige Stunden draußen und hatte mehr Sehnsucht nach dem Tod als der Hölle selbst. 

Währenddessen schwächte die Wut meines Rudels kaum ab und obwohl ich verzweifelt versuchte, sie zum Schweigen zu bringen, gab ich mich schlussendlich geschlagen.  Egal welchen Kompromiss ich eingehen würde, egal wie Selbstsüchtig oder Selbstlos ich handeln würde - die Werwölfe, die meinem Vater gehorcht und ihn geliebt hatten, würden es niemals bei mir tun. 

"Bring dich doch um!" "Bring dich doch um" "Bring dich doch um!"

Immer wieder wiederholte sich die Stimme in meinem Kopf. Mittlerweile war sie wie eingebrannt in den Teil meines Gehirns, in dem die Erinnerungen aufbewahrt wurden.  Geschlagen drehte ich mich zu Jack um und deutete nur auf die Menge hinter mir ehe ich hinter den dichten Wald aus Kiefern verschwand. Damit hatte ich wohl endgültig ihren Respekt weggeworfen und falls ich meinen Mate finden sollte, würde mich dieser schneller verlassen als der Donner nach dem Blitz. Nur die Erinnerung würde in meinem Kopf herumspucken, bis zu dem Tag, an dem ich meinen letzten Atemzug nehmen würde und mein Herz aussetzten würde. Schon der Gedanke daran gab mir eine Gänsehaut.

"Bring dich doch um!"  Mach's doch selber.

Nach einen Minuten des Herumlaufens, ließ ich mich auf einem kleinen Felsen nieder und vergrub meinen Kopf in meinen Händen. Das Gefühl der Wut wollte mich nicht verlassen, aber desto weniger wütend ich wurde, desto größer wurde das Gefühl der Angst und....der Sehnsucht? Verwirrt hob ich meinen Kopf und sah in den Himmel. Die Sonnenstrahlen waren wieder verschwunden und es tropften vereinzelt Regentropfen auf den Boden; Sie prallten auf den Blättern ab und hinterließen eine angenehme Kälte auf meiner Haut. 

"Hey! Coco, komm her!"

Ein kleiner Welpe kam auf mich zu gerannt und bellte laut, als er auf mich zu sprang  und an meiner Kleidung roch. Kurz darauf kam ein gut aussehender Mann hinterer. Seine braunen Locken hingen ihm im Gesicht, er war aus der Puste und seine Wangen waren leicht gerötet. Der Welpe an sich saß in der Zwischenzeit brav auf meinem Schoß und starrte in das Gesicht seines Besitzers - das Fell weich und golden. Vielleicht ist es ein Golden Retriever?

"Oh mein Gott es tut mir so-", wir sahen uns in die Augen. Seine Augen waren in ein sanftes Grün getaucht und hatten einige braune Akzente - sie erinnerten mich an den Wald; so als wäre die ganze Natur in seiner Iris gefangen, "leid... Ehm, Coco rennt normalerweise nicht einfach so zu Fremden..." Wir beide wendeten unsere Blicke dem Boden zu.

„Keine Sorge... Ich mag Hunde", lachte ich leise ehe ich mich erhob und meine Hände an meiner Hose abklopfte.
Eine unangenehme Stille legte sich zwischen uns und ich wusste, dass ich etwas sagen musste — denn ich würde definitiv nicht mein erstes Treffen mit meinem Mate zerstören.

„Wie heißt du?"
„Jason, du?"
„James. Willst du ein bisschen mit mir herumlaufen?"

Prisoner 013 (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt