Jérôme #12

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Der Regen hatte bloß Kälte und vereinzelte Wassertropfen auf den Fensterscheiben hinterlassen, gegen die sich jetzt der Nebel von außen wie mit eisigen Händen und Gesichtern drückte. Ich konnte nicht schlafen. Sein ruhiger Atem war eins der wenigen Geräusche neben den kalten Fingern des Windes, die durch die Baumwipfel strichen. Ein kurzer Blick auf sein Gesicht, hatte gezeigt, dass er jünger und friedlicher aussah, wenn er schlief. Meine Haut kribbelte in der Kälte und ich biss meine Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten. Wie schnell das Wetter doch umschlagen konnte und genauso verhielt es sich auch mit seiner Laune. Am Ufer des Teichs hatte er ausgeglichen und beinahe so gewirkt, als würde er das Gespräch willkommen heißen, und das Schweigen, dass zwischen den Sätzen wie ein Rhythmus mitzuschwingen schien. Doch als wir zurück gerufen wurden hatte er sich nicht einmal zurück in sein sarkastisches und arrogantes Ich verwandelt, sondern seine Augen hatten dunkler, unergründlicher gewirkt und so viel kälter, das mir ein Schauer über den Rücken gelaufen war, als sein Blick einen Moment lang meinen gestreift hatte. Und er hatte mir anscheinend noch nicht die Aktion von heute morgen verzogen, denn er verbannte mich auf den Boden des Zimmers. So war es auch dazu gekommen, dass ich mit der um meine Schultern gewickelten Decke fröstelnd am Fenster saß und den Nebelschwaden zusah, die immer dichter wurden und durch die silbrig der Mond schien, ohne selbst zu sehen zu sein. Ich hatte noch nie so dichten Nebel gesehen. Es war schön und doch hatte er etwas Angsteinflößendes und Respektforderndes an sich durch die Undurchdringlichkeit. Beinahe wie Jeremy... Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich wünschte mir eine Tasse Tee herbei und zog dir Decke fester um meine Schultern. Den ganzen Nachmittag, vom hellen Licht, das sich in seinen Haaren fing, wie Honigtropfen bis zu dem Jungen, der beinahe blicklos das Abendessen verschmähte, obwohl er nichts außer ein paar Schlucken Alkohol zu sich genommen hatte und einem Brot zum Frühstück und diesem undurchdringlichen Gesichtsausdruck hatte ich meinen Blick vergeblich von ihm zu wenden versucht. Als wir am Teich geredet hatten und ich die Bahnen der Kaulquappen und Libellen beobachtet hatte, wie sich das Licht in der Oberfläche brach und sich das Wasser leise kräuselte und dabei große Kreise schlug, hatte ich den Drang ihn anzusehen unterdrücken können. Ich hatte seinen Blick auf mir gespürt und mich gefragt, ob es ihm genauso schwer fiel mich nicht anzusehen wie es mir bei ihm erging, aber ich verwarf den Gedanken sofort wieder. Doch als das Schweigen eingetreten war, diese kleinen Etappen zwischen den sorgsam gewählten Fragen und Antworten, hatte ich mich nicht mehr zurück halten können. Wir beide näherten uns einander bloß wie scheue Tiere und ich wusste nicht einmal, ob er genauso ein Interesse daran hatte sich mir zu nähern, wie ich es ihm gegenüber empfand und doch war mein Blick über sein Gesicht gehuscht. Die langen Wimpern, die makellose Haut, die feinen und doch kantigen Linien, die in diesem Licht, ohne viele nennenswerten Schatten wieder blass und unsinnlich wirkten. Und trotz den Ecken und Kanten war er attraktiv, auf diese eigenwillige Art und Weise, die einem bloß noch besser im Kopf blieb. Es gab so viel mehr zu ertasten, als in runden Gesichtern. Und trotz der vielen Details hatte mich etwas anderes beschäftigt. Und zwar das Gefühl in meiner Brust. Es war dieselbe Sehnsucht wie früher schon, aber diesmal mischte sie sich mit einer Zärtlichkeit, die ich am liebsten abgeschüttelt hätte. Sie verwirrte mich und ließ mich in Erinnerung an sie jetzt nicht schlafen. Ich hatte sie nie zuvor gespürt und es war wie etwas, das einem die Luft abschnürt und gleichzeitig ein helles, warmes und alles lieblich aussehend lassendes Feuer in meiner Brust lodern. Und genauso sehr wie ich mir wünschte, diese Gefühle loszuwerden, was nicht einfach dadurch ging, dass man den Blick abwendete, wollte ich ihn weiter beobachten und sich das Gefühl ins Innerste meiner Selbst einbrennen lassen. Irgendetwas geschah mit mir und meiner Gefühlswelt, das mir neu und ein wenig gruselig vorkam aber gleichzeitig wollte ich mich weiter hinein wagen. Wie ein kleiner Junge, dem verboten worden war in einen Tunnel zu gehen und der sich eines Tages über die Regeln hinwegsetzt und mit einer Taschenlampe in der Hand die Wände erkundet. Und das Gefühl, dass ich immer mehr hinein schlittere, je länger ich mit ihm auf engstem Raum eingesperrt war, macht sich immer breiter, doch es schien, als gäbe es keinen Weg mehr zurück und als würde man den unausweichlichen Prozess bloß verlangsamen, wenn ich mich von Jeremy distanzierte. Ich wusste nicht, was das Gefühl war, vor dem ich solchen Respekt hatte, da es sich anfühlte wie etwas Großes und ich wusste auch nicht wohin der Gang führte oder wo er gar endete, aber ich musste mich weiter hinein wagen, um es herausfinden und ich bezweifelte sowieso, dass ich ohne weiteres einfach so wieder aus diesem Gefühlslabyrinth heraus gelangen könnte. Ich legte meine Hand an eine Nebelschwade, die sich wie losgelöst von den anderen gegen die Scheibe drückte und es sah aus, als wolle sie mir etwas zuflüstern. Etwas Wichtiges, doch wenn sie etwas sagte, übertönte das Heulen des Windes sie. "Was wolltest du sagen?", fragte ich so leise, dass ich mich selbst kaum verstand. Um meine Fingerspitzen herum beschlug die Fensterscheibe und meine Fingerspitzen wurden so kalt, wie sie zu dieser Jahreszeit, nach einem so schönen Tag nicht werden sollten. Wollte sie mir sagen, was ich tun sollte? Oder drehte ich langsam durch, dass ich mit Nebel sprach? Die Frage, was ich in Hinsicht auf Jeremy tun sollte schwirrte in meinem Kopf herum, obwohl ich im Innersten schon längst wusste, wofür ich mich entschieden hatte und umkehren, wäre sowieso wahrscheinlich aussichtslos gewesen.

× Messed & Broken Hearted ×Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt