Er ist wieder da

194 9 0
                                    


Um halb zwölf gingen die letzten Gäste und Phil schloss hinter ihnen die Tür der Aurora ab.
Wegen dieser halben Stunde musste jetzt auch niemand mehr kommen.
Milow hatte schon Feierabend, Jessy ließ den Kassenausdruck raus und Nora räumte die letzten Gläser in die Spülmaschine.

„Ich weiß echt nicht, wie ich euch beiden danken soll", sagte Phil. „Ich war echt überrascht, als Mister Radowitz mich hier abgesetzt hat und die Aurora geöffnet war."
„Wir haben das gern gemacht. Oder Nora?", fragte Jessy.
Nora nickte. „Klar."
„Wir haben gehofft so die Gerüchteküche ein wenig kleiner zu halten", erklärte Jessy weiter. „Dass du dann noch kamst war natürlich super. Jetzt wissen sie gleich, dass du unschuldig bist."

Phil rieb sich den Nacken und lehnte sich gegen die Arbeitsfläche.
„Du arbeitest morgen ja wieder bei Richy, was ist mit dir Anne? Du brauchst nicht zufällig nen Job?"
„Brauchen? Nein", antwortete sie. „Aber was anderes hab ich nicht vor." Sie grinste.
„Das heißt?", er zog fragend eine Augenbraue nach oben.
„Wenn es dir hilft, dann kann ich gerne aushelfen, bis du jemanden gefunden hast", meinte sie. „Dann sitz ich auch nicht nur im Motel rum."

„Ja cool", stimmte er zu. „Das würde mir wirklich helfen. Kannst du morgen schon?"
„Kann ich", bestätigte sie. „Ab wann?"
„Hm", überlegte er. „Milow meinte heut war ganz schön was los. Wohl weil alle wissen wollten, ob das mit der Verhaftung stimmt."
Jessy nickte. „Aber hallo. Sogar Lydia und Angelina waren hier."
Phils Blick wirkte überrascht, wer Lydia und Angelina aber waren, erklärte Nora niemand, und sie wollte auch nicht nachfragen.
„Dann vielleicht gleich um zwei, wenn wir öffnen? Oder ist dir das zu lange dann?"
„Ist okay für mich. Außerdem bist du ja wohl der Chef", entgegnete Nora grinsend.

„Stimmt. Und als Chef ordne ich jetzt an, dass ihr euch was zu trinken nehmt und euch setzt. Jessy wird sicher nicht gehen, bevor ich genauer erzählt habe, was bei der Polizei war."
„Da hast du recht", gab diese gleich lachend zu. „Was willst du noch Anne? Auch ein Wein?"
„Wasser", antwortete Nora. „Ich bin mit dem Auto da."
„Okay."
Schnell schenkte sich Jessy ein halbes Glas Wein ein, für Nora ein Wasser und gab Phil die Bierflasche, die er zuvor schon angetrunken hatte.

Dann saßen alle um einen der Tische.
„Also, wie ich schon sagte, die Frau starb schon vor ungefähr zwei Wochen, wurde aber angeblich verbrannt und letzte Woche bestattet. Der Bestatter hat den Einbruch und den Diebstahl nicht gemeldet. Das war Freitag letzte Woche. Da in der Hosentasche der Frau die Streichholzschachtel der Aurora steckte, kamen sie auf mich. So hat mir das der Anwalt erklärt, denn die Polizisten haben mich erst mal komplett ignoriert, mir nichts gesagt, mich aber auch nichts gefragt."

„Ich glaube das war die Schuld des Anwalts", unterbrach ihn Nora. „Er hat bei der Polizei angerufen und wollte wissen, warum du verhaftet wurdest und hat sich angekündigt. Sie durften wohl gar nicht mit dir reden, bevor er mit dir gesprochen hat."
„Ja, klar, kann schon sein." Er zuckte mit den Schultern. „Ich hab das alles also erst von ihm erfahren und er hat mich natürlich mehrfach gefragt, ob ich damit irgendetwas zu tun hätte. Selbst wenn ich es jetzt zugäbe, würde er mich da schon raus boxen. Ich wäre nicht der erste Schuldige, der freigesprochen würde. Schon krass, oder? Der weiß, dass die Typen Dreck am Stecken haben und frei rum laufen."
„Boah, das ist echt heftig. Und dann soll man auf unser Rechtssystem vertrauen", schnaubte Jessy.

„Ich hatte ja aber mit der Sache nichts zu tun, weiß nicht mal wo dieser Bestatter ist, denn er ist nicht aus Duskwood. Also hab ich überlegt, was letzten Freitag war, da war ich hier, wie immer und ich konnte mich auch noch gut an ein paar der Gäste erinnern. Ich hab dem Anwalt ein paar Namen aufgeschrieben und er meinte okay, dann gehen wir ins Verhör. Davor hat er dir dann noch Bescheid gegeben. Im Verhör sollte ich mir dann alles erst mal genau anhören, das hab ich auch gemacht. Sie hatten wirklich nichts in der Hand außer dieser Streichholzschachtel. Immer wieder haben sie mich nach der gefragt. Dabei kann die wirklich jeder mitgenommen haben. Die liegen hier überall rum. Auf der Theke, auf dem Tischchen neben dem Eingang. Manchmal find ich die sogar auf dem Klo, wenn dort jemand heimlich geraucht hat. Und auch beim Sommerfest im Zentrum hab ich ne Bar aufgebaut, da gibt es die natürlich auch. Für die Polizisten war das aber kein Argument. Da sie keine anderen Spuren hatte, also keine Fingerabdrücke, Haare, DNA oder so brauchten sie ein Geständnis. Dann fingen sie damit an, auf mich einzureden, dass wir das ganze abkürzen könnten, es würde nicht an die große Glocke gehängt und niemand würde erfahren, was ich getan hätte. In einer Stadt wie Duskwood würde doch sonst jeder meine Bar meiden. Und das ganze Gerede das dann entstehen würde. Wenn ich gestehe, dann wäre die Sache schnell erledigt, ich würde vielleicht sogar mit Bewährung davon kommen, weil ich einsichtig bin. Der Anwalt hatte bis dahin nichts gesagt, aber das war zu viel. Er hat ne totale Szene gemacht. Was sie sich eigentlich dachten? Jeder Staatsanwalt würde sie auslachen, wollten sie mich deshalb wirklich anklagen. Es gab keine Spuren, die hätte ich verwischt, dann aber soll ich so blöd gewesen sein der Leiche etwas in die Tasche zu schieben, das die Polizei direkt zu mir führt? Und dann noch eine Sache, zu der jeder x-beliebige Zugriff hatte. Sie sollten sich vielleicht mal den Besitzer des Bestattungsunternehmens genauer anschauen, es würde ja gewiss einen Grund geben, warum er den Einbruch nicht gemeldet hatte. Und zu guter Letzt legte er ihnen meine Liste mit den Leuten vor, die ganz sicher an dem Freitag in der Aurora waren und bezeugen konnten, dass ich dort bis zwei Uhr morgens hinterm Tresen stand. Den ersten Namen würden sie ja sicher gleich erkennen. Immerhin war Alan Bloomgate ja einer ihrer Kollegen. Den beiden Polizisten blieb erst mal der Mund offen stehen, dann verließen sie den Verhörraum. Als sie nach einer halben Stunde oder so wieder zurückkamen mussten sie kleinlaut zugeben, dass Alan meine Aussage bestätigt hatte. Er und sein Kumpel Cedric hatten sich gegen neun bei mir getroffen und waren geblieben, bis ich zugemacht habe. Da war es sogar schon nach zwei. Ich dachte, cool jetzt kann ich gehen, aber die Fragen gingen weiter. Ob ich Feinde hätte, ob ich mir vorstellen könnte warum mir das jemand anhängen wollte? Dann wollten sie plötzlich über Hannah reden. Radowitz ging dazwischen. Er meinte ich würde ihre Fragen erst beantworten, wenn ich offiziell nicht mehr wie ein Verdächtiger behandelt werden. Wenn das hier nur eine Befragung war, dann sollten sie mir gefälligst endlich die Handschellen abnehmen und mir vielleicht auch mal was zu trinken anbieten. Immerhin war ich da schon seit Stunden auf dem Revier. Ich muss zugeben, der macht schon nen ziemlichen Eindruck und mir wurden auch sofort die Handschellen abgenommen und ein Wasser gebracht. Natürlich kann ich mir nicht vorstellen, wer mir das anhängen wollte. Das trau ich ja nicht mal deinen Freunden zu."

Willkommen in DuskwoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt