Lektion 4 (Part 1)

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Wir übernachten im Wald.
Wir übernachten im Wald.
Wir übernachten im Wald!

Jetzt war es offiziell: Pamina war verrückt.

Gerade hatte wieder einmal das Telefon geklingelt und ich war rangegangen. Es war klar gewesen, dass sie es war, welche unbekannte Nummer würde mich sonst um Mitternacht anrufen...

Ich war nicht einmal dazu gekommen, Luft zu holen, um etwas wie eine Begrüßung ins Handy zu sprechen, da hatte sie schon gesagt: "Wir übernachten im Wald!"

Ich hatte eine Weile gebraucht, um überhaupt zu realisieren, was sie damit meinte:
Sie wollte draußen in der Natur schlafen, bei null Grad.

Danach hatte ich sie gefragt, ob das ihr Ernst sein sollte und sie hatte -natürlich und gegen all meine Hoffnungen- bejaht.

Und jetzt? Jetzt saß ich wieder einmal auf dem Beifahrersitz des Bullis -im Schlafanzug, weil ich vorhin schon fast geschlafen hatte- und wir fuhren in die Nacht hinaus, wie auch schon die Wochen davor.
Nur, dass dieses Mal ein Zelt und zwei Schlafsäcke im hinteren Teil des Autos lagen, die bei jeder Kurve mit einem lauten Scheppern der Stangen und Heringe auf dem Boden hin und her rutschten.

Es war wieder still, niemand sagte etwas, außer dem Zelt war nur der Motor war zu hören- und das Geräusch einzelner Regentropfen, die wie aus dem Nichts aus der Dunkelheit auf die Windschutzscheibe trafen. Regentropfen. Konnte es noch schlimmer kommen?

Für Januar war es diese Woche ziemlich warm, sodass sich sogar der Schnee im Regen verwandelt hatte. Und statt bei diesem Wetter draußen in einem Zelt zu schlafen, hätte ich auch genau so gut die Nacht in meinem Bett verbringen können. Hätte ich bloß nicht wieder nachgegeben. Aber als Pamina am Telefon meinte, eben allein im Wald zu übernachten, wenn ich nicht mitkäme, konnte ich natürlich auf nicht so einfach auflegen. Geschweige denn, sie allein hier rausfahren lassen.

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"Wir sind da.", Pamina stellte den Motor ab.
"Lass mich raten, wir übernachten im Wald neben dem Parkplatz?"
Sie grinste. "Richtig." Dann öffnete sie die Wagentür und augenblicklich wurden Massen an Regentropfen in unsere Gesichter geweht. Gleichzeitig ertönte über uns ein Donnern, welches so laut war, dass wir beide zusammenzuckten. Dass der Regen jetzt in ein Gewitter umgeschlagen war, hatte ich gar nicht mitbekommen.
Ich beugte mich über Pamina und knallte die Tür wieder zu.
Als ich mich danach wieder zurücklehnen wollte, hielt ich inne. Das Gefühl war wieder da. Ein Kribbeln, von dem ich nicht wusste, ob ich es als positiv oder negativ empfinden sollte. Was war das bloß?!

Ich fing mich jedoch schnell wieder, richtete mich auf und rutschte reflexartig auf meinem Sitz so weit von Pamina weg, wie es ging. "Vergiss es. Wir gehen da jetzt nicht raus, um ein Zelt im Wald aufzubauen und dort zu schlafen. Das mache ich nicht mit. Und Du auch nicht."
"Und warum nicht?!", fragte Pamina genervt. "Bist Du aus Zucker oder was?!"
Ich schnaubte. "Es geht mir nicht um den Regen an sich, sondern um das..."

Ich unterbrach mich selbst, da in diesem Moment die Umgebung um uns gleißend aufleuchtete. Für einen Moment war es taghell im Auto, dann umgab uns wieder die Dunkelheit.

"...Gewitter.", beendete Pamina meinen Satz. Ich nickte. "Genau. Für das Zelt brauchen wir Metallstreben und Heringe und die werden im Wald mit Sicherheit das Einzige Metallene weit und breit sein. Die Gefahr ist viel zu groß, dass dort ein Blitz einschlägt."

Pamina schien zu überlegen. Sie legte die Stirn in Falten, dann nickte sie schließlich.
"In Ordnung. Das macht Sinn. Dann schlafen wir eben im Auto."

Dann schlafen wir eben im Auto.

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