Die Entscheidung

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Zwei Stunden war sie gelaufen, lag danach eine Weile in der Badewanne, um zu entspannen, und versuchte es sogar mit Meditation.
Erfolglos.
Sie kam nicht zur Ruhe, die Gedanken drehten sich unaufhörlich weiter.
Konnte sie damit leben?

Ihr erster Impuls war es gewesen Hector anzurufen und ihn nach Hannah zu fragen. War diese wirklich verschwunden, würde er es wissen.
Aber wenn sie das tat, wollte er wissen, wie Nora auf Hannah kam, und dann?
Wenn sie Hector erzählte, was für neue Chats auf ihrem Handy waren, würde sie sich etwas anhören dürfen.
Vor allem den Chat mit diesem Hacker, der eindeutig Zugriff auf ihr Smartphone hatte, war mehr als nur ein wenig verdächtig.

Und trotzdem ließ sie der Gedanke nicht los, dass sie helfen könnte und müsste.

Mit ihrem Smartphone setzte sie sich aufs Sofa und suchte im Chatverlauf mit Thomas und seinen Freunden nach den Informationen, die sie brauchte.
Dann gab sie diese in die Suchmaschine ein. Hannah Donfort, Duskwood.
Ein kleiner Bericht erschien, ein Foto von Hannah und die Polizei bat um Hinweise.
Wie Thomas schon geschrieben und der Hacker es gesagt hatte, Hannah war vor drei Tagen verschwunden.

Drei Tage.

Schnell schloss sie die Augen, versuchte tief zu atmen, zählte in Gedanken bis zwanzig und kämpfte gegen das Zittern und das Gefühl der Ohnmacht.
Aber es war zu spät, die Panik schnürte ihr bereits den Brustkorb zusammen.

Zusammengekauert lag sie auf dem Sofa, die Beine angezogen und mit ihren Armen fest umklammert. Einzelne Tränen liefen ihr über die Wangen.
Die Panikattacke hatte sie komplett unvorbereitet getroffen.
Seit Monaten war sie davon verschont geblieben, hatte gehofft sie endlich hinter sich gelassen zu haben. Offensichtlich hatte sie sich dabei geirrt.

Ihr Mund war trocken, sie hatte unglaublichen Durst und fühlte sich wie gerädert.
Es waren nur wenige Minuten vergangen, auch wenn es ihr jedes Mal wie Stunden vorkam, aber diese paar Minuten reichten aus, um sie wahrscheinlich den restlichen Tag lahm zu legen.
Und doch hatte sie wegen dieser Panikattacke eine Entscheidung getroffen.

Gab es auch nur eine winzige Möglichkeit, dass sie tatsächlich dabei helfen könnte Hannah zu finden, würde sie das tun.
Bevor sie ihre Meinung doch noch ändern konnte griff sie nach ihrem Handy, welches auf dem Boden neben dem Sofa gelandet war, und öffnete den Chat des Hackers.

Let'sSchwätz
???
Offline

Nein, kann ich nicht...



Sie hatte noch eine gute Stunde gebraucht, bis sie es geschafft hatte sich aufzurappeln und in ihre Küche zu gehen.
Appetitlos rührte sie in der Tomatensoße, die Spaghetti köchelten vor sich hin.
Würde ihr Magen nicht fast im Sekundentakt vor sich hin grummeln, hätte sie auf das Mittagessen einfach verzichtet.

Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht, als ihr Magen erneut brummte und es sich anhörte wie das Vibrieren ihres Handys.
Seit dem Morgen drehten sich all ihre Gedanken um die Chats, jetzt passte sich ihr Bauch schon an. Doch wenigstens dem konnte sie Abhilfe schaffen.

Das Essen war fertig und sie schöpfte sich eine Portion.
Damit setzte sie sich an den Tisch, auf dem schon ihr Laptop stand und ein Sattelitenbild von Duskwood zeigte. Über 1500 Meilen trennte sie von Hannahs Heimatstadt.
Wobei Stadt auf Duskwood bezogen wohl etwas übertrieben war, zumindest wenn man wie Nora Tucson als Vergleich nahm.
Aber Duskwood wirkte gemütlich und irgendwie gefiel es Nora sogar. Ein paar Restaurants, Cafés, eine kleine Fußgängerzone, eine Bibliothek und eine Bar. Aurora.

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