Jeremy #23

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Ich lehnte an der Motorhaube meines Autos und beobachtete die aus der Schule herausströmenden Schülermassen, während ich insgeheim hoffte, dass mich Marco oder jemand anderes von ihnen nicht ansprechend würde.

Ich unterdrückte ein Lächeln, als ich an den verwirrten Blick dachte, den Jérôme über seine Schulter geworfen hatte, nachdem ihn mein Zettel in Mathe am Ohr gestreift hatte.
Es war die Information zu unserem Treffpunkt gewesen. Wir mussten immer noch einen Anzug für ihn finden.
Seit er zugestimmt hatte, dass er mich zu dem lästigen Gartenfest begleiten würde, hatten wir kaum mehr als drei Sätze gewechselt, daher war ich mir nicht sicher, ob er überhaupt auftauchen würde.

Meine Finger klopften nervtötend auf meinem Oberarm und ich kaute auf meiner Unterlippe herum, was ich gefühlt seit der Grundschule nicht mehr getan hatte. Wo blieb er denn?
Wir hatten die letzte Stunde nicht gemeinsam gehabt, aber er müsste schon längst hier sein. Ich hatte mir keine Gedanken für den Fall gemacht, dass er nicht auftauchte und ich wusste, dass ich die Enttäuscht, die so stärkt an mir knabberte nicht so deutlich spüren sollte.
Ich sah auf die Uhr an meinem Handgelenk. 13:14 Uhr. Er war schon fast eine Viertelstunde zu spät. Der Pausenhof war mittlerweile beinahe menschenleer. Alle hatten schnell ins Wochenende gehen wollen.

Ich entschloss mich dazu um zwanzig nach zu gehen. So eilig hatte ich es nicht zu meinen Eltern zu kommen und den einen Tag alleine unter zu reichen, alten Menschen würde ich auch so überleben. Hatte ich bisher auch.

Die Minuten schlichen dahin und ich spielte mit dem Autoschlüssel, den ich um meinen Zeigefinger schlingern ließ, während ich die Türe zum Schulgebäude hypnotisierte. Es war 13:27 Uhr als sie aufschwang und er heraus eilte mit seinem Rucksack über einer Schulter. Er war außer Atem als er vor mir zu stehen kam. Seine Augen streiften meine nur kurz. "Ich musste noch etwas im Sekretariat abgeben und dann hat mich Herr Spitzner aufgehalten, der mich noch..." "Eine SMS hätte es auch getan. Ich wäre schon fast gegangen.", unterbrach ich ihn schroff. So sollte ich nicht klingen. Das war nicht wie ich ihm gegenüber treten wollte.
Kurz sah er mich überrascht an, dann lächelte er leicht. "Du hast mir in Mathe ja auch keine geschickt." Damit ging er um das Auto herum, warf seinen Rucksack in den Kofferraum und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.

Ich atmete durch und versuchte mich zu entspannen, bevor ich einstieg und den Schlüssel ins Zündschloss steckte. Er hatte eine CD mitgebracht, die er in das Fach schob und zum zweiten Song vorsprang. White knuckle ride schallte los.

"Wolltest du nur eine Spritztour mit mir machen oder hat unser Rendezvous einen tieferen Zweck?" Ich spürte seinen Blick auf mir.
"Du brauchst noch einen Anzug für das Gartenfest." "Ach, natürlich." Sein Blick schweifte aus dem Fenster. "Leihen wir einen? Oder hast du einen anderen Plan?"
"Du müsstest in welche von mir vor zwei Jahren reinpassen." "Also habe ich die Figur von deinem sechzehnjährigen du?" "Hoffen wir es mal."

Meine Finger lagen zu fest um das Lenkrad und ich spürte meinen Herzschlag in ihren Spitzen. Bei der Vorstellung ihn zum Haus meiner Eltern zu bringen würde mir schlecht. Für mich war das Haus die Verkörperung von allem, was ich damals hatte entfliehen wollte, als ich ausgezogen war. Für ihn würde es eine Villa in übertriebenem Ausmaß sein, in die sein zu Hause mindestens fünf Mal reinpassen würde.

"Gehen wir etwas essen oder hungern wir, bis wir erfolgreich sind?", riss er mich aus meinen Gedanken. "Ich habe Marcella Bescheid gesagt, dass sie uns etwas Kochen soll. Ihre Gerichte sind ein Traum."
Er lächelte. "Das klingt gut." Vielleicht versuchte er extra gut gelaunt zu wirken, um meine Anspannung auszugleichen.

Als ich in die Einfahrt fuhr, in der wie zu erwarten keins der Autos meiner Eltern geparkt stand, stellte er die Musik aus und starrte aus dem Fenster.
"Hier wohnst du?", fragte er ungläubig, als wir ausgestiegen waren und starrte die Fassade hoch. "Habe ich mal.", erklärte ich schnell und zog den Hausschlüssel aus der Hosentasche. Die Türe schwang geräuschlos auf und der Geruch von Pfingstrosen und Desinfektionsmittel schlug uns entgegen. "Ich bin nicht mehr oft hier.", fügte ich hinzu und zog meine Schuhe aus. Der Parkettboden fühlte sich warm an, als wolle er mich in dem Haus in dem ich mich nie zu Hause gefühlt hatte willkommen heißen und alles wirkte so steril wie immer. Er schloss in meinem Rücken leise die Türe.

Ich ging vor in die Küche. Obwohl er einen Schritt hinter mir lief spürte ich sein Staunen. Wie er die hängenden runden Lampen aus weißem Glas, eingefasst in Metallstreben an der Decke betrachtete, den Stehtisch, der älter als wir beide zusammen waren, auf dem ein Strauß mit bunten Blumen stand.
Die weißen, blank geputzten Flächen in denen man sich förmlich spiegeln konnte, schienen und von überallher entgegen. Dieses Haus war vielleicht gut dafür Menschen zu beeindrucken, aber darin zu wohnen fühlte sich an, wie in einem Eispalast zu leben.

Ich führte ihn durch das Wohnzimmer, in der ein paar Farbtupfen waren -die dunkelroten Kissen auf dem beigen Sofa, die Bücher in einem Regal und der ausgeschaltete Bildschirm des überdimensionalen Fernsehers- in die Küche mit dem freistehenden Herd auf dem eine Pfanne stand, aus der er so gut dufteten, dass es endlich den Geruch nach dem alkoholhaltigen Putzmittel überdeckte.

"Gnocchi mit Pilzsahnesoße.", verkündete ich und merkte wie ich mich langsam entspannte. Er war weder vollkommen ausgeflippt, noch deprimiert geworden, worüber ich erleichtert war. "Was willst du trinken?" "Champagner?", fragte er grinsend. Ich nahm zwei weiße Teller aus einem Schrank, den meine Mutter vermutlich noch nie selbst angefasst hatte, da sie sich aus Prinzip nicht in der Küche aufhielt und drückte sie ihm in die Hände. "Nimm dir. Ich schenke uns etwas ein."
Er nickte und nahm den Deckel von der Pfanne. "Essen wir in meinem Zimmer."

Mit zwei duftenden Tellern, Gläsern und einer Flasche Orangina gingen wir in mein Zimmer, das so aufgeräumt war, wie das letzte Mal als ich hier gewesen war.
Mein Bett war gemacht als würde ich diese Nacht darin schlafen und nirgends war auch nur der Hauch von Staub zu entdecken.
Ich war froh darüber das helle Türkisblau der Wand an dem mein Bett stand zu sehen. Immer noch hatte ich das Gefühl von dem ganzen Weiß verrückt zu werden.
"Du kannst auf meinem Bett sitzen.", bot ich ihm an, bevor ich mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen ließ und er meine Zimmertüre schloss. Er stellte seinen Teller und sein Glas auf meinem alten Nachttisch ab, während er sich schon weiter neugierig umsah.

"Wohin führt diese Türe?"
"Meinem Kleiderschrank.", nuschelte ich an den Gnocchi vorbei, die ich mir bereits in den Mund geschoben hatte. Sie waren noch besser, als ich sie in Erinnerung gehabt hatte. Ich müsste Marcella unbedingt nach dem Rezept fragen, damit ich und Kyle nicht immer dasselbe aßen.
"Du hast einen begehbaren Kleiderschrank?!", fragte er überwältigt, während er schon die Türe aufriß, die ich voll mit Bildern geklebt hatte. Der gescheiterte Versuch Heimeligkeit in dieses viel zu große, leere Zimmer zu bekommen.

"Das ist... wow." Er verschwand darin und kam fünf Minuten später wieder herauskam. "Und wo sind die Anzüge? Ich sehe hier gar keine."
"Die, die mir passen sind bei mir in der Wohnung und die aussortieren auf dem Dachboden."
"Du hast noch mehr Kleider?" Er blies seine Backen auf und setzte sich auf mein altes Bett, während er nach dem Teller griff. "Du kannst die nachher alle anprobieren.", bot ich großzügig an, während er anfing zu essen.

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Endlich wieder ein Kapitel. Zwar recht ereignislos, aber ein Kapitel.
Ich bin mir nicht sicher, wie gelungen ich es finde, daher würde ich mich über Feedback freuen.

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