KAPITEL 10

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"Perfektes Timing!" Adlon drückte seine Lippen gegen meine, da war ich noch nicht einmal richtig eingetreten. Überrumpelt blinzelte ich. "Ich bin mit dem Essen so gut wie fertig." Dieses Mal blinzelte ich vor Verwirrung. "Du hast gekocht?" Die Überraschung war der erhöhten Tonlage anzumerken. Auch wenn er Biologe war, sich mit ausgwogener Ernährung auskannte, blieb er bei den Fertiggerichten. Man konnte es ihm nicht verübeln, er schuftete so viel, da hatte er nach einem langen Arbeitstag keine Kraft mehr sich an der Herd zu stellen.
Stolz nickte er. "Du hast keine Dosenravioli warm gemacht und willst sie mir auf diese Art unterjubeln?" Er schüttelte den Kopf.
Beeindruckt sah ich ihn an. "Wow", verschränkte ich die Hände hinter seinem Nacken, um ihn etwas runter, auf meine Höhe zu ziehen. "Ich verliebe mich von Tag zu Tag immer mehr in dich", flüsterte ich und küsste ihn innig.

Der Kuss wurde durch den Timer gestört. Sofort löste er sich von mir. "Die Nudeln sind fertig." Er hezte in die Küche zurück, während ich mir schmunzelnd Mantel und Schuhe abstreifte.

"Was gibt's denn?", wollte ich wissen und setzte mich auf einen der Stühle. "Penne all'arrabbiata." Er stellte die Pfanne auf den Tisch. "Dein Italienisch ist so sexy, Baby." Er grinste. "Ich weiß, Baby." Wieder berührten sich unsere Lippen.
Als auch er Platz genommen hatte, beugte ich mich neugierig über die Pfanne. "Was ist da drinnen?", erkundigte ich mich, doch er meinte noch immer mit dem verschmitzten Grinsen im Gesicht, ich solle probieren und es selbst herausfinden.

-

Frustriert seufzend setzte ich mich auf die Arbeitsfläche der Kücheninsel und sah dabei zu, wie Adlon das Geschirr in die Spühlmaschiene räumte. "Was ist?", deutete er diese Aktion richtig und wendete sich mir zu. Seine Hände stüzten links und rechts neben meinen Beinen an der Kante. Er lehnte sich mit geringem Abstand vor mich. "Ich habe meinen Laptop vergessen und kann jetzt nicht weiterschreiben", murmelte ich mit Schmollmund. Er schmunzelte. "Zum Glück hast du ja noch mich." Er küsste mich auf die Wange und holte mir seinen Laptop. Ich bedankte mich und machte es mir mit dem Geräte auf dem Küchentresen bequem.

Nachdem er mit dem Geschirr fertig war wusch er sich die Hände. Blöderweise lag das Spühlbecken direkt neben der Stelle, an der ich mit dem Rechner saß. Ich lehnte mich vor, wollte nach meinem Glas reichen, als der Laptop unter den Wasserstrahl geriet. Wenige Sekunden später wurde der Bildschirm schwarz.
"Verdammte Scheiße!", fluchte er und nahm den Computer aus dem Becken. "Es tut mir so leid. Ich wollte das nicht. Das war keine Absicht. Ich wollte nur etwas trinken un-" "Halt die Klappe", brummte er kaum hörbar, aber mein Redefluss ging weiter. "Ich habe mich rüber, nach dem Glas gebeugt und bin gegen den Laptop gestoßen. Es tut mir unendlich leid. Ich bringe das wieder in Ordnung, versprochen. Ich lasse ihn von einem Profi anschauen. Der kann die Daten sicher noch retten. Oder ich besorge dir einen neuen. Ich schwöre dir, ich-"

"Sei endlich still!" Mit einem Mal holte er aus. Scharf landete seine Hand an meinem Gesicht. Wegen der Wucht, hauptsächlich aber weil ich damit nicht gerechnet hatte und mich nicht länger auf den Beinen halten konnte, sackte ich zu Boden. Schockiert hielt ich mir die Stelle. Ich war mir nicht sicher, ob es körperlich oder seelisch, meiner Wange oder meinem Herzen, mehr wehtat.
"Oh mein Gott, Eliza." Er trat auf mich zu, doch ich wich zurück. "D-du hast mich geschlagen", stammelte ich fassungslos vor mich hin und brach im nächsten Moment in Tränen aus. Abermals machte er einen Annäherungsversuch, scheiterte. "Eilza, bitte." Er klang belegt, fast heiser. "Es tut mir leid. Bitte, lass mich dir helfen. Was kann ich tun? Wo tut es weh?" Zaghaft deutete ich auf mein Herz, das in diesem einzigen Moment in tausend kleine Teile zersprungen war. Auch in seinen Augen kam der brennende Schmerz zum Ausdruck.
"Eliza", sprach er tränenstickig und nahm mich letztlich doch in den Arm, und auch wenn er eigentlich die letzte Person sein sollte, in dessen Armen ich mich hätte befinden wollen, war die andere Wahrheit, dass es auch die einzigen waren, die mir Trost schenken konnten.

Nach einer Weile beruhigte ich mich wieder, versuchte zu verstehen, was sich vor ein paar Minuten abgespielt hatte. Wie konnte es dazukommen? Wie konnte er so schnell die Fassung verlieren? Wie konnte er mich schlagen?
Die Situation war aufgeheizt, ich habe einfach nicht den Mund halten können, wäre ich einfach still geblieben; rechtfertigte ich ihn. Nur war das wirklich Rechtfertigung genug? Klar, es war ein wahnsinnig dummes Missgeschick, mich deswegen zu ohrfeigen war aber doch nicht verträglich. Oder war es auch nur ein Missgeschick? Mit Sicherheit hatte er nicht vor die Hand gegen mich zu heben. Er hatte sich einfach etwas zu sehr von seinen Emotionen leiten lassen.

"Eliza", atmete er erschwert auf, als ich mich vorsichtig von ihm schob und das Blitzen in seinen Augen erkannte. Wie auch ich erhob er sich. Sehnlichst griff er nach meinen Händen. "Bitte, glaub mir, ich wollte das nicht. Ich flehe dich an, Eliza. Es war ein Versehen. Bitte verzeih mir. Ich war aufgebracht und habe die Kontrolle verloren. Ich würde dir wirklich niemals wehtun. Es war einfach eine beschissene Lage. Ich versichere dir, dass sowas nie wieder vorkommen wird. Nur bitte verzeih mir."
Und das tat ich. An diesem Tag zum ersten Mal. Schnell sollte es zur Gewohnheit werden.

Through the darkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt