Jérôme #26

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Gesichter zogen an mir vorbei, Hände die ich schüttelte, um dann wieder Kuchengabeln für Gebäckstücke, die wie aus dem Schlaraffenland aussahen hochzunehmen, Gespräche über meine Pläne, Ziele und Vorstellungen.

Die einzige Konstante war Jeremy an meiner Seite. Es war schon beinahe gruselig gewesen, wie leicht er sich diese neue Persönlichkeit übergestreift hatte. Plötzlich sprach, lachte und bewegte er sich sogar anders. Er kannte all die kleinen Floskeln, die Lachfalten auf die älteren, von aufwendig gestylten, grauen Haaren und teuren Ohrringen umrahmten Gesichter zauberten, während ich wie ein Bauerntölpel daneben stand.
Am liebsten hätte ich mich an seinen Arm geklammert und ihn alle Gespräche übernehmen lassen. Er schien sich in dieser Welt problemlos zu bewegen. Es schien etwas zu bringen, damit aufgewachsen zu sein.

Ich warf ihm einen raschen Seitenblick zu, als er sich gerade lachend mit einer älteren Frau unterhielt, die soweit ich es verstanden hatte, seine Großtante war. So ausgelassen hatte ich ihn noch nie lachen sehen. Es ließ sein Gesicht reiner erscheinen und ein leises Flattern breitete sich in meiner Brust aus, wenn ich das Leuchten in seinen Augen sah.
Auf der Fahrt hatte er unruhig und angespannt gewirkt, doch nachdem seine Mutter uns begrüßt hatte und wir uns unter die Menschen gemischt hatten, hatte er begonnen von innen zu strahlen und eine kleine, aufsässige Stimme in meinem Hinterkopf wisperte mir eine Frage zu, die ich nicht einfach beiseite schieben konnte: Wieso wirke er nie so glücklich, wenn er mit mir Zeit verbrachte?

Ich schob diese Frage auf den ungewohnten Anblick von ihm im Anzug, doch die Hitze die mir dabei in die Wangen stieg ließ sich schlecht leugnen.
Schnell wandte ich meinen Blick von seinen entspannt wirkenden Gesichtszügen. Er musste ein wunderschönes Kind gewesen sein und war bestimmt häufig in die Wange gekniffen worden.

Bevor ich realisierte, was mein Körper tat, lächelte ich seiner Großtante zu. „Entschuldigen Sie mich für einen Moment." und eilte durch die Menschen, die auf der Treppe standen auf die leise rauschenden Bäume zu, die Ruhe und Einsamkeit versprachen.

Hinter mir, hörte ich wie Jeremy sich entschuldigte, doch er holte mich erst ein, als ich bereits im Schatten einer der großen Weiden stand, deren Zweige beinahe die fröhliche Gesellschaft verdeckte. In einer Hand trug er ein Tablett mit Mini-Cupcakes, die mit pastellfarbener Buttercreme und kandierten Früchten verziert worden waren und von Kellnern herumgetragen worden waren.

„Bisschen viel, hm?" Ich betrachtete ihn bloß. Das Leuchten und die Entspanntheit schien wie weggewischt. Was machte ich falsch? Er fuhr sich durch seine Haare. Eine Strähne stand ab, doch ich sagte nichts und sah auf den Rasen zu unseren Füßen. Bestimmt musste der Gärtner ihn mit der Nagelschere kürzen. "Wie machst du das?" "Was meinst du?" Man konnte das Stirnrunzeln aus seiner Stimme heraushören. Ich sah wieder auf. "Es scheint dir so leicht zu fallen, die richtigen Worte zu finden." Er ließ ein leises Zischen hören und nahm sich einen der Cupcakes. "Jahrelange Übung. Da meistert man irgendwann seine Masken." Ich beobachtete seine Gesichtszüge, während er in den Cupcake biss. War es tatsächlich nur eine Maske? Bestand diese Welt bloß aus gespielter Freundlichkeit und vorgeführtem Reichtum?

Jeremy hielt mir das Tablett hin. "Zucker hilft." Ich nahm mir einen mit einer kandierten Erdbeere und biss rein. Er grinste leicht. "Besser?" Ich nickte, schloss einen Moment die Augen und genoss den zarten Rosen Geschmack und das Gefühl, als würde das Gebäck auf meiner Zunge zergehen. "Wir können auch gehen, wenn du willst. Oder genau hier bleiben.", schlug er vor. Es klang verlockend. "Bleiben wir erst mal hier." Nickend setze er sich auf den Boden, am Fuß der Weide und stellte das Tablett ab. Ich ließ mich zögernd neben ihn fallen. Das Grad fühlte sich so saftig und frisch an, dass ich am liebsten barfuß darüber gelaufen wäre. "Ich verstehe, weshalb du nicht alleine gehen wolltest."

Wieder dieses leichte Grinsen, als er seinen Kopf mit geschlossenen Augen an den Stamm lehnte und das Licht und Schatten der Sonne, die durch die Blätter schienen über sei Gesicht huschten. Mein Blick blieb an seinen schöngeschwungenen Lippen hängen. Wie sie sich wohl anfühlten?
Sobald ich den Gedanken zuende gedacht hatte, realisierte ich wie unpassend er war und mir schoss Hitze in meine Wangen, als ich schnell wegsah. Woher kam das?

Aus dem Augenwinkel sah ich wie er mir sein Gesicht zuwandte und mich ansah. "Ich frage mich immer, ob es an mir liegt, weil ich mich mein Leben lang, gegen diese Art von Menschen gewehrt habe. Ich hatte immer Angst wie mein Vater oder meine Mutter zu enden. Immer arbeitend oder unerträglich oberflächlich." Ich traute mich kaum, etwas dazu zu sagen und blickte ihm bloß in die Augen. Etwas lag in ihnen, dass ich nicht deuten konnte. Sie schienen so tief und lösten eine ziehende Sehnsucht in meiner Brust aus, die ich mir nicht erklären konnte.

Er beugte sich vor, immer noch das Tablett zwischen uns und mir in die Augen sehend. Was hatte er vor? Da schloss er seine Augen - seine perfekten Wimpern warfen dunkle Schatten auf seine Wangenknochen - und diese Lippen legten sich auf meine. Ich riss überrascht meine Augen auf. Sie waren noch weicher, als ich es mir vorzustellen gewagt hätte. Er legte eine Hand an meine Wange und ich schmolz dahin.
Wärme breitete sich von seinen Berührungen wie kleine Stromschläge durch meinen Körper aus. Zeit und Raum schien für diese viel zu kurzen Momente des Kusses stehenzubleiben. Blut rauschte in meinen Ohren und ich mir wollte all diese auf mich einstürzenden Emotionen, die gegen meine Brust drückten und raus wollten, für den Rest meines Lebens ins Gedächtnis brennen. Ich wollte weinen und lachen. Es lag so viel Perfektion in diesem Moment, dass ich kaum einen enttäuschten Seufzer unterdrücken konnte, als sich unsere Lippen lösten und ich blinzelnd meine Augen aufschlug. Sein Gesicht war immer noch nah genug an meinem, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spürte und seine Hand lag noch immer auf meiner Wange. Wie hatte er die Zärtlichkeit und Wärme, die jetzt in seinem Blick lagen, bis jetzt verstecken können?

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So. Ich hoffe, ihr findet dieses längst überfällige Kapitel gut!

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