Es war eins schon vorbei und Tamara und Yuko lagen links und rechts von mir, schlafend. Simon pennte auf einer Matratze auf dem Boden. Der Einwand "Da haben locker vier Platz" und "Was sollte schon mit drei Mädels passieren" waren an meinen Eltern abgeprallt und sie waren sogar kurz davor gewesen, ihn in ein anderes Zimmer zu verlegen, was wir aber zum Glück mit Lisas Hilfe hatten abwenden können.
Jetzt drehte Tamara sich auf die Seite und zog im Schlaf an meiner Decke, während Yuko wie versteinert dalag. Sie schnarchte leise, während sie da so neben mir lag, ein kleines Schniefen durch die Nase bei jedem Atemzug, bei dem ich nicht umhin konnte, es irgendwie süß zu finden. Ihr nackte Hand berührte meine und jedes Mal, wenn ich mir das bewusst machte, stellten sich alle meine Härchen auf.
Erst viel, viel später fiel ich in einen tiefen, von Träumen erfüllten Schlaf, an denen ich mich allerdings nicht mehr erinnern konnte. Das einzige, was ich wusste, war, dass ich mit einem dicken Grinsen im Gesicht aufwachte.
Tamaras Bus ging bereits um zehn, also beeilten wir uns mit dem Frühstück, bevor wie sie aus dem Haus warfen.
"Sorry, Girl, aber du wirst nicht zu Bushaltestelle begleitet, es ist viel zu kalt und zu früh dafür", grinste ich, als wir uns zum Abschied umarmten und Simon, der auch gerade durch die Haustür trat, weil er zu seiner Oma musste, die nur wenige Häuser weiter wohnte, verdrehte die Augen. "Unhöflich", brummte er, aber es war ein scherzender Unterton zu hören.
Danach waren Yuko und ich alleine in meinem Zimmer und es herrschte irgendwie eine seltsame, aufgeladene Stimmung, auch, wenn die vermutlich nur von mir ausging. "Wann geht dein Bus?", fragte ich, nur um die Stille zu durchbrechen.
"Elf Uhr elf", sagte sie. "Ich hoffe, es ist okay, wenn ich so lange bleibe?" Das war auch etwas Seltsames an meiner Freundschaft mit Yuko. Bei Simon oder Tamara war es nie eine Frage, ob etwas okay wäre - beide wären niemals auf die Idee gekommen, mich zu fragen, ob es mir etwas ausmachte, wenn sie länger blieben. Mit Yuko war einfach alles so... anders. Und ich wusste nicht einmal, warum.
Als wir weitere fünf Minuten schweigend nebeneinander auf dem Bett gesessen hatten, den Blick in unsere Handys gerichtet, hielt ich es nicht mehr aus.
"Ich hätte gerade total Lust, mich über irgendetwas zu unterhalten", sagte ich, auch, wenn das nicht der Wahrheit entsprach. Am liebsten hätte ich einfach nur über die vergangenen Stunden nachgedacht, aber diese Stille konnte ich noch weniger ertragen.
"Von mir aus", sagte Yuko. "Wenn du ein Thema vorschlägst, gerne"
"Boah... keine Ahnung", sagte ich, obwohl es so viel gab, über das ich gerne hätte reden wollen. "Sag du was, du bist der Gast"
Sie musste lachen. "Der Gast ist König, oder was?", fragte sie. "Aber okay, von mir aus. Lass mich kurz denken"
Sie legte ihre Stirn in Falten und schloss die Augen. Unwillkürlich betrachtete ich abermals ihre beinahe übertrieben symmetrischen Gesichtszüge, ihre vollen Lippen. Als ich mich bei dem Gedanken erwischte, meine auf ihre pressen zu wollen, war ich beinahe geschockt von mir selbst und schob ihn beiseite.
"Du weißt, was LGBTQ ist?", erkundigte sich Yuko irgendwann.
"Ähm... klar?", sagte ich langsam, nicht ahnend, worauf das Ganze hinauslaufen sollte.
"Ja, okay, nein, ich wollte nur mal fragen", sagte sie mit einem leisen Lächeln. "Unterstützt du das Ganze?"
In meinem Kopf überstürzten sich die Gedanken, doch betont ruhig gab ich zurück "Ja, natürlich. Ich meine, Liebe ist Liebe, daran kann man nichts ändern. Außerdem ist es doch egal, wen man liebt, solange man mit der Person glücklich ist, was meinst du?"
"Ja, klar", sagte sie und es wirkte, als würde sie sich innerlich gegen eine Konfrontation wappnen, doch sie erläuterte nicht mehr, sondern drehte sich um, um in ihrem Rucksack zu wühlen. Schneller als ich wusste, wie mir geschah, war sie aus ihrem Schlaf-T-Shirt und in einen weinroten Pulli geschlüpft.
Nur für ein paar Sekunden konnte ich ihren nackten Rücken sehen und mein Herzschlag verdoppelte sich, bevor sie sich wieder zu mir drehte.
Offensichtlich war sie sich keiner Schuld bewusst, denn sie knüpfte an das Gespräch von vorhin an, nichts ahnend, dass sie mich gerade mit einer einzigen kleinen Geste völlig aus dem Konzept gebracht hatte.
"Also, ich finde das gut, dass du da nichts dagegen hast", sagte sie und auch, wenn ich immer noch völlig drausgebracht war, konnte ich schön langsam erahnen, worauf sie hinauswollte. Dieses Wissen trug nicht gerade dazu bei, meine Aufregung zu steuern, doch ich versuchte, mich zu beruhigen.
"Ich finde es unnötig, warum jemand etwas dagegen haben sollte", sagte ich also nur. "Ich meine, es ist ja okay, wenn man selbst nur etwas für das andere Geschlecht empfindet, aber nur deswegen sollte man nicht über jemand anderen urteilen."
"Total", sagte Yuko und atmete noch einmal aus, bevor sie zu lachen begann. "Sorry, es ist gerade ein bisschen ein komischer Moment", lachte sie. "aber ich wollte dir einfach nur sagen, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass ich bi bin"
Obwohl ich eigentlich damit gerechnet hatte, verschlug es mir den Atem und der erste Gedanke, der mir kam, war das Bild ihrer nackten Haut.
"Das ist jetzt ein bisschen seltsam", sagte Yuko leise. "Vielleicht war es nicht der beste Moment, um mich zu outen, aber wir kennen uns jetzt schon länger und ich mag dich ziemlich gerne, also dachte ich, du solltest das... wissen"
Mir war klar, dass sie das große Überwindung gekostet haben musste, und dass ich jetzt eigentlich etwas Aufbauendes sagen sollte wie "Das verändert für mich nichts" oder "Geht doch völlig klar, danke, dass du es mir gesagt hast", aber das einzige, was in meinem Kopf wiederhallte war "Ich mag dich ziemlich gerne". In Dauerschleife.
"Ich mag dich auch ziemlich gerne", sagte ich jetzt also als einzige Reaktion. "Wirklich, Yuko" Auch, wenn mein Herz dabei schlug, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen.
"Ähm... gut", sagte Yuko und grinste.
Und dann umarmte ich sie.
Zum allerersten Mal.
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a million feelings - and you inbetween (gxg)
RomanceWenn Sandy eines nicht wollte, dann eine Beziehung. Weder verspürt sie das Bedürfnis, jemanden zu daten, noch fühlt sie sich zu einem ihren Klassenkollegen hingezogen. Doch dann kommen plötzlich die Gedanken - Gedanken, die sie nie zuvor hatte, Bed...