Ich hatte die Nacht dann tatsächlich bei Tamara verbracht, schluchzend in ihren Armen. Ich hatte ihr nicht gesagt, was geschehen war, doch das war nicht nötig. Sie sah, dass es mir schlecht ging und war einfach nur für mich da.
Der nächste Tag war ein Sonntag und ich sagte Yuko mit einer fadenscheinigen Ausrede ab, die mich fragte, ob wir etwas miteinander unternehmen könnten. Ich verbachte den Tag in meinem Bett, heulend, mit Tamara und Simon schreibend und Tobys Nachrichten ignorierend. Irgendwann blockte ich ihn, auch, wenn ich wusste, dass er genau genommen nichts dafür konnte.
Ich hatte Angst vor Montag. Angst davor, so tun zu müssen, als wäre alles in Ordnung, Angst davor, Yuko in die Augen zu sehen.
Tamara wusste noch immer nicht, was geschehen war, doch als ich ihr anvertraute, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte, versprach sie mir, immer hinter mir zu stehen und allen eine zu verpassen, die mir etwas tun wollten. Das tat gut.
Ich verkroch mich in meinem Zimmer, doch irgendwann war er da, der Montagmorgen. Mit einem schlechten Gefühl im Bauch stieg ich in den Bus und ließ mich neben Tamara fallen. "Hey", sagte sie und umarmte mich. "Was es auch ist, wir finden eine Lösung, okay?" "Okay", sagte ich, während ich dachte: Nicht okay. Niemand kann eine Lösung finden auf das, was ich getan habe.
Nach Englisch hatten wir Ethik, ich hatte Angst davor. Yuko schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte, dennoch griff sie unter dem Tisch nach meiner Hand und drückte sie. "Alles okay bei dir?", fragte sie. "Ja", gab ich leise zurück und tat wieder so, als wäre ich höchst interessiert in die Bedeutung von Menschenrechten.
In der großen Pause geschah das, wovor ich mich am meisten gefürchtet hatte. Ich saß mit Tamara, Simon und Yuko auf unserem Stammplatz, an Tamara gelehnt, um nur ja Körperkontakt mit Yuko zu vermeiden, als Toby auf uns zukam.
"Sandy", sagte er mit Blitzen in den Augen. "Entschuldige dich gefälligst."
Die anderen sahen mich mit fragendem Blick an, ich wich ihnen aus und starrte zu Boden. "Es gibt nichts, wofür sie sich entschuldigen müsste", gab Tamara zurück und ich liebte sie dafür, dass sie mir zur Seite stand, aber das war genau das Falsche gewesen.
"Ach, echt?", fragte Toby mit herablassender Stimme, die immer lauter wurde. "Also ist es in deinen Augen okay, wenn diese kleine Schlampe sich zuerst von mir ficken lässt, mir dann eine reinhaut und mich blockt?" Er sah mich so bedrohend an, das mir wieder angst und bange wurde. Aber das war im Moment nicht mein Hauptproblem.
Tamara war es egal, ob das, was er sagte, stimmte oder nicht. Sie blitzte ihn nur an. "Verpiss dich auf der Stelle", sagte sie und tötete ihn beinahe mit ihren Blicken. "Komm, Simon, wir holen einen Lehrer", sagte sie, während die beiden aufstanden, doch da war Toby schon verschwunden. "Wir sprechen uns noch", zischte er mir zu. Tamara und Simon folgten ihm, dann waren Yuko und ich alleine.
"Stimmt das?", fragte sie mit bebender Stimme. "Bist du deswegen schon die ganze Zeit so komisch?" "Nein, so war das nicht", protestierte ich. "Ich war betrunken" Auch wenn das nicht stimmte. Ja, ich hatte Alkohol intus gehabt, aber nicht so viel, dass es meine Sinne benebelt hätte. "Also stimmt es", sagte sie leise. "Ich dachte wirklich, du magst mich und dann hast du, sobald du Zeit gefunden hast, mit einem anderen geschlafen. Sandy, das tut weh" "Ich habe nicht mit ihm geschlafen, wirklich nicht!", sagte ich und spürte zu meinem Entsetzten, wie mir schon wieder die Tränen kamen. "So weit sind wir nicht gekommen, wirklich."
"Sandy, das hilft genau gar nichts", sagte Yuko und ich bemerkte, dass auch sie weinte. "Ich hätte wirklich gedacht, du würdest mich mögen und es hätte dir gefallen, wenn wir Zeit miteinander verbracht oder uns geküsst haben. Dabei war dir das egal!"
"Es war mir nie, nie, nie egal!", beschwor ich. "Und das mit ihm hatte nichts zu bedeuten, ich hab mich einfach nur scheiße gefühlt und nicht nachgedacht"
"Wenn es dir scheiße gegangen wäre, HÄTTEST DU ZU MIR KOMMEN KÖNNEN!" "Es... es ging nicht.", flüsterte ich. "Ach, und wieso nicht?", fragte sie leise. "Weil... es ging nicht, es ging wirklich nicht. Ich war mir so unsicher, was das alles betrifft."
"Weißt du was, Sandy, hör auf. Hör einfach auf. Ich habe auch gezweifelt, ich glaube, das ist bei jedem so, aber ich habe mich nicht von dem ersten Typen, der mir begegnet ist, deswegen ficken lassen!" "Ich habe nie-" "HÖR ENDLICH AUF, DARAUF HERUMZUREITEN!", rief sie mit schriller Stimme. "sondern gib wenigstens zu, dass ich dir nicht halb so viel bedeutet hast, wie du mir. Und glaub mir, du hast mir SO VIEL bedeutet!" Sie stand auf.
"Yuko...", schluchzte ich. "Bitte, probier, es zu verstehen. Ich habe nie mehr empfunden als in den Momenten, in denen wir uns körperlich sowie emotional so nahe waren. Aber es war einfach ein neues Gefühl, aber wir können..."
"Hast du es noch immer nicht verstanden?", sagte sie jetzt in normaler Lautstärke, aber in einem Tonfall, der sagte, dass sie aufs Innigste verletzt war. "Es gibt kein Wir mehr, ja? Es gab ein Wir und ich war glücklich in diesem Wir, aber du hast es zerstört. Du ganz alleine."
"Du glaubst gar nicht, wie leid es-", sagte ich, aber da war sie schon mit schnellen Schritten davongestürmt.
Ich glaubte mein Herz würde zerspringen, als ich sah, was sie zurückgelassen hatte. Die Kette, die wir gemeinsam hergestellt hatten in Werkerziehung, ein Herz, eine Kette, die wir beide von da an immer getragen hatten.
Ich schluchzte erneut auf.
Warum war ich nur so eine Idiotin?
Warum konnte ich nicht einmal etwas Richtiges tun?
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a million feelings - and you inbetween (gxg)
RomanceWenn Sandy eines nicht wollte, dann eine Beziehung. Weder verspürt sie das Bedürfnis, jemanden zu daten, noch fühlt sie sich zu einem ihren Klassenkollegen hingezogen. Doch dann kommen plötzlich die Gedanken - Gedanken, die sie nie zuvor hatte, Bed...