Noch bevor sie die Augen öffnete spürte sie, dass sie nicht alleine war.
Da war jemand in ihrer direkten Nähe.
Da war er.
Wo sie war, oder wie sie hierhergekommen war, wusste sie nicht, aber es war nicht ihr Motelzimmer.
Das konnte sie riechen.Es roch modrig und gleichzeitig nach Waschmittel.
Fest hielt sie die Augen geschlossen, wollte noch nicht zu erkennen geben, dass sie aufgewacht war.
Wollte sich nicht eingestehen, dass es wirklich er war.
Und doch wusste sie es bereits.
Hatte es schon gewusst, bevor die Nadel der Spritze sich in ihren Hals gebohrt hatte und nur Sekunden später alles um sie herum in Dunkelheit versank.Er hatte sie erwartet, hatte sich wahrscheinlich hinter der Zimmertüre versteckt gehalten.
Aber vermutlich hätte er sie sogar überwältigen können, wenn er mit ausgebreiteten Armen auf sie gewartet hätte.
Denn sie hatte nicht aufgepasst, hatte das Zimmer lächelnd und in Gedanken an Phil und den Kuss betreten, ohne etwas um sich herum mitzubekommen.
Dass etwas nicht stimmte hatte sie erst bemerkt, als sich eine Hand von hinten um sie geschlungen hatte und sich auf ihren Mund gelegt hatte.
Ein Körper hatte sich von hinten an sie gedrückt und sie erstarrte.
Sie wusste ihr Ende war gekommen, als sie die Stimme hörte.
Leise, aufgeregt und viel zu nah.
„Aurora."
Dann spürte sie die Spritze in ihrem Hals.Sie konnte nichts dagegen tun.
Ihr Körper bebte, ihr Atem ging immer schneller, ihr Brustkorb schnürte sich zusammen und sie hörte es in ihren Ohren rauschen.
Zwei Arme schlangen sich um sie, zogen sie an einen warmen Körper.
Leise Worte wurden geflüstert, die jedoch nicht gegen das Rauschen in ihren Ohren ankamen, ihr Bewusstsein nicht erreichten.Sie wollte ihn von sich stoßen, ihn anschreien, ihm den Tod wünschen, doch sie bewegte sich nicht.
Die Welle der Panik, die er in ihr auslöste brachte auch etwas anderes mit sich.
Etwas Bekanntes, Vertrautes und Tröstendes.
Es war als wollte ihr Körper sich wenigstens einen Moment der Geborgenheit hingeben, sich an das erinnern, was sie einmal hatten.
Sie wusste es war falsch, die Alarmglocken in ihrem Kopf übertönten selbst das Rauschen, und dennoch gehorchte ihr Körper nicht, blieb zitternd in seinen Armen liegen.
Nora musste erneut eingeschlafen sein und als sie diesmal zu sich kam war sie alleine.
Einen Moment flüsterte eine leise kleine Hoffnung in ihr, dass sie nur wieder einen schlechten Traum gehabt hatte, dass sie in ihrem Bett im Motel lag.
Aber sofort verstummte diese Hoffnung, als sie die Augen öffnete.
Sie war nicht im Motel.Sie befand sich in einem Schlafzimmer, das sie nur zu gut kannte.
Zumindest fast, etwas stimmte nämlich nicht.
Die Fenster.
Sie waren nur aufgemalt.
Ansonsten stimmte alles.Die beiden Türen, eine ins Badezimmer, eine in den Flur, der Schreibtisch unter einem der Fenster, der Fernseher in der Ecke, das gefüllte Bücherregal neben der Badezimmertüre und an der anderen Wand der dreitürige Kleiderschrank.
Würde sie ihn öffnen war er sicher auch noch gleich eingeräumt.
Links ihre Sachen, rechts seine, in der Mitte die Blusen, Röcke, Kleider und Hemden an der Kleiderstange.
Wieder spürte sie die Panik in ihr aufkeimen, aber diesmal reagierte ihr Körper anders.Eilig schlug sie die Decke zurück, ignorierte ihre wackligen Beine, die sie kaum tragen konnten und stürmte auf das Badezimmer zu.
Kaum hatte sie die Toilette erreicht beugte sie sich auch schon darüber und erbrach sich.
Mehrmals, bis sie nur noch würgte, den bitteren Geschmack von Galle in ihrem Mund, und sich kraftlos gegen die Wand lehnte.
Sie hatte einige Zeit gebraucht, bis sie es schaffte den Kopf anzuheben und sich umzusehen.
Auch hier im Badezimmer war das Fenster nur aufgemalt und obwohl der Grundriss stimmte fand sie noch andere Unterschiede.
Die Dusche war hier ebenerdig und statt einer Glaskabine wurde sie von zwei gemauerten Wänden eingefasst. Nach vorne hin war sie offen.
Der Spiegel über den Waschbecken war kein richtiger Spiegel, sondern nur eine aufgeklebte Folie.
Das Regal daneben war hier offen, darin lagen Handtücher und Hygieneartikel.
Würde sie den Waschbeckenunterschrank öffnen, würde sie sicherlich Putzmittel darin finden.
Hätte sie nicht schon die Gewissheit, dass er hinter alle dem steckte, wüsste sie es spätestens jetzt.
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Willkommen in Duskwood
Fiksi PenggemarDie Nachricht eines Unbekannten, der auf der Suche nach seiner Freundin ist, verändert das Leben von Nora. Trotz Misstrauen und Lügen, entstehen auch Freundschaften. Doch was passiert, wenn die Gesuchte wieder auftaucht? Warum hat sie Noras ID versc...