Goldeneye ( Teil 1 )

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Eine der ersten Erinnerungen, welche Nathalie besaß, war diese, in welcher sie in den liebevollen Armen ihres Vaters saß und dem lauschte, was er ihr erzählte. Er würde sich dabei dann immer in seinem geliebten smaragtfarbenen Sessel setzten. Auf dem kleinen Holztischen neben diesem würde dabei dann immer zwei Tassen Tee platziert werden, denen keiner der beiden weiter viel Beachtung schenkte. Manchmal würden beide da sitzen und einfach nur reden, andere Male würde er ein Buch halten und Nathalie aus diesem vorlesen und in Nathalies Lieblingsmomenten würde er seine Hände um sie schlingen und ihr ein Lied vorsingen. Es war ein englisches Lied, dessen Bedeutung Nathalie erst viele Jahre später herausfinden konnte, doch damals hatte sie das nicht weiter gestört. Neugierig würde sie den Tönen ihres Vaters lauschen, während er ihr dieses vorsang.
Melancholisch von dieser Erinnerung gerührt, griff Nathalie nun nach dem Bild, welches sich auf der Kommode befand. Es war ein Bild, das die guten alten Zeiten für immer in diesem gefangen hatte, doch für Nathalie meistens nichts als schlechte Erinnerungen weckte. Außer heute.
Traurig lächelte Nathalie den Mann auf dem Bild jetzt an „Alles Gute zum Geburtstag, Dad" hauchte sie leise hervor, bevor sie diesem einen Kuss gab und zurück an seinen Platz stellte. Der silberne Ring, das einzige Andenken und Erbstück, welches Nathalie von ihrem Vater besaß, funkelte dabei für einen kurzen Moment auf als die wenigen Sonnenstrahlen, welche durch das große Fenster auf ihn trafen.
In Paris war bereits etwas Zeit vergangen, seit dem Hawk Moth mit Truth einen weiteren Angriff gestartet hatte. Merkwürdig daran war, dass er seit dem keinen weiteren Versuch mehr gewagt hatte. Nathalie wusste, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sich dies ändern würde. Doch sie würde daran denken, wenn es so weit wäre. Sie hatte momentan andere Sorgen. Immer hin ging sie ihrer Schwester weiterhin bei jeder Möglichkeit aus dem, um nicht mit einer unangenehmen Wahrheit und einem Gespräch konfrontiert zu werden. 'Ich bin kindisch..' schoss es ihr dabei immer durch den Kopf. Doch nicht heute. 
Behutsam nahm sie den Blumenstrauß, welchen sie zuvor besorgt hatte, von ihrem Tisch und schritt zur Tür. Ein letztes Mal drehte sie Nathalie nun um zu ihrer Kommode, um einen Blick auf das Bild zu erhaschen, bevor sie den Raum verließ. 


                                                                                       ~*~*~*~*~*~

Die Busfahrt, welche Nathalie hinter sich brachte, war für sie lang und beschwerlich. Nicht zuletzt, weil jeder natürlich, der sich auch nur ein wenig mit Mode auseinandersetzte, ihr Gesicht kannte. Die Schattenseiten, die daraus resultierten, für einen bekannten und berühmten Modedesigner wie Gabriel Agreste zu arbeiten. Für Nathalie war dies Grund genug, ein Auto über öffentliche Verkehrsmittel zu bevorzugen. Doch war heute einer dieser selten Tage, in denen es sie es bevorzugte, wie jemand Normales den Bus zum nächstgelegenen Friedhof zu benutzen, während sie so manchen Blick, der ihr zu geworfen wurde, gekonnt ignorierte. 
Der Job hatte sie gelehrt, immer einen kühlen Kopf zu wahren und ihre Gefühle nicht offen zu zeigen, eine Fähigkeit, die ihr auch in solchen Situationen half. 
Was sie jedoch wiederum störte, war der aufdringliche Blick des kleinen Kwamis in ihrer Manteltasche, der schon beim bloßen Hinschauen verriet, was dem Wesen auf der Seele brannte. 
Nathalie war wenigstens dankbar, dass Duusu es so weit schaffte, sich zurückzuhalten, dass sie niemand bemerken konnte. Immerhin hatte sie eine nicht gerade unauffällige Farbgebung. Und Nathalie konnte sie auch schlecht herausreden, wenn man sie darauf ansprechen würde. 
Hastig warf sie einen Blick aus dem, Fenster, bevor sie den Knopf zum Halten des Busses betätigte, um an der nächsten Haltestelle diesen zu verlassen. Schnell bahnte sie sich ihren Weg aus der Menschenmasse und mit einem letzten Schulterblick bestätigte sie sich, dass sie nun ungestört ihren Weg fortsetzten könnte. „Was möchtest du, Duusu?", fragte sie jetzt ihren kleinen Kameraden, der sich daraufhin ein Stück weiter in ihre Tasche verkroch. „Nichts.." nuschelte Duusu leise, was Nathalie zum Seufzen brachte. „Du schaust mich schon den ganzen Weg über an. Was brennt dir auf der Seele?" wiederholte sie ihre Frage mit anderen Worten in der Hoffnung jetzt eine Antwort zu erhalten. 
„Ich.. also" stotterte Duusu leise, bevor sie ihren Blick auf Nathalie fixierte „G-Geht es dir gut?" fragte sie vorsichtig. 
„Warum sollte es mir nicht gut gehen?" 
„Na ja... Du weichst seit Tagen Miss Celine aus." bevor sie kurz passierte und ihr kleines Ärmchen auf den Strauß weißer Lilien in Nathalies Hand richtete „Und diese Blumen... Ich weiß nicht wie es ist jemanden an den Tod zu verlieren aber.. macht das euch Menschen nicht sonst immer traurig?" 
Ein leichtes Lächeln formte sich auf Nathalies Gesicht, während sie Duusu einen Blick zu warf, bevor sie um eine Ecke bog „Tod ist nicht immer etwas Schlechtes. Es ist traurig jemanden zu verlieren, den man mochte, doch ist es in manchen Fällen der bessere Weg. Und er ist nun mal eine unvermeidliche Tatsache, welche auf jedes lebende Wesen zu kommen wird." 
„Besserer Weg?" 
„Nimm an, einer deiner Kwami Freunde würde an einer Krankheit leiden. Man kann sie nicht heilen, lediglich die Symptome mindern, unter denen dein Freund leidet. Der Tod würde ihn davon erlösen, den dieser ist nicht grausam, sondern friedlich."
Erstaunt und mit großen Augen schaute Duusu nun zu ihr herauf, „Aber.. Kwamis sterben nicht.." 
„Es ist eine hypothetische Situation. Der Tod meines Vaters ist indessen mal etwas, womit ich leben muss" 
„Aber.. Was ist mit Celine?" 
„Das ist nur eine kleine Meinungsverschiedenheit" nuschelte Nathalie in einem Ton als müsste sie sich selbst überzeugen, das wäre der Grund, wieso sie ihrer Schwester aus dem Weg ging. 
„Aber wie könnt ihr verschiedene Meinungen haben, wenn ihr gar nicht redet?" 
„Es ist... einfach kompliziert.." nuschelte Nathalie ein weiteres Mal während sie durch ihr Haar wuschelte, bevor sie um eine Ecke den Friedhof betrat „Kannst du mir einen Moment geben?"
„Sicher" bestätigte Duusu, bevor sie wieder tiefer in Nathalies Jackentasche verschwand. 


                                                                                  ~*~*~*~*~*~

Unter dem wachendem Auge seines Kwamis streifte Gabriel hastig von einem Ende des Zimmers in das andere. Dabei wurde er konstant von dem Gefühl verfolgt, welches seinen Miraculous zum Leuchten brachte. Gott sei Dank war er allein. 
Hastig marschierte er in einem konstant hastigen Gang den Raum entlang, blieb eine Sekunde stehen und starrte den Boden unter ihm an. Gelegentlich konnte man sogar für einen kuren Augenblick eine Ader auf seinen Schläfen pulsieren sehen. Er war hin- und hergerissen zwischen seinen Gefühlen in diesem Moment. Hastig fuhr er sich mit dem Finger durch sein Haar, bevor er eine Kehrtwende machte und den Weg zurück marschierte.
Nooroo selbst konnte nichts anderes, als ihn einfach nur dabei beobachten. Er verstand nicht, wieso sein Meister sich so quälte. 
„Meister?" 
„Es ist riskant.." nuschelte Gabriel, während er seine Fingerspitzen über seine Nase fuhren ließ, „Aber sie wäre perfekt.. Aber dann wieder...." 
Nooroo konnte nicht anders als einfach nur mit seinem Köpfchen zu schütteln. „Meister?", versuchte er erneut zu Gabriel durchzudringen. Dieses Mal ohne Erfolg, da Gabriel erneut in Schweigen verfallen war. Er hatte seinem Ziel, am Ende des Raumes bereits ein weiteres Mal erreicht. Die schwarze große Wand versperrte ihm jegliches weitergehen. Mit glasigem Blick starrte Gabriel durch diese Gefühlt hindurch, während seine Hand den Weg in seinen Mund gefunden hatte. Zumindest seine Fingerspitzen. 
„Meister!!!", rief Nooroo nun laut und deutlich, was selbst Gabriel aufhorchen ließ 
„Was ist Nooroo?" 
„Wieso quält ihr euch so?" 
„Weil es eine schwere Entscheidung ist, ob ich jemanden akumatisieren sollte, welcher mir so nah steht" erklärte Gabriel ihm in einem scharfen Ton. 
„Aber sie wird sich ohnehin nicht mehr daran erinnern können, Meister." 
Der scharfe, zielstrebige Blick Gabriels brachte seinen Kameraden erneut zum Schweigen. Er hatte recht. Sie würde sich nicht mehr daran erinnern können. Gabriel jedoch würde das nie vergessen können. Doch Mayura würde sie retten, stimmts? Und Nathalie könnte ihm eine Hilfe sein, herauszufinden, wer sich hinter der Maske befinden würde. Es würde alle einfach nur einem größeren Zweck dienen. Stimmts? 
Hastig von diesem Mut beflügelt drehte sich Gabriel um zur Tür. Er würde die Chance nutzen, seine Unsicher in die Schranken weisen und diese Möglichkeit ergreifen. 
Immerhin war es alles ja nur ein Teil seines Plans. Stimmts? 

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