KAPITEL 11

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Zartfühlend strichen seine Fingerspitzen über meine Wange. Es war so delikat, dass ich die Berührung kaum wahrnahm. "Nicht." Ohne die Augen zu öffnen nahm ich seine Hand. Ich wusste genau, was in ihm vorging. Die letzten zwei Tage hatte er mich durchgehend mit Samthandschuhen angefasst. Er befürchtete mir Angst zu machen, mich wieder zu verletzen. "Tut mir leid", flüsterte er und entzog seine Hand der meinen.
Bis jetzt hatte ich nichts dazu gesagt, aber so konnte es nicht weitergehen. Er konnte mich nicht für immer wie ein rohes Ei behandeln. "Adlon." Noch etwas verschlafen schaute ich ihn an. "Bitte hör auf damit. Ich weiß, es war schlimm." Erstaunlicherweise für ihn schlimmer, als für mich. "Aber ich bin nicht aus Zucker." Nickend senkte er den Blick, was mir wiederum leidtat. "Ich möchte nur, dass es wie früher wird, okay? Mehr verlange ich gar nicht." Erneut nickte er. "Gut", hauchte ich lächelnd und schmiegte mich zurück an seinen nackten Oberkörper.

"Hast du jetzt eigentlich schon mit deinen Eltern geredet?", fragte ich, weil ich es kaum erwarten konnte sie endlich kennenzulernen. "Ja, aber du weißt doch, sie haben viel zutun. Sie kommen nicht so einfach von dort weg." Als Inhaber eines weltweiten Unternehmens war es kein Wunder. "Wie wäre es, wenn ich sie mal frage, ob wir über ein verlängertes Wochenende vorbeikommen können?" Unwillkürlich hoben sich meine Mundwinkel und ich strahlte ihn förmlich an. "Ernsthaft?" Aufgeregt fuhr ich hoch. Grinsend bejahte er, woraufhin ich mich zurück an ihn kuschelte.

"Ist dein Bruder dann auch da?" Kurz hielt er inne. "Bill, war sein Name, richtig?" Ich spürte wie sein Körper sich verkrampfte. Ich runzelte die Stirn, schenkte dem aber keine größere Beachtung. "Hm?", hakte ich nochmal nach.
"Eliza." Seine Stimme war belegt. "Er ist tot." In meinem Hals bildete sich ein Klos. Ich erstarrte. Sein Bruder lebte nicht mehr. "Außerdem war er mein Adoptivbruder." Machte es das besser? Ich wusste nicht was ich denken, sagen sollte. Mir verschlug es wortwörtlich die Sprache. Eine Woge Übelkeit überrollte mich, so unwohl fühlte ich mich auf einmal.
"Hey, ist okay", strich Adlon mir über den Rücken. "Wir hatten nie eine besonders starke Bindung. Sein Tod war... Es war besser so." Ich war entsetzt. Die beiden waren, so weit ich wusste, miteinander aufgewachsen. Wie konnte er den Tod seines Bruders als das Beste ansehen? Hatte er denn kein bisschen um ihn getrauert? Was war vorgefallen, dass er davon so ungerührt war?

"Lass uns frühstücken, ja?", riss er mich aus meinen Grübeleien. Einen Moment zögerte ich, bohrte dann jedoch nicht weiter nach. Offensichtlich bedrückte ihn dieses Thema. Ich wollte ihn nicht an das, was auch immer vorgefallen sein mag, erinnern. Irgendwann fühlte er sich vielleicht bereit, um mir die Wahrheit zu erzählen. Möglicherweise war es ihm ja doch nicht so egal. Wäre es das, hätte er jedenfalls anders reagiert.

Through the darkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt