An einem unbekannten Ort, ritt ein großer Mann auf einem weißen Pferd durch eine Waldlandschaft. Es war dunkel und nur hin und wieder schien Licht durch die Blätter der Bäume. Der Mann hatte halblanges braunes Haar und schien von einer grimmigen Eile getrieben zu sein, die wie eine undurchdringliche Finsternis hinter ihm herwehte.
Plötzlich stoppte er das Pferd, welches sich leicht aufbäumte und stehen blieb. Der Mann schaute hoch. Erst beim näheren Hinsehen begriff man, wo er hinschaute. Vor ihm wuchs ein riesiger Baum, mit einem Stamm, so breit, dass man mehrere große Männer benötigen würde, um ihn vollständig zu umarmen. Seine Baumkrone war gewaltig und fächerte sich weit nach links und rechts auf. Abgesehen von seiner ungewöhnlichen Größe wirkte der Baum harmlos, doch der Reiter schien sich bei seinem Vorhaben absolut sicher zu sein. Zielstrebig schwang er sich vom Rücken des Pferdes und ging auf die Wurzeln des Baumes zu.
Dort angekommen, legte er eine Hand auf die Rinde des Urbaums und senkte den Kopf gegen den Stamm, als würde er beten. Unerwartet hell leuchteten plötzlich seine Adern in der Dunkelheit auf und man hörte ihn Worte in einer fremden Sprache flüstern.
Für einige Augenblicke lang geschah nichts, als ohne Vorwarnung ein heller Lichtschein von dem Baum ausging, über die Wipfel der kleineren Bäume hinweg zog und verblasste. Zum Vorscheinen kam ein riesiges Baumhaus, dass hoch oben in den dicken Äste der Krone erbaut worden war. Glühwürmchen und Lichterketten beleuchteten das dichte Blätterwerk, das ansonsten völlig dunkel war. Der Gestaltwandler erhob sich und ging auf eine Stelle zu, an der eine Strickleiter erschienen war. Ohne zu zögern, griff er nach der ersten Sprosse und zog sich mit kräftigen Zügen bis hinauf zum Plateau. Niemand hielt ihn auf und noch immer herrschte eine unheimliche Stille an diesem Ort.
Oben angelangt, sprang er auf eine kleine Terrasse, die mit einem Geländer abgegrenzt worden war. Vor ihm lag eine geschlossene Holztür. Er klopfte.
»Ich bin's, Kirian.« Seine Stimme war dunkel und hallte in der Nacht wider. Die Blätter begannen auf eine unheimliche Art und Weise zu rascheln, obwohl kein Wind wehte.
Kurz antwortete niemand, dann sagte eine alte Stimme: »Komm rein.«
Als er die Stimme des Mannes hörte, schien beinahe so etwas, wie Erleichterung über die Züge des Reiters zu huschen, als er mit einem tiefen Atemzug die Tür aufstieß.
Drinnen erwartete ihn eine gemütliche Atmosphäre. Überall standen Bücherstapel herum, hier und stand eine Pflanze. Am hinteren Rand der kleinen Hütte stand ein schlichtes Holzbett und ein Tisch. Beim Eintreten fiel der Blick des Drachen sofort auf einen großen Sessel. Darin saß ein alter Mann mit einem weißen Bart und rauchte gemütlich eine Pfeife. Er sah ihn nicht an, als er den Raum betrat, sondern betrachtete versonnen das Feuer, das vor ihm knisterte. Dieses schien dem Holz ringsum auf magische Weise Nichts anhaben zu können. Vorsichtig kam Kirian näher, um ihn nicht zu erschrecken.
»Ich bin zwar alt, mein Lieber, aber nicht taub.«, kommentierte der Greis das scheue Verhalten amüsiert. »Du kannst näherkommen, setzt dich zu mir.«
Er streckte fordernd die linke Hand aus und deutete auf einen zweiten Sessel.
Der junge Gestaltwandler setzte sich unsicher. Jetzt, wo er hier war, kamen ihm Bedenken, ob er das Richtige tat.
»Stell deine Frage, mein Lieber. Was möchtest du von dem alten Naomham (NUU-van).«
Er warf seinem Gast einen Seitenblick zu. »Die Vögel haben mir gezwitschert, dass du alleine hier bist. Müsste bei dir nicht noch ein Mädchen sein?«
Bei der Erwähnung des Mädchens schoss ein Ausdruck von Schmerz über die edlen Gesichtszüge des Drachen.
»Deshalb bin ich hier, Großvater. Du musst mir helfen.«
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Heart of Ice
FantasyTextauszug: ,,Sein Blick fixierte meine Lippen und er hatte beide Arme neben meinen Kopf gestützt. Der Geruch von Feuer und salziger Meeresluft umfing mich. »Dann bieten wir ihnen doch ein Spektakel, welches sie davon überzeugt, dass sie uns in Ruh...