Der Traum einer Schwester

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"Unsere Welt war einst friedlich und voller Wohlstand. Wir sahen zu der großen Sphäre auf, dem sogenannten Gärtner. Die Wesen die ihn begleiteten, die Reisenden, versprachen unsere Welt zum Aufstieg zu verhelfen. Unser Volk sah in dem Gärtner die Erlösung. Wir träumten davon, die Sterne zu bereisen. Und so taten wir dies auch. Unsere Planeten wurden bewohnbar und fruchtbar.
Doch das Schicksal trifft irgendwann jeden. Ein aufziehender Sturm, ein Wirbelwind der Zerstörung, ein Nebel der Verzweiflung. Ein formloses Unheil.
Wir beteten zu den Gärtner uns zu beschützen. Doch in dem Chaos floh die große Sphäre und ließ uns somit zurück. Unserem Schicksal überlassen. Der Sturm zog durch unser Sonnensystem und machte die Arbeit des Gärtners rückgängig. Unser Volk war auf wenige tausend reduziert. Meine Schwestern und ich fanden uns in den Ruinen unserer einst glorreichen Stadt wieder. Heimatlos, hungrig, geschwächt. Luma begann jene zu hassen, die uns im Stich gelassen haben. In ihren Augen war der Gärtner schwach. Seine Macht und Versprechen waren nichts als Lügen. Xira, unsere jüngste Schwester, wurde sehr krank. Doch wir konnten nichts tun, um ihr zu helfen. Ich weiß nicht wie viele Tage Luma bei ihr war. Sie in den Armen hielt. Wie viel sie um Xira weinte. Dies prägte ihren Hass und Rachesucht nur noch mehr. Ich versuchte tagtäglich in den Überresten unserer Welt etwas zu finden, um Xira zu helfen. Doch meine Hoffnung verließ mich schon bald.
Luma wurde immer labiler. All ihre Wut und ihre Trauer verzerrten sie langsam. Sie schnitzte ein Messer mit ungewöhnlicher Gravur. Und dieses rammte sie sich in ihre rechte Hand. Ihre Worte schwirren mir heute noch im Kopf.
Dies ist mein Schwur, getränkt in Blut. Ich schwöre jene zu vernichten, die meine Schwestern und mich verließen. Ich werde finden, was geflohen ist. Und diese Lüge ausmerzen.
Zu unserer Überraschung schien uns etwas tatsächlich zu hören. Ein dunkler Nebel umhüllte uns. Ein summen erklang in der Unendlichkeit.
Gewalt - Schönheit - Wahrheit.
Und da war es. Der Sturm. Die Dunkelheit. Sie hatte den Schwur von Luma gehört. Und sie war beeindruckt. Sie bot uns ein Pakt an. Wir werden ihr helfen den Gärtner zu vernichten, in Gegenzug für Wahrheit, Macht und Erlösung. Ein Pakt, der uns veränderte. Xira wurde Gesund. Allerdings forderte die Dunkelheit für ihre Macht ein Tribut. Wir müssen ihr etwas geben, um uns etwas von ihr zu nehmen.
Doch trat Luma vor.
Ich bin Luma. Ich werde weder geben, noch mir etwas geben lassen. Ich werde mir nehmen, was ich will. Dies ist die einzige Wahrheit. Nur was genommen wurde ist richtig und wahr.
Dies war die Geburtsstunde von
Luma, die Nehmerin.
Ich bin Xira. Mein Körper war schwach, also muss ich ihn schärfen. Ich werde mich beweisen, die stärkste zu sein. Egal wer mich herausfordert, ich werde ihn meinen Willen zeigen.
Dies war die Geburtsstunde von
Xira, die Eisklinge.
Ich bin Sukira. Ich werde jeden die Wahrheit offenbaren. Die Lügen der Falschen vernichten. Ich werde die Wahrheit sein und so sprechen.
Dies war die Geburtsstunde von
Sukira, Wahrheitsbringerin.
Doch nun fürchte ich, dass der Pakt ein Fehler war. Xira ist der Kampflust verfallen, Luma der Besessenheit. Ich sehe als einzige, dass der Weg, den wir nun gehen, falsch ist. Seit tausenden Jahren jagen wir schon den Gärtner. Und wir brachten Vernichtung, wo wir waren. Der Sturm war nun eine Pyramide. Die Ausleserin nannten wir sie. Weil sie jene ausmerzt, die nicht gedeihen. Luma sah darin Erlösung. Die wahre Erlösung. Doch ich sehe sie nicht.
O Leser mein, in der Dunkelheit liegt nur eins: Der Tod.".

Spes betrat sein Quartier, welches zugleich eine Art Zelle für den unerwarteten Besuch war.
"Spes, mir ist langweilig. Auch wenn ich zu den Veils gehöre, so brauche ich auch Beschäftigung.".
"Ich hätte nicht gedacht, dass ihr auch Freizeit habt. Ich dachte ihr wärt nur darauf aus, alles zu zerstören.".
"Autsch. Und dennoch sind wir nicht ganz unähnlich. Wir brauchen auch Nahrung und Beschäftigung.".
"Schon gut. Also, was tust du denn gerne?". Die Flügel der Veil umschlossen ihren Körper und sie überlegte mit einem Finger an der Lippe.
"Nun, ich eigne mir gerne Wissen an. Durch Experimente oder Aufzeichnungen.".
"Also du... liest gerne?". Sukira nickte mit einem Lächeln.
"Und ich bin mir sicher, ihr Menschen habt bestimmt eine interessante Geschichte. Hast du etwas für mich? Es würde mich wirklich sehr interessieren.". Spes hatte keine Bücher oder Datenträger, auf dem historische Ereignisse niedergeschrieben sind.
"Ich kann nachher vielleicht Karyu oder Vergo fragen. Vielleicht haben die Beiden etwas.".
"Das ist sehr lieb von dir.". Sukira streckte sich und breitete ihre Flügel aus.
"Kann ich dich was fragen?".
"Klar, schieß los.".
"Warum... tut ihr das eigentlich? Ich mein, all die Zerstörung.".
"Nun, meine Schwester Luma nennt diese Ideologie
'Die Logik des Schwertes'.
Es besagt, dass jeder, der schwächer ist, als der andere, keine Existenz verdient. Es dient dazu, ein Individuum zu finden, welches als allmächtig gelten soll. Selbst wir Veils sind nicht die absoluten Wesen.".
"Eine sehr traurige Ideologie.".
"Sie ist nicht falsch. Doch ich sehe dies nicht als Erlösung. Die Logik des Schwertes ist weder wahr noch falsch.".
"Und wieso... dient ihr überhaupt der Dunkelheit?".
"Nun, ich wäre bereit dieses Wissen mit dir zu teilen. Machen wir ein Deal. Du gibst mir etwas über die Menschheit zum lesen und ich gebe dir Einblick in eine private Aufzeichnungen.".
"Du meinst eine Art Tagebuch?".
"Interessanter Begriff. Ja, ich gebe dir mein 'Tagebuch'.". Spes seufzte doch er konnte seine Neugier nicht verleugnen.
"Ich muss zu einer Besprechung. Ich sehe mal, ob ich dir was bringen kann.".
Darauf verließ der Wächter sein Zimmer. Die Wache vor seinem Quartier nahm Stellung.

Aus Licht und DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt