7. Gerettet und Gefangen

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Ich war mir ziemlich sicher, dass der Tod sich nicht anfühlte, als wäre man von einer Kutsche überfahren worden. Das war mein erster, ziemlich plumper Gedanke, als ich das Bewusstsein wiedererlangte und begriff, dass ich wie durch ein Wunder nicht gestorben war. Hämmernde Kopfschmerzen und die Schmerzen an meinem Bein machten es mir schwer überhaupt irgendwas zu denken.

Ich blinzelte. Helles Licht blendete mich und ich hielt mir schützend einen Arm vor die Augen.

Meine Haut fühlte sich warm an wie bei einem schlimmen Sonnenbrand, nur, dass mich nicht die Sonne verbrannt hatte. Die Erinnerung brauchte keine Zeit um wiederzukehren. Vergessen würde ich das gewiss nie. Immer noch fühlte ich wie das Feuer des Drachen an meiner Haut leckte und das verrückte Schwindelgefühl, als ich durch die Luft gefallen war. Fallen gelassen von einem Drachen.

Entfernt hörte ich zwei Stimmen.

Ich presste die Augen wieder zu und hievte mich stöhnend in eine aufrechte Position. Für einen Augenblick drehte sich alles und Sterne tanzten vor meinen Augen. Die Lider fest zusammengepresst wartete ich darauf, dass sich mein Kreislauf wieder stabilisierte.

Erstmals nahm ich meine Umgebung wahr. Ich lag auf einem weichen Bett und war mit einem Laken zugedeckt worden, dass sich flauschig auf meiner Haut anfühlte. Sobald ich mich voller Ungeduld einigermaßen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, schob ich das Laken zur Seite und erblickte einen großen, aber vor allem frischen Verband, der meinen Oberschenkel umhüllte. Insgeheim war ich froh, dass ich nicht bei Bewusstsein gewesen war, als man mich verarztet hatte. Die Narbe musste furchtbar entzündet gewesen sein.

Noch halb ohnmächtig, begriff ich erst nach und nach, was das bedeutete.

Jemand hatte mich versorgt.

Und das hieß, jemand hatte mich gerettet.

Alarmiert sah ich mich um, entdeckte aber nichts Brauchbares, dass mir im Notfall als Waffe dienen konnte. Das Zimmer war leer. Außer dem Bett auf dem ich saß, einem Stuhl und einem Schrank befand sich nichts in dem Raum, was sich umfunktionieren ließ. Ich zog die Augenbrauen zusammen, als ich bemerkte aus welchem Stein die Wände gefertigt waren. Es war ein dunkler Naturstein, ähnlich der Farbe von Obsidian. Die Oberfläche war uneben und rau, als hätte jemand eine Höhle zu einem Zimmer umfunktioniert. Von der rechten Seite drängte durch eine unförmige Fensteröffnung helles Tageslicht in den Raum. Etwas an diesem Ort stimmte nicht. Eine drängende Unruhe erfasste mich, und unwillkürlich spannten sich all meine Muskeln an. Wo war ich hier gelandet?

Die beiden Küstenländer Ocria und Ashar pflegten für gewöhnlich keine netten Beziehungen mit Schiffsbrüchigen. Sie rissen einem lieber die Fingernägel aus. Das machte weniger Mühe und führte schneller zum Ergebnis. Und das machten sie nur, wenn man ihnen nützlich sein konntest. Ansonsten ließen sie dich gleich verrotten.

Die Stimmen, die eben noch weit entfernt gewesen waren kamen näher und ich erkannte, dass es sich dabei sowohl um eine Frau, als auch einen Mann handeln musste. Meine Gedanken rasten, als ich in dem Bruchteil einer Sekunde entschied was ich tun würde. Wenn die Menschen etwas von mir wollten, dann würde ich es ihnen nicht freiwillig überlassen. Egal, wie sehr ich meinen Körper dafür an seine Grenzen treiben musste.

Blitzschnell warf ich die Decke zurück und sprang auf der anderen Seite aus dem Bett. Beinahe sofort wäre mein Bein unter meinem Gewicht weggeknickt, so unerwartet kam die plötzliche Belastung. Es kam dem Gefühl dessen sehr nahe, was ich empfunden hatte, als sich die Kralle des Eiswolfes in mein Bein gebohrt hatte. Der Schmerz war höllisch. Doch darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen.

Ein Kampf war sinnlos, dass wusste die bestimmt ebenso gut wie ich. Aber ich würde zumindest die Illusion von Stärke so lange wie möglich aufrechterhalten.

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