22. Königin Zarina

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Aber Kirian blieb nicht.

Zumindest nicht so, wie ich mir das in meinem zugedröhnten Zustand zurechtgelegt hatte. In meinem Kopf hätte er nahe bei mir gelegen und mich gewärmt, nicht am anderen Ende des Bettes gesessen.

In meinem schlaftrunkenen Hirn, stellte sich bei der Feststellung eine bittere Enttäuschung ein, die sich in meinem Bauch anfühlte wie Säure. Ich schluckte sie hinunter und konnte mich selbst nicht leiden für meine Übersensibilität. Schließlich konnte ich nicht davon ausgehen, dass Kirian dasselbe unter bei mir bleiben verstand wie ich. Trotz meiner Überzeugungsreden blieb das Gefühl wie ein nerviger Stachel in der Haut, der nicht verschwinden wollte. Ich richtete mich stöhnend auf, um jeden weiteren negativen Gedanken daran zu verdrängen. Es würde mir ja doch nicht weiterhelfen.

Sobald ich mich rührte, hob Kirian den Kopf und sah mich neugierig an. In der Hand hielt er ein Buch, indem er offenbar gelesen hatte, während er darauf wartete, dass ich aufwachte. Ich runzelte die Stirn, als ich ihn betrachtete. Ich hatte ihn noch nie lesen sehen. Es war somerkwürdig normal. Also nichts, was man mit Kirian in Verbindung bringen würde.

»Wie fühlst du dich, Tara?«, fragte er leise lächelnd, zeigte aber sonst keine Anzeichen dafür, dass er letzte Nacht ein emotionales Wrack gewesen war. Typisch Mann.

Ich brauchte nicht in mich hineinzuhorchen, um den steigenden Schmerz in meiner Schulter zu registrieren. Schön dank auch, dachte ich frustriert. Der schnelle Heilungsprozess eines Drachen würde bei mir offenbar in naher Zukunft noch kein Thema sein.

»Neue Narben sind immer scheiße, aber ich denke, ich werde es überleben.«, erwiderte ich gespielt gelassen und wollte auf gar keinen Fall zugeben, dass es noch höllisch wehtat. Der Pfeil musste einige meiner Sehnen und Bänder durchtrennt haben, denn ich konnte den Arm kaum anheben. Der Schmerz strahlte bis in meinen Rücken ab. Was für eine beschissene Wunde!

Meine Antwort löste den düsteren Ausdruck in Kirians Gesicht etwas, den er bei einem Blick auf meine verbundene Schulter aufgesetzt hatte. Es schien ihn zu beruhigen, dass ich das sagte und er legte das Buch bei Seite.

»Wir hatten Glück, dass wir den Schatten gestern entkommen sind. Das hätte auch noch ganz anders enden können.«, meinte er finster. »Schattenpfeile sind keine schöne Angelegenheit.«

In der Hinsicht konnte ich ihm nur zustimmen. Ein kurzes Schweigen trat ein, während niemand von uns was sagte. Ein innerer Drang zwang mich dazu nicht in Kirians Gesicht zu schauen. Meine Gefühle waren mir unangenehm. Auf keinem Fall wollte ich ihm zeigen, dass ich kurz gedacht hatte, der Moment gestern Nacht an meinem Bett hätte etwas bedeutet. Mein Blick schweifte durch den Raum und blieb bei dem Buch hängen, dass Kirian gelesen hatte. Mit einem Kopfnicken deutete ich darauf.

»Was liest du da?«

»Nichts Besonderes. Dir geht es sicher gut? Du wirkst blass.«

Ich richtete mich auf dem Bett noch etwas gerader auf und versuchte den Salto in meinem Bauch zu ignorieren.

»Sorgst du dich etwa um mich?«, feixte ich und zog eine Augenbraue hoch, während ich Kirians durchdringenden Blick standhaft erwiderte und dabei versuchte den Schwindel in meinem Kopf zu ignorieren. An seiner Miene konnte ich sehen, dass er ganz genau wusste, was ich versuchte. Aber es funktionierte. Er seufzte und gab es auf weiter nachzubohren.

Bevor er noch etwas sagen konnte, klopfte es plötzlich an der Tür. Kirian drehte den Kopf und verzog das Gesicht

»Wer ist da, Kirian?«

Ehe er antworten konnte, wurde der Knauf der Tür rumgedreht und ein Mädchen erschien im Türrahmen. Ihr Gesicht war noch jugendlich, aber man erkannte an ihren Augen, dass sie schon mehr Erfahrung vom Leben hatte, als die meisten. Hinter ihr erschien ein älterer Mann, mit kurzem grauem Haar. Er trat ebenfalls in das Zimmer.

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