24. Die Schatten

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Entgegen meiner Erwartungen war ich es, die nicht schlafen konnte. Seit Stunden hatte ich kein Auge zugetan. Der Mond schien hell durch die Zimmerfenster und beleuchtete die Silhouetten der Möbel, die sich im Zuge der Nacht zu schaurigen Gestalten formten.

Neben mir schlief Kirian tief und fest.

Und ich hatte noch nicht eine Sekunde geschlafen. Kaum war ich zur Ruhe gekommen, hatte die vergiftete Wunde begonnen stetig zu pulsieren. Es war wie das regelmäßige Hämmern eines Schmiedes.

Aus dem Pulsieren wurde irgendwann ein unangenehmes Ziepen, dann ein Stechen. Mein Arm kribbelte, als würden tausende kleine Ameisen über meine Haut laufen, aber ich konnte ihn weder bewegen, noch fühlen. Mit jeder Stunde, die verging wurde mir heißer und bald war meine Stirn schweißnass.

Angst kroch mir den Nacken hoch.

Was passierte, wenn ich meinen Arm nie wieder benutzen könnte? Oder wenn es sich tatsächlich um Gift handelte und das bereits die ersten Symptome waren?

Ich konnte nicht länger still rumliegen.

Mit einem Stöhnen schwang ich mich so geräuschlos wie möglich aus dem Bett und vergewisserte mich, dass ich Kirian nicht geweckt hatte. Dann warf ich mir meinen Umhang über mein Nachthemd und tapste zur Tür hinüber. Leise drückte ich die Klinke hinunter. Draußen erwartete mich nur der erlöschende Schein einiger Fackeln. Weit und breit war alles still. Wo waren die Wachen hin? Egal. Für mich war es vermutlich von Vorteil, dass sie nicht zu sehen waren.

Ohne zu wissen, wo ich eigentlich hinwollte schlüpfte ich aus der Tür hinaus.

Durch einen Instinkt getrieben bewegte ich mich in der dämmrigen Dunkelheit vorwärts, fand die Haupttreppe und machte mich daran die kalten Steinstufen hinunterzusteigen. Das Treppenhaus war von großen Fenstern beschienen und endete in der Eingangshalle von wo aus verschiedenen Gängen abgingen. Gerade wollte ich mich nach links wenden, als ich einen Lichtschein bemerkte, der durch eine angelehnte Tür hindurchschimmerte. Ich runzelte die Stirn.

Wer war um diese Uhrzeit bitte noch wach? Bevor ich richtig darüber nachdenken konnte, bewegten sich meine Füße bereits vorwärts und kamen vor der Tür zum Stehen. Von drinnen war kein Laut zu hören. Das war der Moment, in dem mir bewusstwurde, dass es vielleicht doch nicht die schlauste Idee war nachts einfach so in einer fremden Burg herumzuspazieren. Das Beste würde sein, ich ging einfach wieder zurück in unser Zimmer und versuchte einzuschlafen.

Und trotzdem hatte ich die Tür im nächsten Augenblick aufgestoßen und hineingetreten. Eine Schreckenssekunde lang erwartete ich beinahe, dass jemand hinter der Tür hervorsprang und mich mit einem Schwert erdolchte. Aber es geschah nichts.

Das Licht, das ich von draußen bemerkt hatte war eine Öllampe, die auf einem hölzernen Beistelltisch stand. Daneben stand ein Sofa mit Fellteppich vor den Füßen. Gegenüber befand sich ein, in den Stein eingearbeiteter Kamin. Irgendwie kam ich mir doch ziemlich dumm vor, wie ich so alleine inmitten des Raumes stand.

Was sollte ich jetzt tun? Das Licht ausmachen und einfach wieder gehen, auch wenn ich nicht wusste, ob hier nicht noch irgendwer arbeitete? Aber wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dachte ich kopfschüttelnd. Mit Sicherheit hatte nur jemand vergessen die Lampe auszumachen.

Ich war im Begriff auf die Lampe zuzugehen, und hatte schon den Arm erhoben, als der Schmerz mich beinahe von den Füßen riss. Taumelnd jaspte ich nach Luft und konnte mich gerade noch fangen. Meine Hand schoss zu meiner Schulter, die sich anfühlte wie glühendes Eisen. Flüchtig war ich mir sicher, dass es mit meinem Arm endgültig vorbei war.

Atmen, einfach atmen, betete ich in Gedanken zähneknirschend vor mich hin, in der Hoffnung, dass es helfen würde den Schmerz zu verdrängen. Den Rücken gebeugt und schweratmend stützte ich mich auf die Sofalehne, um nicht den Halt zu verlieren. Sobald der Schmerz etwas verblasst war, richtete ich mich zögernd wieder auf. Dabei streifte mein getrübter Blick die Öllampe. Besser gesagt, den Schatten der Lampe.

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