Kapitel 10

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Du wachst von einem sehr unangenehmen Sturz auf. Keuchend reibst du deinen Hinterkopf und rollst dich genervt zur Seite.
Was für ein Weg am Morgen aufzuwachen.
Du warst immer noch in dem Apartment der Frau letzte Nacht und scheinst auf dem Sofa eingeschlafen zu sein. Jedenfalls dachtest du das, denn das war die einzige plausible Erklärung dafür, dass du gefallen bist und deinen Kopf am Boden angehauen hattest.

"Was für ein Traum...", murmelst du. Die Erinnerungen von damals hattest du versucht so gut wie möglich zu vergessen. Sie waren zu schmerzhaft gewesen, um mit ihnen leben zu wollen. Du wolltest nicht, dass sie dich an deinem Überleben hindern. Anstatt sie loszuwerden, verfolgten sie dich jedoch in deine Träume und bereiteten dir eine extra Dosis Kummer.

„Fantastisch", grummelst du. Dein Kopf schmerzte, jedoch warst du dir nicht ganz sicher, ob es von der schlechten Nacht, oder doch dem Sturz war.
Vielleicht beides?
Vielleicht was andres?

Langsam richtest du dich wieder auf und stemmst dich auf die Beine, um dich besser umsehen zu können. Das Zimmer war ruhig. Von draußen hörst du vielleicht leise ein paar Autos und Leute reden, aber das wars auch schon.
Stille.
Endlich.

'Wo ist sie denn?', schoss es dir plötzlich in den Kopf und du beschließt nach der Frau zu sehen, die hier eigentlich wohnte. Du setzt deine Beine in Gang, um den schmalen Korridor leise und vorsichtig entlangzulaufen. Der Teppichboden fühlte sich warm und weich unter deinen Füßen an.
Dieser Ort war so gemütlich. Eine Schande ihn so bald wie möglich wieder verlassen zu müssen.
Du gehst nun auf die Schlafzimmertüre im Korridor zu. Deine Hand legte sich auf den glatten goldenen Türknauf und du drehst ihn etwas zur Seite, bis sich die Türe mit einem Knarren öffnen lies. Es war vielleicht nicht so laut, wie es scheint, aber durch die Stille um dich herum hörte sich dieses eine Geräusch geradezu ohrenbetäubend an. Alles war soviel lauter, wenn alles um einem herum einmal still war.

Du streckst deinen Kopf etwas durch den von dir geöffneten Türspalt und warst überrascht, als du ein komplett leeres Bett vorfindest.
Irritiert öffnest du die Türe nun komplett und machst ein paar Schritte in das Zimmer um dich auch hier umzusehen. Du warst schon letzte Nacht hier drin gewesen, um ihr frische Klamotten zu suchen, aber es war auch ziemlich dunkel gewesen. Die Möbel und alles konntest du nur schwer erkennen durch das Licht, das von draußen gekommen war.
Das Zimmer war ordentlich und gemütlich. Mit einem noch weicheren Teppichboden wie im Rest des Apartments. Hellen Holzmöbeln und einem relativ großen Bett. Die weißen Laken waren ordentlich zusammengefaltet und die Kissen auch aufgeschüttelt. Das Fenster gegenüber der Türe, vor der du wie angewurzelt standst, war gekippt und es drang kühle Luft hinein.

Sie schien nicht hier zu sein.

Du beschließt das Fenster zu schließen.
"Ziemlich unachtsam das Fenster einfach offen zu lassen, wenn man alleine wohnt", grummelst du vor dich hin. Deine Hand ruhte auf der Klinke des verschlossenen Fensters und deine Augen wanderten auf den kleinen Vorgarten, der mit Schnee bedeckt war, des Motels und zu den anderen Häusern. Das Apartment war nicht zu hoch. Es war im ersten Stock von den drei die du letzte Nacht beim Herlaufen hast zählen können.

Für einen Moment hättest du schwören können, du hättest einen Schatten vorbeihuschen sehen. Verwirrt reibst du deine Augen und blinzelst hinaus an dieselbe Stelle zwischen den Häusern, wo du den Schatten noch gesehen hattest, aber du konntest nichts erkennen. Die Sonne schien träge durch die dicken und dunklen Schneewolken. Der Schnee, der zusätzlich fiel, machte das Sehen ebenfalls noch schwerer.

'Ich habe einfach schlecht geschlafen und bin erschöpft...', redest du dir ein. In gewissermaßen war das auch keine Lüge. Du hattest vielleicht viel geschlafen, aber du fühlst dich als hättest du nicht geschlafen. Dein Magen knurrte trotz der Mahlzeit, die Hawks dir letzte Nacht gezaubert hatte.

'Wo zum Teufel ist Hawks überhaupt hin?!' Du stampfst vom Fenster weg und hinaus aus dem Zimmer ins Wohnzimmer.

Das Geschirr, dass du auf dem kleinen Sofatisch hast liegen lassen, war verschwunden. Die offene Küche, war auch auf den ersten Blick sauber.
Einen kurzen Blick in das Bad. Auch das war sauber.

'Was ist hier passiert? Hat sie alles geputzt und ist einfach gegangen? Warum hat sie mich einfach liegen lassen?' Nachdenklich läufst du im Wohnzimmer auf und ab. Oder war es doch Hawks gewesen, der dich dann weiterschlafen lassen hat? Energisch schüttelst du den Kopf.
'Das macht keinen Sinn. Wo ist diese Frau dann hin? Einfach gegangen? Sie war letzte Nacht völlig unter Drogen. Ist Hawks mit ihr zum Arzt?'

Deine Augen blieben an einer Reihe Bilder hängen, die an der Wand hingen. Auf ihnen konntest du dieselbe Frau erkennen wie von letzter Nacht. Sie hatte dunkle Haut und unglaublich viele dichte dunkle Locken. Auf jedem Bild schien sie zufrieden zu lächeln und zeigte auch hier und da ein perfektes strahlendes Grinsen. Du betrachtest die Bilder genauer. Urlaubsfotos auf einer Insel. Das Sonnenlicht spiegelt sich auf dem Wasser wider und die Wellen hatten zahlreiche Muscheln an Lang gespült. Ein weiteres Bild von ihr in den Bergen. Alles war in ein wunderschönes Weiß getaucht. Bilder von ihr und einer Gruppe von Menschen. Familie oder Freunde? Beides? Der Bilderrahmen war ein dunkles Braun und hatte am linken unteren Eck eine kleine Gravur.

‚Terra.' Das war das Wort, das du aus dem Geschnörkel hast entziffern können. ‚Ist das ihr Name?' Du trittst etwas weiter weg von den Bildern, um sich nochmal auf dich wirken zu lassen, aber du kannst nichts wirklich Auffälliges feststellen.

'Sie scheint eine normale frau mit einem normalen Leben zu sein...aber warum lebt sie dann alleine in einem Motel?'

Du fühlst, wie dich die Müdigkeit einholt. Dein Kopf schmerzte nach wie vor.
"Scheiße", fluchst du und lässt dich auf das Sofa fallen, auf dem du bis vor kurzem noch geschlafen hattest. Es ging dir nicht aus dem Kopf. Die momentane Situation. Dabi

Du kanntest ihn kaum, aber er hatten den Eindruck gemacht, als würde er nicht aufhören nach dir zu suchen, bis er dich gefunden hatte.

'Er hat mich doch bestimmt schon gefunden und weiß ich bin hier. Immerhin hat er mich letzte Nacht hierherlaufen sehen, verdammt...'

Als du dich an Dabi's eiskalten Blick wieder erinnerst, lief dir ein Schauer über den Rücken. Wie konnte eine einzige Person dir nur so viel Sorgen bereiten. In nur so kurzer Zeit? Das war doch völlig verrückt.

'Was wohl mit Hawks ist?'

Immerhin hatte er gemeint, er würde ein Auge auf dich behalten, um dich zu beschützen. Jedoch war gerade er einer der Helden, denen du am wenigsten trauen wolltest. Er gab eine Aura von sich, die dir nicht geheuer war. Nicht vertrauenswürdig. Du warst nach wie vor eine Verbrecherin und er ein Held. Seine Aufgabe bestand darin Leute wie dich Dingfest zu machen und nicht laufen zu lassen und zu verschonen.

Seufzend legst du deinen Kopf gegen die Rückenlehne und starrst nachdenklich an die Decke. Die Tatsache, dass dieser Typ Dabi in deinem Kopf so herumspuckte, passte dir nicht. Er hinderte dich daran einen klaren Gedanken zu fassen.

'Würde man mit ihm reden können, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte?'

Belustigt über deine eigene dümmliche Idee, mit Dabi vernünftig reden zu können, gabst du ein leises Kichern von dir. Ja, du kanntest ihn kaum, aber dir war klar, dass er nicht der Typ zum Reden war. Daran gedacht zu haben war absolut bescheuert.

'Ganz bestimmt nicht.'

Jedoch würde dir keine andere Wahl bleiben, als ihn zu konfrontieren, denn er würde dich früher oder später eigenhändig aus deinem Versteck ziehen. So viel war sicher. Er wusste, dass du hier warst. Demnach musstest du dich vorbereiten, dich auf die Suche nach ihm zu begeben und ihm unter die Augen zu treten.

'Soll ich lügen? Soll ich die Wahrheit sagen? An der Wahrheit war aber auch nichts Verwerfliches dran...Was ist, wenn er sie mir nicht glaubt?', schoss es dir durch den Kopf. 'Warum juckt mich seine Einschätzung so sehr?'

Energisch schüttelst du den Kopf und setzt dich wieder aufrecht hin und siehst aus dem Fenster, das vor der Couch war. Der Schnee fiel schwer und der Wind zerrte energisch an den Hausmauern.

'Wenn er mir nicht glaubt und versuchen sollte, mich umzubringen, dann habe ich keine andere Wahl als ihm zuvorzukommen.'

Twin FlamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt