Schwesternliebe

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„Ich.. weiß tatsächlich gar nicht, wie ich anfangen soll." gestand Nathalie ihrer Schwester, während sie ihren Blick auf die Tasse gerichtet hatte, welche sie nun mit beiden Händen fest umklammerte. 
Beruhigend legte Celine ihre Hände auf, die ihre Schulter, um ihr in ihre Augen schauen zu können. „Dann lass mich anfangen. Ich weiß, wie schwer es für dich sein muss.. Mutter... Mutter hatte immer eine seltsame Art, ihre Zuneigung zu dir zu zeigen." 
„Zuneigung? So nennst du die Tatsache, dass sie mich weggab in dem Moment, wo sie dich in den Armen hielt?" 
„Nein! Ich meine nur, dass sie es nie gezeigt hat, wie wichtig du ihr bist, aber sie dich wirklich geliebt hat." 
Ein leiser Seufzer entwich Nathalie, während sie ihre Tasche auf den Holztisch platzierte, welcher vor der Couch stand, auf dem sie auch ihren Miraculous platziert hatte. Duusu aufgedrehte Art konnte sie gerade in dieser doch sehr emotionalen Situation nicht gebrauchen, weswegen sie Duusu befohlen hatte, sich doch wieder zurückzuziehen. Zumindest, bis die Sache geklärt war. 
„Celine" fing sie jetzt ihren Satz an „Du warst noch so klein, daher hast du vieles nicht mitbekommen, was damals passierte. Aber ich bin nicht wegen der Scheidung von meinem Vater und unserer Mutter ausgezogen. Dein Vater und unsere Mutter hatten eine Affäre. Sie war glücklich mit ihm. Glücklicher als je zuvor. „ 
„Ich weiß darüber bescheid.. Aber nur weil sie einen anderen geliebt hat, heißt es nicht, dass sie dich nicht liebte. Die Ehe deiner Eltern mag nicht gehalten haben aber-"
Sanft aber bestimmt unterbracht Nathalie Celine in ihrem Wortfluss mit einem traurigen Lächeln „Sie hat uns verlassen, um mit ihm durchzubrennen. Mich ließ sie dabei einfach zurück. Sie wollte einen neu beginn. Darum bin ich bei meinem Vater aufgewachsen. Es ging nie darum, dass ihre Ehe nicht funktioniert hat."
Sie konnte genau beobachten, wie Schock die Kontrolle über Celine übernahm. Hastig zog sie ihre Hände zurück, um ihren Blick mit weit aufgerissen Augen auf den Boden vor ihr zu richten. „Da... Das.. nein..." stammelte sie unsicher hervor. 
„Mum hat es dir nie erzählt. Aber glaub mir, wenn ich dir sage, ich war nie das Kind, was sie sich wünschte. Aber du warst es. Du warst das perfekte Kind mit einem perfekten Partner." Vorsichtig versuchte Nathalie die Hand ihrer Schwester erneut zu ergreifen, um sie zu beruhigen, was diese jedoch verhinderte, in dem sie wutentbrannt aufstand. 
„Das kann nicht stimmen! M-Mum würde nie..... Ich mein, sie hat dich doch immer hin zu Weihnachten und Ostern immer eingeladen.. Du warst da... ich weiß es.. Und es gibt Bilder.." 
Nathalie folgte dem hastigen Hin und Her gehen ihrer Schwester. Sollte sie dies umarmen? 
„Sie hat mich eingeladen. Aber Willkommen war ich nicht.."
„Warum bist du dann überhaupt gekommen?!" 
„Ich habe mich verpflichtet gefühlt." 
"..Arg!" Wütend strich Celine sich die Strähnen aus ihrem Gesicht. So aufgebracht hat man sie selten gesehen. Nathalie bereute es jetzt schon, das ganze Thema überhaupt angesprochen zu haben.
„Ich weiß wie schwer, das für dich sein muss.. Aber du musst mir glauben.." vorsichtig stand sie auf, um auf ihre Schwester zuzugehen „Und es ist auch okay. Ich habe mit Mutter schon lange abgeschlossen. Sie wollte mich nicht, hat es sogar nie bereut, mich zurückgelassen zu haben." sprach sie mit sanfter Stimme, bevor sie ihre Arme um die Schultern ihrer Schwester legte „Aber sie hat sich um dich gekümmert. Und das ist es, worauf es ankommt." 
Nathalie konnte spüren, wie Celine ihren Kopf in ihrer Schulter vergrub, um die kleinen Tränen zu verbergen, welche nun ihre Wangen runter kullerten und sie konnte nicht anders, als ihr behutsam die Hand auf den Kopf zu legen. 
„Sie hätte nicht so mit dir umgehen sollen...." protestierte Celine, nach dem sie sich wieder etwas beruhigt hatte. 
„Aber was hätte es mir genützt, bei ihr zu bleiben, wenn sie mich gar nicht in ihrem Leben wollte. Außerdem." sprach Nathalie, während sie mit sich zurücklehnte, um mit dem Daumen eine Träne von Celine wegzustreichen „Habe ich dich dadurch bekommen. Du bist meine liebe kleine Schwester." 



                                                                                  ~*~*~*~*~



„Bitte was?", stammelte Nathalie, während sie Gabriel ein paar mal kurz anblinkte. Sie versuchte zu verarbeiten, was sie soeben gehört hatte, ohne dabei ihre Professionalität zu verlieren. Etwas, was ihr gerade jetzt nicht gelang. 
„Du hast mich schon verstanden. Ich werde eine Gala veranstalten. Hier in der Villa" wiederholte Gabriel ein weiteres Mal. 
Erneut konnte Nathalie nicht anders als ihn unglaubwürdig anzublinken. 
Die Events, die dazu geleitet hatten, dass Nathalie akumatisiert wurde, lagen nun ein paar Tage in der Vergangenheit. Langsam hatte sich der Trubel gelegt, welches dies verursacht, hatte was besonders daran lag, dass Celine eine große Hilfe für Nathalie geworden war. Beide hatten sich ausgesprochen und beschlossen gemeinsam einen Schritt in eine Zukunft zu machen, in welcher sie offener und ehrlicher miteinander umgehen konnte. Es war ein Work in Progress. 
Um so überraschter war Nathalie jetzt über die Entscheidung ihres doch sehr introvertierten Bosses, aus heiterem Himmel eine riesige Gala zu veranstalten, mit allen wichtigen Persönlichkeiten in seinem weiteren Umfeld. 
„Ich denke, es ist angebracht, die doch sehr gelungene Veröffentlichung meiner Designs zu feiern, meinst du nicht auch?" fügte Gabriel noch hinzu, nachdem er die leichte Überforderung seiner Assistentin war genommen hatte.  
„Dafür.. gibt es doch auch andere Wege, Sir. Mit aller Achtung, aber es ist das erste Mal das du es das für wichtig hältst. Zumindest seit-"
„Seit meine Frau nicht mehr da ist. Ja. Darüber bin ich mir bewusst." 
Nathalie schwieg für ein paar Sekunden. Es war ihr bewusst, wie vorsichtig sie ihre nächsten Worte wählen musste. Emilie war und wird wohl immer ein schmerzhaftes Thema bleiben, auf welches man Gabriel Agreste besser nicht ansprechen sollte. 
„Es gibt auch andere Möglichkeiten, so etwas Spektakuläres zu feiern." 
„Willst du also sagen, ich wäre nicht in der Lage eine Gala zu veranstalten, seit meiner Frau nicht mehr da ist?", fragte sie Gabriel mit einem gestochen scharfen Blick, der sie nur so erschaudern ließ. Zum Glück war sie Profi darin, dies zu verstecken. 
„Nein! Ich mache mir lediglich Sorgen um Sie, Sir. Es wird immer hin eine sehr große Veranstaltung." 
Zufrieden mit dieser Antwort wendete sich Gabriel wieder ab, zurück zu seinen Designs auf seinem Bildschirm. „Die Villa ist groß genug. Wir werden Caterer bestellen, welche die Gäste mit Getränken und Speisen versorgen werden. Natürlich darf man auch gerne Begleitung mitbringen." 
Bei dieser Information konnte Nathalie nicht anders als von ihrem Tablett, auf welchem sie das alles notierte, hellhörig zu werden. „Begleitung?" 
„Begleitung. Jeder ist Willkommen." 
„Also - Theoretisch ein Date für den Abend"
„Ja. Nathalie, das ist doch nicht deine erste Gala." 
„Natürlich nicht Sir, ich erkunde mich lediglich für die Einladung der Gäste." Hastig wendete sie ihren Blick zurück auf ihr Tablet. Ein Date. Für einen Abend also. Bei dem Gedanken allein wanderten ihre Augen erneut herüber zu ihrem Boss. Sollte sie ihn direkt fragen? Es beiläufig erwähnen? Sollte sie es überhaupt fragen. Immerhin war es immer noch die erste Gala ohne seine Frau. Was, wenn es für ihn noch zu früh war. Dann war das ganze aber auch schon wieder 10 Jahre her. 
„Hast du bereits einen Termin, an welchem es stattfinden soll?" 
„Angesetzt habe ich den kommenden Samstag. Schreib bitte in die Einladungen eine eher formellen Kleidung style, erwarte. Wie jedes Mal, aber man kann natürlich nicht sicher sein." 
„Natürlich, Sir."
Gabriel nutzte die Chance, einen Blick auf sie zu erhaschen, während Nathalie darauf konzentriert war, alles zu notieren, was er verlangte. 
Sie sah wunderschön aus. In ihrem roten Blazer und der schwarzen Jacke, auf welches das sanfte Licht der Abendsonne traf. 
„Weißt du schon was du anziehen wirst?", fragte Gabriel, worauf hin Nathalie ihn verwundert ansah
„Darf ich das verstehen, dass du mich dabei haben willst?" 
„Ich könnte das gar nicht ohne dich", erwiderte Gabriel, was Nathalie wieder einmal dazu benötigte, zu blinzeln. Beide schauten sich für ein paar Sekunden an, bevor sie schnell den Kopf wegdrehten. „Ich denke, ich habe etwas, was ich anziehen könnte." fügte Nathalie noch schnell hinzu, was Gabriel abwesend abnickte. 
„Natürlich muss es auch kein Kleid sein. Ein Anzug ist auch vollkommen angebracht, solltest du dich in diesem wohler fühlen." 
„Ich werde schon was finden."
„Gut, Gut" fügte Gabriel hinzu, bevor er sich einmal räusperte. „Ich habe da tatsächlich auch noch ein weiteres Anliegen, zu dem ich deine Meinung hören möchte. Was hältst du davon, Mayura ein zuladen?" 
„.. Mayura?" wiederholte Nathalie, während ihr das Herz in die Hose rutschte. 
„Ich dachte, es wäre eventuell angebracht. Sie leistet so viel gute Arbeit, und ist eine wahre Schönheit. Ich dachte vielleicht würde es Leute noch eher bewegen zu erscheinen, sollte Sie anwesend sein." 
„Bei allem Respekt, Sir. Ein Superheld ist keine Touristenattraktion." 
„Nein. Natürlich nicht."
„Warum möchtet ihr Sie dann einladen, wenn nicht als Attraktion?" 
„Das wäre nur der nette Bonus, Ich.. hatte daran gedacht sie, als mein Date einzuladen." 
Es kostete Nathalie sämtliche noch verbleibende Selbstbeherrschung in dem Moment, das Tablet in ihren Händen nicht in zwei zu spalten. Genügend Wut dafür hätte sie. 'Als Date also'
„Ihr könnt sie ja fragen, Sir!" zischte Nathalie Gabriel an, in einem Ton, der ihr das doch sehr stark betonte ‚Sir' noch gerade so durchgehen lassen wird. 
„Aber wann sollte ich sie antreffen?" 
'Stell doch eine Anfrage in der Zeitung.' „Sir, fragt sie doch einfach, wenn es das nächste Mal eine Akumaattacke gibt."
„Aber dann müsste ich ja auf darauf warten, dass Hawk Moth sich wieder in Bewegung setzt."
„Einen Superhelden anzutreffen wird schwer sein, ohne Bösewicht, den es zu bekämpfen gilt." 
Fragend schaute Gabriel erneut zu Nathalie, welche nun überhaupt nicht mehr den Blick auch nur in seine Richtung richtete, sondern stur das Tablet anstarrte. 
Sollte er noch etwas sagen? Besser nicht. Er würde es wohl doch nur schlimmer machen. Und nachfragen hielt er ebenfalls für unangebracht. 

                                                                                       ~*~*~*~*~

„Nathalie! Ich bin Zuhause!" verkündete Celine, welche soeben mit einer vollen Einkaufstüte zur Haustür hereinkam. 
Jedoch kam ihr nun Duusu entgegen. „Miss Celine..." 
„Duusu!" begrüßte sie Celine mit einem breiten Lächeln „Keine Sorge. Ich habe wieder die kleinen Süßigkeiten besorgt, welche du so gerne isst." welchem Duusu jedoch kaum Aufmerksamkeit schenkte.
„Miss Nathalie.. Ich weiß nicht, was mit ihr los ist!"
„Nathalie? Was ist passiert?" 
„Ich weiß es nicht! Sie sitzt seit Stunden auf der Couch und trinkt nur diesen komischen Saft.. Spricht dabei aber kein Wort.." 
Hastig stellte Celine die Tüten im Flur ab, um mit Duusu zusammen in das Wohnzimmer zu hasten. 
Nathalie selbst hat es sich halbwegs bequem gemacht, ihren Blazer hatte sie in die Ecke gedonnert und auch ihr Dutt hatte schon deutlich bessere Tage gesehen. Sie musste schon eine Weile da sitzen. 
„Nathalie?..", fragte Celine vorsichtig, um auf sich aufmerksam zu machen. 
Für eine Sekunde drehte Nathalie den Kopf zu ihrer Schwester anzuschauen nur, um sich dann doch wieder der Flasche zuzuwenden. 
„Willst du mir.. erzählen, was los ist?" startete sie einen erneuten Versuch. 
„Gabriel ist ein Arsch" hauchte Nathalie nun hervor. Noch immer mit klarer Stimme, doch man merkte, sie hatte gut einen im Tee. 
„Okay.. und warum?" 
„Anscheinend hat er jetzt von Blondinen abgelassen und sich einem neuen Beuteschema zugewendet. Blondinen waren gestern, der neue Trend für den modebewussten Modekönig sind Blauhaarige." 
Ein schneller Blickaustausch mit Duusu verriet Celine, dass auch der kleine Kwami keine Ahnung hatte, wovon sie sprach. „Also hat er sich eine Freundin zu gelegt?" 
„Quatsch. Wer würde schon freiwillig mit ihm schlafen." 
'Du meine Liebe..'. Langsam kam Celine auf sie zu, um sich neben ihm auf die Couch zusetzten. „Was ist dann das Problem? Er hat keine Freundin. Also wie kommst du darauf, dass er auf Blauhaarige steht?" 
Genervt von dieser Frage nahm Nathalie noch einen Schluck direkt aus der Flasche, bevor sie weiter erklärte „Er plant eine Gala. Leute können Begleitung mitbringen als Date. Und Mr. Ach so toll - Agreste will sich als Begleitung die ach so feine Mayura einladen." 
„.. Dir ist bewusst, dass du das bist. Du hast also ein Date mit ihm. Was ist daran so besäufnisserregend?" 
Verständnislos starrte Nathalie sie nun mit gläsernen Augen an, „Hast du mir nicht zugehört? Er will nicht mich, er will Mayura"
„DU bist Mayura!" 
„Aber er soll nicht die Mayura Version mögen. Er soll mich mögen!" 
„Das ist noch lang kein Grund, sich volllaufen zu lassen.." 
Genervt schaute Nathalie erneut zu ihr herüber „Bist du meine Mutter.. denn das ist eine Menge an Verurteilung, die ich da spüre." 
Ebenfalls genervt rollte Celine mit ihren Augen, bevor sie Nathalie, die Flasche aus der Hand, nahm, welche Nathalie kurz hinterherschaute, nur um sich dann doch zurück aufs Sofa fallen zu lassen. „Da opfert man dem Mann seine kostbaren Lebensjahre, und das ist der Dank, den man bekommt." verkündete sie leicht schmollend. „Er fällt für die erst beste..." 
„Noch mal. Das bist immer noch du." 
„Ich will aber nicht, dass er die Version mag.. Ich will, dass er das Original mag.." 
„Sie es doch mal so" sprach Celine, bevor sie behutsam das Haargummi und die Klammern löste, welche Nathalies letzten Reste des Duttes zusammengehalten hatten, sodass ihre Haare jetzt langsam auf ihre Schultern geleiteten. „Zumindest hat er schon mal an einem Teil von dir Gefallen gefunden. Nun musst du ihn nur vom Rest überzeugen." 
„Hmh..." nuschelte Nathalie, während sie es sich über ergehen ließ, wie Celine ihr durchs Haar streifte. „Und wenn er sich in deine Version von Mayura verliebt hat?" 
„Dann gebe ich ihm einen Korb. Versprochen!" verkündete Celine lachend, was auch sie nun zum Lächeln brachte. 

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