Hopeless

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" "Fools," said I, "You do not know
Silence like a cancer grows" "
"The Sound Of Silence", Disturbed

Er wollte sie umbringen. Dieser Verrückte wollte sie tatsächlich umbringen. Das realisierte Asena, als sie einige Minuten später wieder in ihrem Zimmer, wie Klaus es nannte, saß und die Wand anstarrte. Sie spürte nichts. Keine Angst, keine Wut, keine Panik. Da war nur Leere, und das war noch schlimmer. Sie müsste eigentlich zitternd hier sitzen, oder schreien, einfach irgendwas machen, doch das konnte sie nicht. Das alles konsumierende Nichts in ihrem Herz machte es unmöglich. Sie würde sterben.

Die Wand war weiß. Kein strahlendes Schneeweiß, eher ein sanftes Cremefarben. Der Farbton, den Perlen häufig hatten, nur dass es nicht wie Perlen aussah, dafür war das Material zu robust. Es war keine glatte Wand, sie war mit einer Raufasertapete beklebt und in der Höhe von etwa einem Meter befand sich ein Holzbrett. Darunter hörte die Tapete auf und wurde durch rote Farbe ersetzt. Blutrot. Es sah edel aus. Würde sie auch so aussehen, wenn sie tot war? Blass und voller Blut, das eine ganz eigene fatale Eleganz und Anmut besaß?

Oder würde sie aussehen wie der vertrocknete rotbraune Fleck auf dem Kissen im Bett, wo das Blut aus ihrem Hals gelaufen war. Würde sie so enden? Als Fleck, vor dem man sich eckelte, weil er nach Tod aussah? Nach Schmerz und Wunden? Wie ein Stück Dreck? Etwas, das niemand haben wollte, und das auf den Boden geworfen und vergessen wurde? Nur eine weitere Leiche im Leichenschauhaus. Ein weiterer Fall, den die Polizei nicht lösen würde? Ein weiterer vergessener Name auf dem Friedhof ihrer Heimatstadt? Ein weiteres Grab, das niemand besuchen würde?

So wollte sie nicht aufhören, zu existieren. Das wusste sie trotz der Taubheit, die einfach nicht besser wurde. Niemand würde so von der Erde verschwinden wollen. Es war zu gewöhnlich, zu unbedeutend. Und ihr Tod würde nicht einmal einen Sinn haben, zumindest keinen, der jemand anderem als Klaus bekannt war. Was würde man den Leuten sagen? Ein Unfall? Selbstmord? Hoffentlich nicht letzteres. Sie wollte nicht, dass die wenigen Menschen, die ihr wichtig waren, sich Vorwürfe machten. Da lieber ein Überfall, Mord oder Todschlag. Gerne auch eine unerklärliche Explosion, dann würde zumindest alle Welt davon erfahren. Wäre das nicht poetisch? Jeder wüsste, dass sie tot war, aber niemand den wahren Grund. Alle hätten nur eine zweitklassige Begründung, und niemand würde es wirklich glauben. Ein trauriges Ende. So hatte sie sich ihr Ende nicht vorgestellt.

Noch immer wie gefroren legte sie sich hin. Sitzen war zu anstrengend. Und die Zimmerdecke war ja auch interessant. In der gleichen Farbe wie der obere Teil der Wand, aber ein wenig glatter und nicht tapeziert sondern gestrichen. Langsam streckte Asena die Hand nach oben aus als könnte sie die Decke berühren. Das machte sie sonst immer unter dem nächtlichen Himmel. Und dann stellte sie sich vor, dass jeder Stern für einen verstorbenen Menschen stand. Ob sie auch ein Stern werden würde? Oder würde nach dem Tod einfach alles vorbei sein? Wäre da lediglich das Nichts, das sie jetzt schon spürte? Oder konnte man Frieden finden und die Menschen wiedersehen, die man verloren hatte?

Sofort wanderten ihre Gedanken zu Becky. Würde sie sie endlich wieder in ihre Arme schließen können? Das wäre schön. Aber nein, sie durfte Licia nicht zurücklassen. Sie hatte schon zu viel verloren, Asena durfte nicht auch noch gehen. So fantastisch es wäre, Becky zu sehen, sie konnte nicht einfach sterben. Sie hatte genug Menschen, die lebten und die sie nicht zurücklassen durfte. Alain, Sophia, ihre Großmutter Penelope, ihre beste Freundin Miaka und allen voran natürlich Licia. Sie würde zurückkommen, das hatte sie ihrer kleinen Schwester versprochen, bevor sie nach London gezogen war. Und dieses Versprechen wollte sie halten, komme was wolle. Sie würde kämpfen.

Entschlossen stand sie auf, spürend, wie die Leere langsam aus ihr wich. Sie ging zur Tür und wollte sie öffnen, ohne den geringsten Plan zu haben, was sie eigentlich vorhatte. Wollte sie Klaus herausfordern oder sich an ihm vorbei schleichen? Sie hatte keine Ahnung. Aber die Frage beantwortete sich von allein, als sie merkte, dass die Tür von außen abgeschlossen war. Diese bescheuerte Witzfigur von Vampir hatte sie eingesperrt.

Wütend schlug sie gegen das Holz, ohne über die Folgen nachzudenken. ''Lass mich hier raus!'', brüllte sie, ''Lass mich sofort hier raus du narzisstisches Arschloch! Hörst du mich? Lass mich raus!'' Zum Ende hin wurde sie noch lauter und ihre Stimme überschlug sich. Sie schrie, flehte, kreischte, trommelte mit dem Fäusten auf die Tür ein und hasste sich selbst dafür. Sie durfte nicht schwach sein und doch brach sie hier gerade zusammen. Sie konnte hier nicht eingesperrt sein.

Panisch stellte sie fest, dass die Wände auf sie zurückten und schlug immer kräftiger gegen die Tür. Sie durfte nicht hier bleiben, sie würde zerquetscht werden! Doch die Tür gab nicht nach und Asenas Hände bluteten bereits. Ihre Fingerknöchel waren aufgeplatzt und überall war Blut. Kein Schmerz, nur Angst. Die Wände waren so nah...

Weinend sank sie auf den Boden und rollte sich zu einer Kugel zusammen. Es gab keinen Funken Hoffnung mehr. Jetzt wünschte sie sich das Nichts zurück. Alles war besser, als das hier. ''Es tut mir leid, Licia'', schluchzte sie, ''Ich wollte dich nicht allein lassen. Ich wollte mein Versprechen halten.'' Und dann schloss sie die Augen, auf den Tod wartend. Wenigstens würde Klaus so nicht bekommen, was er wollte.

Doch nichts passierte. Sie starb nicht. Dafür wurde die Tür aufgerissen und jemand kniete sich neben sie. Sie sah nicht, wer es war, doch außer Klaus war ihr niemand bekannt, der sich im Haus befand, also konnte es nur er sein. Und als sie die Stimme hörte, war es sicher.

''Was tust du denn da, Liebes?'', fragte er fast schon sanft. Was war los mit ihm? Hatte er einen Zwilling?

Asena spürte, wie ihr Kopf leicht angehoben wurde, doch sie kniff die Augen weiterhin zusammen, falls die Wände wieder näher kamen. Sie wollte ihren eigenen Tod nicht sehen. Lieber stellte sie sich vor, wie sie mit ihren Freunden und ihrer Familie auf einem Dorffest war, oder tanzte. Alles war besser als zu sehen, wer oder was sie umbrachte. Es war weniger gruselig, es nicht zu wissen.

''Du kannst die Augen aufmachen'', sagte Klaus, ''Ich tue dir nichts. Du musst dich beruhigen.''

''Ich kann nicht'', hauchte sie, ''Es geht nicht.''

Klaus zog sie hoch, sodass sie gezwungen war, sich hinzusetzen, und legte ihr die Hände auf die Schultern. ''Atme tief durch, du kannst das. Atme, und dann öffne die Augen. Verstanden?''

''Sei stark'', dachte sie, ''Sei stark. Er hat dich lange genug schwach gesehen. Jetzt reicht es. Sei stark.'' Zittrig atmete sie ein und wieder aus, bis sie sich bereit fühlte, die Augen zu öffnen. Erst nur einen Spalt, dann immer mehr, bis sie wieder alles sehen konnte. Die Wände waren genau da, wo sie immer standen. Verfluchte Panikattacke. Wie lang hatte sie jetzt wohl so schwächlich da gelegen?

''Na siehst du? Geht doch.'' Klaus saß vor ihr und ließ sie nun los. Er hatte etwas Blut auf Kleidung und Gesicht. Warum?

Ihr Blick fiel auf ihre Hände, die nur noch eine blutige Masse waren. Erst jetzt begann sie, den Schmerz zu fühlen. Ein Pochen, das immer stärker wurde, brachte sie halb um den Verstand.

''Das werden wir heilen müssen'', stellte Klaus fest und biss sich in den Arm, ''Trink.''

Asena wollte erst den Kopf schütteln, doch sie hatte nicht genug Kraft, um sich zu wehren, deshalb trank sie einen Schluck seines Blutes. Am liebsten würde sie es sofort wieder ausspucken, aber es heilte ihre Hand, deshalb tat sie es nicht.

''Da das jetzt erledigt ist, willst du mir vielleicht sagen, was das sollte?'', fragte Klaus und stand auf.

''Da das jetzt erledigt ist, willst du mir vielleicht sagen, was das sollte?'', fragte Klaus und stand auf

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Stockholm Syndrome || Niklaus MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt