17.Dezember

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Geschrieben von krissi14pt

Haikyuu Adventskalender (Sakuatsu)

Die Klinke fühlt sich kalt an. Das leicht raue Metall wird langsam warm unter meiner Hand. Mein Körper zittert und meine Beine drohen unter mir nachzugeben. Um mich zu beruhigen, lehne ich meinen Kopf gegen das glatte Holz der Tür. Die Kälte des Holzes überträgt sich auf meine Stirn, doch der Schmerz dahinter bleibt. Die Gedanken in meinem Schädel spielen verrückt. Wie konnte das passieren? Was mache ich jetzt? Sie schwirren störend, wie ein Schwarm von Bienen herum und halten mich davon ab, in diesen unheilvollen Raum zu treten. Es dauert eine Ewigkeit, aber ich kann sie ausblenden und mich dazu bewegen einzutreten.

Da liegt er, blass und mit Kabeln und Geräten verknüpft. Ich will weinen, schreien, um mich schlagen und alles zerstören, doch ich kann nicht. Ich bin einfach zu erschöpft.

Vor seinem Bett geben meine Knie nach und ich stürze auf sie. Hilfesuchend greife ich nach oben und finde seine Hand. Ich halte mich an ihm fest, umklammere seine Finger, als gehe ich gleich unter. „Hallo Omi-Omi, wie geht es dir?", flüstere ich mit heißerer Stimme. Es kommt keine Antwort. Wie auch? Und plötzlich bricht alles über mich herein. Langsam spielen sich die Erinnerungen an diese schreckliche Szene vor meinem inneren Auge ab und verzweifelt schluchze ich. Er hat mich beschützt. Wieso? Ich sollte in diesem unbequemen und kalten Bett liegen. Ich sollte an diese vielen Kabel geknüpft sein. Ich sollte nicht mehr atmen!

Das Schluchzen wird kräftiger. Endlich rinnen Tränen über meine Wangen. Doch die warme Nässe verstärkt den Schmerz in meinem Körper nur. Ich stehe innerlich in Flammen und werde langsam in diesem Höllenfeuer niedergebrannt.

Eine warme Hand berührt meine Schulter. „Steh auf", sagt Osamu, mit brüchiger Stimme. Ich bleibe sitzen, klammere mich an die kalte Hand. „Komm schon, steh auf!", sagt er wieder, diesmal mit mehr Mut und Druck. Ich schaue auf. Er hält mir die andere Hand hin.

Langsam lasse ich Kiyoomi's Hand los und ergreife stattdessen Osamu's warme. Er schaut mich an und ich weiß bereits was er vor sich sieht. Ich bin ein kleines Häufchen Elend. Mein Blick ist gebrochen, etwas in mir ist zersplittert. Diese Scherben schmerzen, reißen Wunden in meine Haut, welche sich entzünden. Doch der Schmerz tut auf eine seltsame Weise gut, er hält mich davon ab zu sterben. Dennoch verblasse ich, und Osamu sieht das.

Er zieht mich hoch und mit wackeligen Knien stolpere ich zu einem der beiden Stühle in dem Raum. Schwerfällig lasse ich mich fallen und schaue aus dem kleinen Fenster. Die Gebäude sehen trist und düster aus. Farbe existiert nicht mehr. Die Winterdekoration, die überall hängt ist nicht mehr farbenfroh wie am Vormittag, sondern grau und dunkel. Die kahlen Bäume scheinen mit ihren leeren Händen nach oben zu greifen, ohne irgendwas zu fassen. Sie hatten keinen Halt und waren dennoch an diese schreckliche Welt gebunden.

Mein Blick wandert zurück in das Zimmer und fällt auf die Maschinen neben seinem Bett. Leises Summen erfüllt den Raum und eine der Maschinen piepst regelmäßig. Ich lasse den Blick weiter schweifen, bis er schließlich auf seinem Gesicht landet. Es ist bleich, seine Lippen leicht blau und seine Haare sehen nicht mehr fluffig weich aus.

Erneut schluchze ich und muss mir mit einer Hand an die Brust fassen, den Schmerz in meinem Herzen kaum ertragend. Er soll wieder aufwachen. Er soll wieder meckern, wenn ich die Wohnung nicht so ordentlich geputzt habe. Er soll wieder meine Hände mit Desinfektionsmittel nach einer Zugfahrt einsprühen. Er soll mich wieder ermahnen, wenn ich wieder irgendeinen Mist gemacht habe. Er soll einfach nur zurück kommen.

In den zwei Monaten danach lebte ich wie ein Schatten meiner selbst. Ich aß, trank und schlief kaum, dachte immerzu an ihn. Das Training besuchte ich ebenfalls nicht für lange drei Wochen und verpasste sogar ein Spiel. Jedoch konnte Samu das nicht zulassen, hatte mich in einer der Parks aufgegabelt, in denen ich mich aufhielt, da ich es Zuhause nicht ertrug und hatte mir mehrmals eine verpasst. Das rüttelte mich schließlich wieder wach und ich begann mich, angefangen bei einer heißen Dusche, ein wenig aufzurappeln.

Jetzt bin ich wieder im Krankenhaus und habe mich auf den Weg zu Kiyoomi's Zimmer gemacht. Doch bereits am Ende der Treppe stelle ich mir die Fragen, die mich bereits seit längerem Quälen, erneut.

Wieso wacht er einfach nicht auf? Seine Werte sind doch deutlich besser. Seit zwei Wochen ist er bereit jeden Tag aufzuwachen, wieso wacht er nicht auf? Die Gedanken schwirren durch meinen Kopf und lassen mich verzweifelt aufseufzen. Ich gehe den Gang, welcher mit grellem Licht beleuchtet ist, entlang und grüße nebenbei die Krankenschwester, die an mir vorbei läuft.

Sie weiß, wohin ich gerade gehe, schließlich gibt es keinen Tag, an dem ich die Besuchszeiten nicht voll nutze. Schwer ist mir mein Leid aber auch nicht anzusehen, denn die gebückte, erschöpft Haltung und die tiefblauen Augenringe erklären bereits fast die ganze Geschichte.

„Hallo Omi-Omi", grüße ich leise und mit gesenktem Kopf den stummen Patienten. „Hallo Tsumu", kommt jedoch eine Stimme zurück. Ich reiße die Augen auf. Das war seine Stimme. Diese Stimme, zu lange habe ich sie nicht mehr gehört. Zu lange habe ich meinen Namen nicht mehr so liebevoll gehört.

Langsam hebe ich meinen Kopf und sehe, nur noch verschwommen, meinen Omi-Omi aufrecht im Bett sitzen. Seine Haare sind platt und sehen verwuschelt aus und auch seine Hautfarbe sieht nicht sehr kräftig aus, doch er ist wieder bei mir.

Laut schluchzend renne ich zu seinem Bett und ziehe ihn in meine Arme. Seinen warmen Körper so gut es geht an mich gepresst zu haben ist das Beste, was es in diesem Moment gibt. Die Tränen rinnen wie Wasserfälle meine Wangen hinab und tropfen auf Kiyoomi's Kopf, doch das interessiert weder ihn noch mich in diesem wunderbaren Moment.

Nachdem ich mich wieder halbwegs beruhigt habe, legen wir uns zusammen in das ungemütliche Krankenhausbett. Seine Arme hat er um meine Taille geschlungen und mein Kopf ruht auf seiner Brust. Wegen den vielen Nadeln, Röhrchen und Schläuchen habe ich zwar ein wenig Angst ihm weh zu tun, doch er beruhigt mich, indem er mir erzählt, dass vorhin bereits eine Krankenschwester da war und ihm starke Schmerzmittel verabreicht hat.

Ich hab ihn wieder. Ich hab meinen Engel zurück. Sein Duft umhüllt mich und meine Muskeln entspannen sich. Meine Augenlider werden immer schwerer und in dem Glauben, einen wunderschönen Traum zu träumen versuche ich sie offen zu halten. Allerdings beginnt Kiyoomi jetzt auch noch mir behutsam, mit seinen endlich wider warmen Händen, über den Rücken zu streichen. Jetzt packt mich die Müdigkeit ganz und mit einem letzten liebevollen Satz von Kiyoomi schlafe ich ein.

„Ich liebe dich, Atsumu und ich bin wieder zurück, also mach dir keine Sorgen und schlaf."

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