29. Kapitel

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Blut rinnt an seinem rechten Arm herab und sein Shirt hat an der Schulter einige Blutflecken. Ganz im Gegensatz dazu hat er ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Seine Augen haben aber immer noch diesen schmerzvollen Ausdruck und beobachten Lilia genauestens.
"W-Warum?", bringt sie unter schluchzen hervor. Unkontrolliert strömen Tränen über ihr Gesicht, tropfen herab auf ihre Beine und hinterlassen nasse Flecken auf ihrer Jogginghose. Sie kann ihren Blick nicht von ihm abwenden. Muss ihn einfach ansehen. Wobei sie eher das herabrinnende Blut als Meran an sich betrachtet. Unheimlich gern würde sie zu ihm gehen, in seinen starken Armen weinen. Doch schon im Sitzen spürt sie, dass ihre Beine das nicht schaffen würden. Sie würden in der Sekunde nachgeben, in der Lilia aufsteht. Also ist sie gewissermaßen gezwungen sitzen zu bleiben.
"Meran." Ihre Stimme ist nicht mehr als ein Lufthauch. Sie hat einfach keine Energie, laut zu reden.
Langsam geht er auf sie zu, setzt sich neben sie auf das Bett.
"Hey. Alles okay." Noch immer hat er ein Lächeln auf den Lippen. Noch immer schauen seine Augen sie traurig an. Langsam fährt er mit seiner Hand seinen Arm hinauf, hin zu der Quelle des Blutes.
"Ich zeig dir meine Verletzungen, wenn du mir deine zeigst." Ein letztes Schluchzen durchfährt Lilias Körper. Prüfend schaut sie ihn an. Erst sein Gesicht, dann hinüber zu seiner Schulter. Sie ist sich unsicher. Sollte sie auf seine Aufforderung eingehen? Mit einer schnellen Bewegung beugt Meran sich über sie, legt seine Hand auf ihren Unterarm. Seine Nasenspitze streift die ihre, doch ihre Lippen berühren sich nicht.
"Das war keine Frage."

Vor Schreck kippt Lilia rücklings auf ihr Bett und schaut mit weit aufgerissenen Augen hoch zu Meran. Dieser sieht sie nicht an, hat seinen Blick alleine auf ihren linken Arm gerichtet. Langsam, vorsichtig streift er zuerst den Ärmel von Lilias Sweater nach oben, bis in ihre Armbeuge. Er verzieht leicht den Mund, als er den Verband sieht. Auch Lilia sieht nun hin und bemerkt, das die Wunden nachgeblutet haben und somit einige Blutflecken zu sehen sind. Erneut steigen ihr Tränen in die Augen. Sie will das nicht. Will auf keinen Fall, das Meran es sieht. Doch sie hat weder die Kraft noch den Mut ihn davon abzuhalten. Dazu schaut er viel zu ernst, besorgt und traurig.
Meran sucht ihren Arm nach dem Anfang des Verbandes ab und beginnt ihn aufzuwickeln. Lilia lässt ihren Kopf aufs Bett fallen und zieht scharf die Luft ein. Die Schmerzen, wenn man ein Verband oder Pflaster von blutenden, nässenden Wunden abzieht, hasst sie. Sie muss sich beherrschen nicht leise aufzuschreien. Als die Schmerzen zu Ende sind, schafft sie es nicht aufzusehen. Sie will Meran einfach nicht ansehen, nicht jetzt. Hat Angst vor seiner Reaktion, was er sagen wird. Denken wird. Tun wird. Sie spürt wie seine Wärme neben ihr plötzlich verschwindet und sieht deshalb überrascht auf. Er ist aufgestanden, sieht mit vorwurfsvoll mitleidigem Blick zu ihr und beugt sich leicht herab. Greift nach ihrem rechten Arm und zieht sie auf die Beine.
"Was machst du da?", fragt sie ihn verwundert, vermeidet es jedoch ihm in die Augen zu sehen.
"Ich fahr' dich ins Krankenhaus." Geschockt sieht Lilia in sein ernstes Gesicht.
"Was?!"

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