eins

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Simon und Yukos Bus würde eine halbe Stunde früher kommen als Tamaras. Und weil es auf dieser Buslinie ohnehin gefühlt immer Verspätung gab, stand ich jetzt schon bereits fünfzehn Minuten in der Kälte, und weil ich noch dazu Handschuhe und Mütze zu Hause vergessen hatte - ich hatte einfach nur schnell aus dem Haus gewollt, um mir nicht noch weiter Mums Predigten anhören zu müssen - und jetzt klapperten meine Zähne vor Kälte.

Der Bus kam und die Türen öffneten sich, während zuerst Simon und dann Yuko aus dem Bus traten. Einen kurzen Moment lang überlegte ich, sie zu umarmen, ich war unschlüssig, doch dann beschloss ich, es sein zu lassen. Bei Tamara wäre es gar keine Frage gewesen, ob wir uns umarmten, sondern eher wie lange. Wir kannten uns schon Ewigkeiten, aber bei Simon und Yuko war das... keine Ahnung... anders.

Ich konnte das selbst nicht genau benennen - es war eher wie ein ungeschriebenes Gesetz, das wir untereinander aufgestellt hatten: Wir zeigten uns unsere Zuneigung nicht körperlich. Ich wusste nicht, warum. Auch, wenn ich Mum und Dad gegenüber schon SO oft betont hatte, Simon wäre nur ein Freund - und das war er ja wirklich, ich hatte nie mehr für ihn empfunden - so fand ich es trotzdem immer ein wenig... kritisch, mit Jungs Umarmungen auszutauschen. 

Und mit Yuko... keine Ahnung, es war nur ein Gefühl, eine leise Vorahnung, aber bei ihr war ich mir einfach nicht... sicher. Während ich Tamara und Simon schon gefühlte Ewigkeiten kannte, war ich mit ihr erst seit Beginn der sechsten Klasse befreundet - was ja inzwischen schon mehr als ein drei Monate war, aber es fühlte sich trotzdem so an als... wüsste ich nicht, wie Yuko darauf reagieren würde, auch, wenn sie mir extrem wichtig war.

Und ja - das gab ich zu - hatte ich auch ein bisschen Angst davor, einen "Fehler" zu machen - einfach, weil ich nicht genau wusste, was sie jetzt als "okay" empfand und was nicht. - Zumal wir zwar viel Zeit miteinander verbrachten, aber nur selten wirklich... redeten. 

Ich war mir bei den beiden einfach nicht sicher, wie es rüberkommen würde, sollte ich sie einfach aus einem Impuls heraus umarmen. Und ja, manchmal hasste ich mich dafür, immer viel zu viel nachzudenken anstatt einfach zu handeln, aber das war nun mal ich.

Simon und Yuko stellten sich links und rechts von mir auf und begannen, beinahe zeitgleich auf mich einzureden. "Du kannst dir nicht vorstellen, welchen-", fing Yuko an, während Simon verkündete "Aber nur, weil dieser dumme Zug immer Verspätung hat"

"Du zuerst", sagte Yuko. "Dann ich."

Doch noch bevor Simon zu erzählen beginnen konnte, öffneten sich die Türen des eben stehen gebliebenen Busses und Tamara stürzte heraus. "Heyyy!", rief sie, während sie mich in die Arme schloss. "Eine Wahnsinnskälte, hm?", fragte sie an meine Schulter, während ich ihr Vanille-Shampoo roch, das mir beinahe so vertraut war wie mein eigenes. 

Bei Tamara achtete ich nie darauf, was ich sagte, so wie ich es bei Yuko tat. Bei Tamara gab es kein Richtig und kein Falsch. 

Sie löste sich von mir und drückte jetzt auch noch Simon und Yuko. "Es ist wirklich scheiße kalt", merkte ich an, einfach, weil ich die darauffolgende Stille durchbrechen wollte und Tamara sagte: "Cool, Simon, dass du doch kommen durftest"

Wir setzten uns langsam in Bewegung.

"Doch?", fragte Simon. "Stand das denn in Frage?"

Tamara sah mich mit einem Blick an, der eindeutig besagte "Darf ich es sagen?" und ich zuckte die Schultern. 

"Ihre Eltern sind ziemlich streng, was... Besuche von Jungs angeht", sagte sie.

"Sehr diplomatisch formuliert", verkündete ich. "Aber man könnte auch sagen, sie hätten beinahe nicht erlaubt, dass du bei mir schläfst, Simon. Als ob das eine Möglichkeit wäre."

"Warum nicht...?", fragte Yuko langsam.

"Weil... keine Ahnung, es steht außer Frage, dass ich etwas mit Simon anfange. Sorry, nichts gegen dich, Si"

"Same", lachte er. "Glaub mir, du bist wie eine Schwester."

"Eben, Bro", grinste ich zurück.

Als ich einen Blick nach links warf, wo Yuko neben mir herging, spürte ich, wie sie mich ansah. "Ist etwas?", fragte ich leicht irritiert. 

"Nein, nein", sagte sie zerstreut. "Sorry, war grad in Gedanken ganz woanders."

Doch den Rest des Weges konnte ich ihren Blick richtig spüren - So, als wolle sie etwas wissen, von dem ich selbst nichts wusste.

a million feelings - and you inbetween (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt