Kapitel 2

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Grummelnd wälzt du dich herum, und öffnest einen kleinen Spalt weit deine Augen. Du lagst seitlich in einem Bett und durch einen Rollladen fällt ein kleines bisschen Sonnenlicht. Über deiner Hüfte lag ein Arm, der von Narben übersäht war. Dir war mollig warm und es schien zum ersten Mal seit langem, dass du wieder gut schlafen hast können. Seufzend kuschelst du dich etwas weiter nach hinten an den Unbekannten...bis dein Hirn schält.

'Das ist nicht...', erschrocken schreckst du auf und siehst dich um.

Das hier wo du dich befandest, war nicht dein eigentliches Versteck. Es war ein ziemlich schön hingerichtetes Zimmer mit Fernseher, von deinem momentanen Standort konntest du auch eine Küche und Badezimmer ausmachen.

"Scheiße", hörst du eine tiefe und rauchige Stimme neben dir leise Grummeln und siehst an dir herab. Neben dir lag ein relativ großer Mann, mit schwarzen wirren Haaren. Seine Arme waren übersäht mit denselben Narben und sie schienen sich über den größten Teil seines Körpers zu erstrecken. An den Teilen, wo sich Narben von unversehrter Haut unterschied, siehst du einzelne Klammern, die fest an die Haut geklemmt zu sein schienen.

Der Mann hatte seinen Arm über seine Augen gelegt und die andere Hand ruhte auf seiner Brust.

Du verziehst das Gesicht und stießt ihn etwas unsanft an der Seite an woraufhin er blitzschnell nach deinem Handgelenk packte und es in seiner Hand quetschte. Seine Hand war unglaublich warm. Für dich angenehm warm.

"Hey, was soll das hier?", fragst du ihn und siehst zu, wie er langsam seinen Arm vom Gesicht nahm. Die Narben gingen tatsächlich von seinem Hals bis zum unteren Kiefer und auch unter seinen Augen hatte er dieselben. Er fixierte dich mit seinen blauen Augen. Er sah noch etwas verschlafen aus.

"Dasselbe könnte ich dich auch fragen. Was soll das hier?", wiederholte er deine Frage und deutete mit seinem Kinn auf deine Hand.
"Du hast mich hierhergebracht. Ich habe also das Recht zu erfahren, was du von mir willst", konterst du. Er gab ein grunzendes Geräusch von sich und seine Mundwinkel zuckten ein wenig.
"Hast du einen Schurken gerade wirklich über deine Rechte aufgeklärt?", fragte er belustigt, als er sich langsam aufsetzte und streckte.

'Du verdammter...'

Du beißt dir auf deine Zunge, um gegen den Drang anzukämpfen ein dummer Kommentar abzulassen.

"Aber wenn du es wissen willst, und du solltest es wissen...ich bin auf der Suche nach Rekruten für unsere Gruppe", erklärte er schließlich und murmelte etwas leise vor sich hin wovon du so viel hören konntest, dass er der Einzige sei, der diesen Job von allen macht.
"Sorry, wenn ich dich enttäuschen muss, aber ich kann und werde eurem kleinen Grüppchen nicht beitreten", schüttelst du mit dem Kopf und er sah über seine Schulter zu dir herüber.
"Und der Grund dafür wäre?"
"Muss ich das sagen? Ich glaube, dass es für dich nicht so wichtig sein kann", entgegnest du mit einem schlichten Achselzucken.

'Der Typ ist schon ein komischer Kauz. Kommt daher und denkt er kann mich anheuern nur, weil er mich gerettet hat.'

"Woher wusstest du, wo ich bin? Dieser Ort war absolut abgeschottet", fragst du ihn. Du hattest dich schon die ganze Zeit beobachtet gefühlt, aber konntest nicht ausmachen, von wo dieses Gefühl kam.

'War er das etwa?'

"Ich bin dir schon davor nachgegangen. Ich versuche aktuell zu bleiben, was die gesuchten Leute und Verbrechen angeht. Potenzielle Anhänger, verstehst du?"
Du nickst.
"Ich hab deinen Steckbrief gesehen und habe mich gefragt, was ein so junges Mädchen so früh schon kriminell lassen wird."
"Ich bin kein Mädchen", knurrst du.
"Ja, das sehe ich", schmunzelte er und musterte dich. "Aber wie gesagt. Du hast ziemlich früh angefangen, hier", er hielt ein paar Papiere hoch, die alle ein Bild von dir hatten. Jedes Jahr, seit man dich angefangen hat zu suchen ein neues.
"Du bist ja fleißig am Sammeln gewesen", knurrst du und versuchst sie ihm aus der Hand zu reißen, aber er zog sie noch rechtzeitig weg.
"Ganz genau. Ich habe die fleißig gesammelt. Du kannst deine persönliche Entwicklung schön mitverfolgen, schau", er stand auf und zeigte ein Bild nach dem anderen.
Wütend schaust du ihn an, aber er lächelte bloß selbstgefällig auf dich herab. Es schien ihm zu gefallen dich so bloßzustellen.

"Gib die her", wiederholst du und stehst etwas zu schnell auf. Dir wurde etwas schwindelig und du taumelst nach vorne. Der Mann fing dich auf. Du nutzt die Gelegenheit, um ihn umzuwerfen und die Papiere aus der Hand zu reißen.
"Nein, nicht!", rief er aus und versuchte sie dieses Mal wiederzubekommen, aber es gelang ihm nicht. Triumphierend lächelnd saßt du über ihm gebeugt und zerreißt sie vor seinen Augen.
"Jetzt kannst du wieder von vorne anfangen. Eine schöne Beschäftigung nebenher."
"Irgendein perverser Alte wird die schon bei sich haben", knurrte er und schob dich von sich, während er sich aufrichtete.

"Und warum hattest du von allen eines?", verärgert stemmst du die Hände in die Hüfte. Er sah dich nur an. "Wie heißt du überhaupt?"
Etwas regte sich in seinem ausdruckslosen Gesicht und er schien angestrengt nachzudenken.
"Hast du deinen Namen vergessen?", scherzt du und lehnst dich gegen die Wand.
"Dabi", sagte er kurz.
"Nur Dabi?"
"Das reicht für's erste", sagte er und lief an dir vorbei und zog die Jalousien etwas nach oben, um durch deren Spalt besser sehen zu können.

"Wurdest du etwa verfolgt?"
"Nein."
"Wo sind wir hier?"
"Ein Hotel."
"Du kannst als Schurke einfach in einem Hotel wohnen?"
"Scheiße stellst du viele Fragen", bemerkte er. "Die Besitzerin ist blind. Sie hat mich hier vor einigen Jahren schon aufgenommen. Sie hat keine Ahnung, wer ich wirklich bin."
"Oh", machst du bloß.
"Sonst noch irgendwelche Fragen, meine Liebe?", fragte er mit gesenkter Stimme.
Du schüttelst bloß den Kopf.

"Gut", er schlendert langsam vom Fenster ans Bett und setzte sich. "Dann bin ich jetzt an der Reihe mit Fragen.
Verwirrt siehst du Dabi an und er zuckte mit den Schultern. "Seh's wie eine Art Bewerbungsgespräch."
"Ich hab doch gesagt, dass ich nicht bei deinem gruppending mitmachen werde!"
"Warum denn nicht?"
Du verstummst einen Moment und siehst ihn nur an. Bei allen anderen hättest du versucht so schnell die Fliege zu machen wie möglich. Mit allen dir zur Verfügung stehenden Mitteln. Bei ihm jedoch...

...seine Präsenz hatte etwas vertrautes und du konntest nicht ganz schließen, weshalb er so auf dich wirkte.

"Also?", fragend hob er eine Augenbraue.
"Ich bin einfach besser alleine unterwegs. Ich kann das Gruppending einfach nicht", murmelst du und reibst dir über deine Handfläche.
"Ja, das hab ich gestern gesehen", sagte er mit einem sarkastischem Unterton.
"Was soll das heißen? Ich hab die Typen ganz gut alleine hinbekommen!", riefst du empört aus.
"Mag sein, aber du hast deine Spezialität überanstrengt", seine Stimme sank etwas und er beugte sich etwas nach vorne. Seine Arme ruhten auf seinen Beinen und die Hände baumelten lässig herab. "Wenn ich dich gestern nicht gefunden hätte, hätten die Helden, die einige Minuten später eingetroffen sind, dich an einen schlimmeren Ort gebracht als diese Erziehungsanstalt."
Bei diesen Worten zuckst du etwas zusammen.

Du wolltest unter keinen Umständen an diesen Ort zurück. Und etwas schlimmeres? Unvorstellbar.

"Woher weißt du-"
"Stand alles drauf", unterbrach er dich und deutete auf den zerrissenen Papierhaufen auf dem Boden. "Hör mal. Ich lege es dir nur nahe, dass deine Überlebenschancen in einer Gruppe einfach steigen. Auch wenn es nur eine weitere Person ist."
"Bist du etwa der einzige in der Gruppe und willst nur jemanden, der dir Gesellschaft leistet?", lachst du bitter.
"Nein. Wir sind schon ein paar", sagte er. "Y/N."

Es war das erste Mal, dass er deinen Namen in den Mund nahm und er hörte sich dabei schon fast flehend an.

"Warum bist du so versessen darauf, dass ich überlebe?", platzte es aus dir unüberlegt heraus.
Jetzt war es Dabi, der für einen Moment schwieg und wieder angestrengt nachdachte.
"Das ist nicht wichtig", sagte er bloß. Eine Antwort, die dich nicht zufriedenstellte, aber dennoch sagtest du nichts weiter dazu. Tatsächlich warst du ihm eher dankbar dafür, dass er sich in gewisser Maßen um dich sorgte. Oder war es weniger Sorge und mehr Eigennutz?

"Okay, ich komm mit deiner dämlichen Gruppe mit", seufzt du geschlagen.

Wenn sich Dabi nicht so um dich sorgen würde, hätte er nicht all diese Dinge gesammelt und sich die Mühe gemacht dich zu finden. Dich zu überreden, mit ihm zu kommen.
Oder hatte er dich für seine Sache einfach ausgelesen? Hat er ein größeres Ziel in seinem Leben, wofür er dich unbedingt brauchte, um es zu verwirklichen?

Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. "Hab's auch nicht anders erwartet."
"Was hättest du gemacht, wenn ich ein für alle Mal abgelehnt hätte?"
Grinsend stand er auf und lief auf dich zu. Kurz vor dir machte er halt. Sein Gesicht war so nahe an deinem, dass sein Atem über deine Lippen strich. Ein leichter Geruch von Zigaretten und Feuer stieg dir in die Nase.

"Dann hätte ich dich umgebracht."

Twin FlamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt