Jeremy #24

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Er wirkte matt und erschöpft, als wir aus Aurelius' Laden traten. „Alles okay?"
Er blickte auf und lächelte eine Spur zu schmal, bevor er sich durch seine Haare fuhr. „Es war etwas viel high class life für einen Tag."
Ich nickte leicht und öffnete ihm die Türe des Autos. Fast war ich erleichtert ihn wieder in seinen Kleidern zu sehen. Zwar bräuchte ich auf dem Gartenfest seelisch moralische Unterstützung, aber ich wollte ihn nicht zu einem von den Menschen machen, die man dort antraf.

„Wir können Eis essen gehen.", schlug ich vor, während ich den Motor startete. „Nur wenn ich dich einladen darf.", erwidert er und sah aus dem Fenster. Ich schaltete Musik ein und parkte aus. „Kennst du eine gute Eisdiele, die noch offen hat?", fragte ich statt einer Reaktion auf seine Bedingung.
Er nickte. „Hier links." Ich bog ab. „Du weißt, dass wir irgendwann noch Accessoires besorgen müssen?"
Seufzend stützte er seinen Kopf auf seine Hand. „Das ist ganz schön snobisch."

Ich drehte an den Knöpfen des Radios herum, bis Kool & The Gang erklang. „Du musst nicht mitkommen."
„Ich weiß einfach bloß, dass ich dir das was du da für mich zahlst und mir ermöglichst nie zurückgeben kann.", erwiderte er und klang schon um einiges kleinlauter.
Als ich ihm einen kurzen Seitenblick zuwarf, sah er immer noch aus dem Fenster. „Du rettest mir, indem du mitkommst das Leben. Es ist wirklich anstrengend und nervtötend sich mit all diesen vor Geld stinkenden Leuten abzugeben."
„Aber du bist es gewohnt."
Ich schnaubte, während ich seiner Anweisung nach in eine kleine Seitenstraße abbog, bei der ich Angst hatte, dass die Mauern links und rechts die Seitenspiegel abreißen würden.

„Ich müsste auch zu Hause noch etwas haben an kombinierbaren Dingen." „Gut. Dann können wir das ja machen, nachdem wir den Anzug abgeholt haben."
Ich parkte das Auto zwischen einem Motorrad und einem Baum, bevor ich mich zu ihm wandte. „Oder wir machen es wenn ich dich am Samstag abhole."
Er zuckte mit den Schultern und stieg aus. Anscheinend der Gedanke in meiner Welt herumzuspazieren ihm tatsächlich unangenehm. Aber wer konnte ihm das verübeln? Mir war er das ja auch.

Ich ließ die Autotüre ins Schloss fallen und schloss den Wagen ab. „Wo ist die Eisdiele?" „Da drüben." Er deutete auf die andere Straßenseite, wo zwei Stufen hoch zu einem Unscheinbaren Laden in einem Backsteingebäude führten. „Das ist das beste Eis, das du außerhalb von Italien bekommst." „Das klingt nach einem Versprechen."
Er lächelte verschwörerisch und überquerte die Straße. „Bloß weil man Geld hat, muss man ich die besten Läden kennen."

Als er die Türe öffnete klingelte eine Glocke über unseren Köpfen und verkündete, dass wir da waren. Wir setzten uns an einen der drei Holztische, die in dem zu kleinen Raum neben der Eistheke platziert waren. Er lag in der hintersten Ecke und obwohl alles eng wirkte war er heimelig, mit dem Duft nach Kaffee und Kakao, der farbenfrohen Auswahl von schön dekoriertem Eis und den Magnolienblüten, von denen auf jedem Tisch eine stand.

„Für dich war es zu viel heute?", fragte ich noch einmal, während ich die Karte durchsah, auf der ein Eis verführerischer wirkte, als das andere. Er schnappte sich die Karte vom Nebentisch, bevor er antwortete. „Nicht jeder kann es gewohnt sein Anzüge anzuziehen, die mehr kosten als ein Monatsgehalt meiner Mutter." Es klang weder bitter noch sarkastisch. Ich warf ihm einen kurzen Blick über den Kartenrand zu, doch er schien sich konzentriert den Heißgetränken zu widmen. Mir fiel jetzt erst auf, wie dunkel seine Augen wirken konnten. Fast schwarz und so tief, als könnte man in ihnen tiefer als in jedem Ozean tauchen.

Schnell sah ich auf die Eisangebote, als er den Blick hob. „Wenn du einen Tipp von mir haben willst, nimm zwei Eiskugeln und keinen dieser schwachsinnigen Eisbecher." Ich nickte. Neben den Gewöhnlichen drei Eissorten -Vanille, Schokolade und Erdbeere - gab es auch ausgefallenere, wie Lavendel mit Honig, gesalzenes Karamell, Zartbitterschokolade und roter Pfeffer oder Zitronenmelisse und Pfefferminze.

„Weißt du, was ich mich seitdem ich in dein Haus getreten bin frage?" Ich sah ihn an und am liebsten hätte ich ihn korrigiert und gesagt, dass es nicht mein Haus war, geschweige denn mein zu Hause. Doch ich blickte ihn bloß erwartungsvoll an.
„Weshalb ich mich überhaupt darauf eingelassen habe." Er sah an mir vorbei aus den Fenstern auf die Straße und atmete aus, bevor er weitersprach. „Schließlich bin ich intelligent und weiß, dass ich etwas erreichen kann. Vielleicht werde ich nicht der nächste Unternehmensvorstand, der im Jahr soviel verdient, dass er sich drei Häuser bauen lassen könnte, aber ich kann so viel erreichen, dass ich gut genug davon leben kann und vielleicht sogar -wenn sie es annimmt- meine Mutter unterstützen kann. Also weshalb habe ich mich dennoch darauf eingelassen?"
Er sah mich mit so großen, fragenden Augen an, als erwarte er tatsächlich von mir eine Antwort.
„Ich weiß es nicht.", antwortete ich wahrheitsgemäß.

Er erwiderte meinen Blick, bevor er sich durch seine Haare fuhr und begann zu lachen. „Vor allem, dann auch noch mit dir! Weißt du wie absurd diese Situation eigentlich ist?!"
Ich grinste selbst leicht und entschied mich für zwei ausgefallene Eissorten, gerade in dem Moment, als die Bedienung an unseren Tisch trat. Der Junge sah aus, als wäre er der Bassist einer Punkband mit den schwarzen Doc Martens und den grünblau gefärbten Haaren und schien nicht in ein Eiscafé zu passen. Doch er lächelte schräg und sah uns mit wachen Augen an. „Schon entschieden?" „Ich nehme eine Lavendel Honig und eine Schokoladen Pfeffer Kugel mit Sahne." Er nickte und kritzelte mit der linken Hand auf einen Block, wobei mir auffiel, dass er Nagellack trug.
Für mich einen Espresso und einmal das..." „...Mango Avocado Eis?" Jérôme lächelte nickend, während der Junge sich umdrehte, um die Bestellung aufzugeben.

„Bist du hier öfters?" Jérôme nickte. „Ich kann mich mit Eis bei meinen Hausaufgaben irgendwie besser konzentrieren. Harry Potter kann das bestimmt nachvollziehen." Er grinste, bevor er hinzufügte: „Es ist schön jetzt etwas Normales mit dir zu unternehmen." Und ich wusste, dass ich das genauso empfand.
Zur Abwechslung einmal etwas miteinander zu machen, ohne dass man gezwungen war oder Anzüge anprobieren musste, wirkte es beinahe so, als seien wir befreundet.

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