Lektion 1 (Part 1)

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Zwei Uhr nachts. Ich lag in meinem Zimmer und starrte aus dem Fenster. An Schlafen war jetzt nicht mehr zu denken. Denn das hatte ich nämlich schon. Über zehn Stunden lang. Neben meinem besten Freund, auf einer Parkbank. Direkt vor dem Club, in dem ich zuvor meinen achtzehnten Geburtstag gefeiert hatte. Als wir aufgewacht waren, war es zwei Uhr nachmittags gewesen. Es hatte irgendwann angefangen zu schneien und so kam es, dass ich jetzt reichlich verkühlt im Bett lag und kein Auge zutat.

In diesem Moment klingelte mein Handy neben mir. Um zwei Uhr nachts?! Verwirrt blickte ich auf den Sperrbildschirm: eine unbekannte Nummer. Ich hob ab und meldete mich mit einem verschnupft klingendem "Yuru?".

"Hallo. Hier ist Pamina. Yuru heißt Du also."
Pamina?! Die von gestern Nacht?! Ich konnte mich nur noch vage an sie erinnern. Irgendwie hatte sie ausgesehen, wie ein Totenkopf oder so, zumindest hatte sich diese Information in meinem Gehirn abgespeichert...

"Hallo... Pamina. Was gibt's?"

"Zieh Dir etwas Warmes an und komm raus vor die Haustür. Ich warte auf Dich."

"Bitte was?!"

"Ich hatte Dir gesagt, ich zeige Dir, was Glück für mich heißt. Und damit fangen wir jetzt an."

Gerade wollte ich etwas erwidern, als ein Tuten aus der Leitung dröhnte. Pamina hatte aufgelegt. Blitzschnell trat ich an mein Fenster und blickte auf die Straße hinunter. Und tatsächlich- vor meiner Haustür stand ein grüner VW Bulli. Auf dem Fahrersitz saß eine Gestalt.

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Ich hatte keine Ahnung, was mich nun dazu bewegte, mir allen Ernstes das Wärmste anzuziehen, was ich in meinem Kleiderschrank finden konnte und das Haus zu verlassen, aber als ich die Beifahrertür des Bullis öffnete und mich auf den Sitz fallen ließ, wurde mir erst bewusst, wie verrückt das ganze hier war:

Es war zwei Uhr in der Nacht. Ich war leicht unterkühlt, saß aber dennoch auf dem Beifahrersitz eines Autos von einer Frau, von der ich gerade einmal den Namen wusste und hatte keine Ahnung, wohin wir jetzt fahren würden. Andererseits hätte ich mich schlecht weigern könne, herunterzukommen. Das wäre ziemlich kindisch gewesen.

Aber jetzt war es eh nicht mehr zu ändern. Pamina startete den Motor und fuhr los. Ich nutzte den Augenblick, um sie mir noch einmal ansehen zu können. Sie hatte lange, blonde Haare, war relativ klein und zierlich und trug eine Jeans und einen weißen Rollkragenpullover unter einer viel zu großen Cargo-Jacke. Außerdem waren da wieder diese Schatten unter den Augen. Ich war mir jetzt ziemlich sicher, dass das Make up sein musste.

"Was ist? Warum schaust Du mich so seltsam an?" Ich wurde wieder von Paminas tiefer Stimme überrascht.

"Ich frage mich nur gerade, was da in Deinem Kopf abgeht. Ich meine, wir kennen uns kaum- warte: Woher hast Du überhaupt meine Adresse?!"

"Ich hab Dich auf der Dachterrasse wiedererkannt." Während sie sprach, wandte Pamina dem Blick nicht von der Straße ab.
"Ich hab früher hier in der Nähe. gewohnt und Dich öfter Mal aus diesem Haus kommen sehen. Da musste ich nur eins und eins zusammenzählen."

"Ah ja... Gut... " Irgendwie wusste ich nicht mehr, was ich noch antworten sollte, also war es einfach eine Weile still zwischen uns. Bis Pamina mit dem Kopf in Richtung meines Fußraums nickte. Dort stand eine weiße Plastikbox. Vorsichtig hob ich sie hoch und stellte sie auf meine Knie. Ich öffnete de Deckel- und erblickte eine Polaroidkamera.
Noch bevor ich fragen konnte, begann Pamina zu sprechen:
"Die brauchen wir für unsere Lektionen. Zwölf werden es insgesamt sein, denke ich... Jedenfalls werden wir pro Lektion ein Foto machen und darunter aufschreiben, was für mich Glück bedeutet. Damit Du Dich später erinnerst."

Ich konnte nicht anders, als zu nicken. Der dominante Ton in Paminas Stimme zeigte mir, dass ich gerade eh keine andere Wahl hatte. Denn mittlerweile hatten wir die Stadt schon hinter uns gelassen und fuhren auf einer Straße, die sich abwechselnd zwischen Feldern und Tannenwäldern hindurchschlängelte. Alles nur schemenhaft erkennbar, immerhin war es mitten in der Nacht. Würde ich jetzt einen Rückzieher machen, dann bestand die Chance, dass ich heimlaufen musste. Ich kannte Pamina ja kaum... Und ich war eh schon unterkühlt...

"Wir sind da", unterbrach Pamina meine Gedanken.

Langsam drehte ich meinen Kopf und blickte aus dem Autofenster...

Midnight CityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt