Ich sah über die Oberfläche des Sees, die bescheiden in der Sonne schimmerte und eigentlich sollte ich mir Gedanken darüber machen, dass wir vielleicht am falschen Ort waren, unsere Klasse vielleicht auch gar nicht kam, weil sie uns suchten und deshalb den Ausflug abgebrochen hatten und dass ich in der Obhut eines komischen Typen war, den ich geküsst hatte und der nichts für mich übrig hatte als seine kühle Arroganz. Vielleicht lag es an der Ruhe, die der Ort ausstrahlte oder die Unbekümmertheit, die von Jeremy ausging oder einfach ganz simpel der Rest Alkohol, der immer noch in meinem Kopf herumwaberte, aber diese ganzen Gedanken erschienen zweitrangig. Ich legte meinen Kopf schief und versuchte den Titel des Buches zu lesen, das Jeremy auf seinen Knien balancierte. Im Herzen der Zorn. Der angenehme lauwarme Wind strich durch seine Haare und ließ sie unordentlich wieder auf seinen Kopf fallen. Seine Gesichtsfarbe war immer noch bedenklich blass und ich fragte mich immer noch, was das vorher für ein Zusammenbruch gewesen war. "Wieso bist du eigentlich so arrogant?" Seine Augen verharrten und blickten zu mir auf. Die vorherige Verletzlichkeit, die darin gelegen hatte war der alten kühlen Abneigung gewichen. "Ich bin nicht arrogant.", sagte er ruhig und klappte das Buch zu. Bevor ich ihm widersprechen konnte, fuhr er fort. "Ich verachte die meisten Menschen bloß." Ich zog verärgert die Augenbrauen zusammen und sah ihn finster an. "Das ist ja auch viel besser." "Ich dachte du legst Wert darauf, dass man dir die Wahrheit sagt." Ich merkte wie meine Lippen sich zu einem Schmollmund verzogen, was wenig erwachsen war. Zu dem Schluss kam anscheinend auch er und senkte wieder den Kopf und weiter zu lesen. "Und was war das vorher?" Er hielt inne und beobachtete einen Marienkäfer, der auf seinen Knie gelandet war und die neue Umgebung erkundete. "Die Folge dessen, wenn ich die Verachtung für einen Menschen aufgebe." "So wie jeder sozial kompetenter Mensch." Er sah auf und zog eine Augenbraue hoch. Sein Blick war so herablassend, dass mir ein kälter Schauer über den Rücken lief. Sogar den Käfer hatte er netter angesehen. "Und du willst mir von sozial kompetenten Menschen erzählen?" "Was willst du damit sagen?" Er sah in die Bäume, die die Lichtung säumten. "Ich meine bloß, dass du in der Schule ja offensichtlich keine Freunde hast." Ich zog eine Augenbraue hoch. "Und du denkst, du könntest mit Menschen besser umgehen, bloß weil du ein paar Freunde hast?" "Nein. Ich sehe sie auch nicht als Freunde." "Wieso gibst du dich dann mit ihnen ab?" Er zuckte mit den Schultern und kramte in seinem Rucksack nach etwas. "Sie rennen mir nach." Ich schürzte meine Lippen, während er sich ein Bonbon zwischen seine Lippen schob. "Und du genießt es." Seine Augen musterten mein Gesicht zu genau und ich spürte seinen Blick wie ein unangenehmes Kribbeln. "Nein. Aber wenn sie darauf stehen rumzuschleimen und gerne in Ärsche kriechen, will ich sie nicht davon abhalten. Auch wenn sie die meiste Zeit nerven." Ich zeichnete mit meinem Zeigefinger eben Acht in den Staub neben mir. "Was finden Sie eigentlich an dir?" Ich hörte ein leises Schnauben. "Du kriegst nichts um dich herum mit. Kann das sein?" "Vielleicht interessiere ich mich bloß nicht dafür.", entgegete ich und hörte selbst wie nachdenklich meine Stimme klang. Ich hörte wie das Bonbon gegen seine Zähne schlug und leise klackte. Gerade als ich dachte er wollte antworten, schallte etwas durch die Stille, die doch keine war und nicht hierher gehörte. Es klang wie eine Band, die in einer Blechdose spielte. Er knurrte etwas unwillig vor sich hin und kramte aus seinem Rucksack sein Handy. Billy Talent spielte Tears into wine und er überraschte mich damit, dass er auch so etwas hörte. Genervt warf er einen Blick darauf und sein Gesicht hellte sich auf. Schnell hob er ab, ohne sich die Mühe zu machen wegzugehen oder leiser zu reden, als konnte es ihm nicht allzuviel ausmachen, wenn ich mithörte. "Hey, Corbin!" Man hörte das Lächeln in seiner Stimme und ich fragte mich, wer diese besondere Person war. Schweigen, während ich meinen Blick wieder schweifen ließ, natürlich nicht ohne weiter zuzuhören. "Alter, sei leise....Nein...Vielleicht." Längeres Schweigen. "Wow. Wie lange?...Mhm....Sehen wir mal wie lange du das aushältst...Mein Glückwunsch....Ja....Ciao." Und legte auf. "Du weißt, dass es unhöflich ist, jemand beim Telefonieren zu belauschen?", fragte er kühl und würdigte mich, während er sein Handy wieder verstaute, nachdem er es stumm geschalten hatte. Ich ignorierte seinen Vorwurf. "Wer war das?" und sah ihn immer noch nicht an. "Ein Freund." Ich wandte ihm meinen Kopf zu. "Du hast Freunde?" Er stöhnte genervt und ließ den Rucksack auf den Boden fallen, wo er dumpf aufschlug. Ich fragte mich wirklich, was er da alles drin hatte. "Einen und er hat an meinen Geburtstag gedacht." Bildete ich mir das ein oder schwang ein wenig Bitterkeit in seiner Stimme mit? "Wir waren früher in einer Klasse." Ich nickte und wusste nicht, ob ich weiter fragen durfte, ohne dass er wieder so kühl wurde wir davor. Auch wenn ich neugierig war. Und es mich unglaublich sehr interessierte. Bei ihm konnte man alles bloß falsch oder noch falscher machen. Dieser Junge machte mich noch verrückt... Wieso musste ich ihn eigentlich ertragen?
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So! Endlich ein neues Kapitel mit den beiden! :3
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× Messed & Broken Hearted ×
Teen FictionGegensätze ziehen sich an. Und wenn nicht zerfetzen sie einander. Jérôme und Jeremy hätten sich niemals vorstellen können, dass sie einander auch bloß nahe genug kommen würden, um die Augenfarbe des anderen zu erkennen. Aber man kann nicht alles pl...