42. Kapitel

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Am nächsten Morgen gehen Lilia und Meran wie gewohnt gemeinsam zur Schule. Sie rauchen zusammen, unterhalten sich ein wenig. Alles scheint ganz normal. Der gestrige Vorfall ist zwar nicht ganz vergessen, aber er macht ihnen nicht mehr so sehr zu schaffen. Alles ist also relativ normal. Bis sie die Schule erreichen. Kaum betritt Lilia das Gebäude, wird sie von allen möglichen Leuten angestarrt. Das ist ihr neu. Normalerweise wird sie komplett ignoriert, wird höchstens von jüngeren Schülern angesehen. Dann aber nur wegen ihrer Haarfarbe. Warum ist es also heute so?
Unsicher rückt sie näher an Merans Seite. Hält sich an seinem Arm fest.
"Irgendwas läuft hier falsch.", sagt sie leise und versucht sich durch ihren Pony hindurch umzusehen, ohne das die anderen Schüler bemerken, dass sie sie ansieht. So geht es weiter, bis die beiden an ihrem Klassensaal angekommen sind. Die Leute um sie herum tuschelten, lachten oder warfen ihr böse Blicke zu. Auch im Klassensaal. Kaum sitzen sie an ihrem Platz, wird sie von ein paar Mitschülerinnen weggezogen. Meran wird von ein paar anderen beschäftigt, damit er ihnen nicht nachgeht.
"Was soll das?" Etwas gereizt reißt Lilia sich los. Die Mädchen schauen sie nur vorwurfsvoll an.
"Sobald Meran herausfindet, dass du ihn betrügst, gehört er uns." Völlig perplex sieht Lilia sie an. Doch noch bevor sie etwas erwidern kann, kommt der Lehrer in den Raum. Dicht gefolgt von Ryan, der Lilia nur dreckig angrinst.

Als es zur Pause klingelt, wird Lilia von einigen ihrer Mitschülerinnen erneut böse angesehen. Schnell packt sie ihre Sachen zusammen und läuft aus dem Saal, Meran ihr direkt hinterher. Doch kaum das sie auf dem Flur sind, steht Ryan vor ihnen.
"Na, alles klar bei dir?" Wieder grinst er sie so widerlich an. Sie würde ihm am liebsten ins Gesicht schlagen. Meran bemerkt ihre aufkommende Wut und greift nach ihrer Hand. Versucht sie so zu beruhigen.
"Was hast du gemacht?", zischt sie Ryan an. Doch dieser lacht nur auf. Sieht triumphierend auf sie herab. Doch er antwortet nicht. Beäugt sie hochmütig. Stattdessen wendet er sich an Meran.
"Tut mir leid, dass du so eine jämmerliche, untreue Freundin hast." Nun ist es Lilia, die Meran zurückhalten muss.
Untreu. Betrügen. Was soll das? Lilia hat keine Ahnung, um was es geht. Was alle von ihr wollen. Sie hat schließlich nichts getan und das weiß Meran auch. Also wozu? Wozu diese aus der Luft gegriffenen Gerüchte? Und warum glaubt sie jeder?
Ohne weiter auf Ryan einzugehen oder ihm auch nur eines Blickes zu würdigen, zieht Lilia Meran mit sich in Richtung Pausenhof. Die Blicke, die sie dabei durchbohren, versucht sie zu ignorieren. Doch sie schafft es nicht so gut, wie sie gerne würde. Ihr wird übel, sie wird nervös. Das hasst sie. Doch sobald sie draußen an der frischen Luft sind, wird es besser.
"Alles okay?" Sie sieht hoch, direkt in Merans besorgt wirkenden Augen. Sie nickt schwach und lässt seine Hand los.
"Lilia!" Beide, sowohl Lilia als auch Meran, zucken leicht zusammen. Kurz darauf steht Cayden bei ihnen und Meran ist direkt wieder angespannt. Er hat das, was am Vortag geschah, weder vergessen noch vergeben.
"Kann ich kurz mit dir reden? Ich muss mich entschuldigen." Cayden spricht nur an Lilia gewandt, vermeidet es, Meran auch nur anzusehen. Reflexartig greift dieser jedoch nach ihrer Hand. Sie weiß direkt, was das zu bedeuten hat. Er will sie nicht allein mit Cayden lassen.
"Was gibt's denn?", fragt sie Cayden auffordernd. Dieser sieht die beiden abwechselnd kurz an, eher wieder zu reden beginnt.
"Ryan ist uns gestern scheinbar gefolgt und hat Fotos gemacht. Und die schickt er jetzt in der Schule herum."

Kurze Zeit sieht Lilia Cayden etwas perplex und unverständlich an. Doch darauf beginnt sie zu lachen. Ein verächtliches, abwertendes Lachen, das nicht nur die Blicke der beiden Jungen auf sich zieht. Doch das ist ihr egal. Vermutlich redet sowieso schon die halbe Schule über sie. Was soll's also?
Doch Meran ist es nicht egal. Kurzerhand greift er leicht ihren Arm und zieht sie mit sich in Richtung ihres Stammplatzes. Cayden folgt ihnen. Lilia spürt die Blicke der anderen Schüler auf sich, doch sie hat weder Zeit noch Platz in ihrem Kopf, um sich darüber Gedanken zu machen. Es ist sowieso zu spät zu versuchen nicht aufzufallen. Für einen Moment erinnert es sie an den ersten Tag, an dem sie mit bunt getönten Haaren in die Schule kam. Da wurde sie auch so angesehen. Naja, damals war es eher abschätzig und heute sind die Blicke voller Hass und Spott. Doch auch das ist sie gewohnt. Meran hat aber trotzdem etwas dagegen. Auch wenn er weiß, dass sie diese Situation nur zu gut kennt.
Als sie an ihrem Stammplatz ankommen, dreht Meran sich schnell zu Lilia um und packt sie an den Schultern. Sein Blick bohrt sich geradezu in ihren und ihr Lachen verstummt augenblicklich.
"Daran ist nichts Witziges." Lilia sieht verwirrt zu ihm auf. Dreht sich daraufhin um, sieht kurz Cayden an, der schuldbewusst gen Boden starrt. Sie seufzt leise, zuckt mit den Schultern und bedeutet Meran damit, dass er seine Hände herunternehmen soll.
"Das ist mir bewusst." Ihr ernster Blick überrascht Meran und auch Cayden sieht wegen ihrem Tonfall wieder auf. "Aber ich kann daran nichts ändern. Wenn Ryan sich zum Ziel gemacht hat, mein Leben zu zerstören, dann hindert ihn nichts daran."
"Das ist aber meine Schuld!" Sie richtet ihren Blick zu Cayden, Meran ebenso. Ihr ist klar, dass er eigentlich recht hat. Doch sie kann ihm das ja nicht einfach ins Gesicht sagen. Das würde ihn nur noch mehr verletzen. Direkt muss sie wieder an den Vortag denken. Nein, Cayden will sie auf keinen Fall irgendwelchen Schmerz zufügen.

"Da hast du recht." Bei Merans Worten klappt ihr der Mund auf. Vorwurfsvoll sieht sie ihn an, doch er sieht nur Cayden an. Lilia versucht seinen Blick zu deuten. Ist es Hass? Wut? Oder einfach nur Eifersucht, die ihn gerade antreibt? Sie weiß es nicht, kann es nicht erkennen. Aber eins weiß sie. Sein Verhalten ist nicht in Ordnung und schon gar nicht angemessen für die Situation.
"Meran." Wütend starrt sie ihn an, während er stumm zurücksieht. In seinem Blick liegt kein Fünkchen Schuldbewusstsein. Klar, ihm ist es egal, wie es Cayden geht. Nach einiger Zeit gibt Lilia es auf und wendet sich wieder Cayden zu. Meran bleibt stur bei seiner Meinung.
"Das stimmt nicht. Wenn jemand schuld hat, dann ich. Schließlich kann nur ich was dafür, das Ryan mich so hasst." Erneut lacht sie verächtlich auf und wehrt Merans Hand ab, die gerade ihren Arm greifen wollte. Sie weiß, was er will. Sie soll nicht immer so reagieren, wenn es um sie selbst geht. Wenn man das aber jahrelang nur so gekannt hat, ist das schwerer als gedacht.
"Die Hauptsache ist, dass wir drei wissen, dass es nicht stimmt. Alles andere kann uns egal sein. Wenn jemand fragt, müssen wir nicht irgendeine Lüge erfinden, weil die Wahrheit ist, dass der ganze Mist nicht stimmt." Sie zuckt mit den Schultern, sieht erst Cayden und dann Meran an. "Wir brauchen uns da keinen Stress zu machen." Nun ist es Meran, der verächtlich schnaubt. Es gefällt ihm nicht. Einfach nichts zu tun und es geschehen zu lassen. Lilia sieht ihn mit hochgezogener Augenbraue prüfend an.

"Mir gefällt es aber nicht, wenn solche Gerüchte über meine Freundin verbreitet werden. Was für ein Freund wäre ich denn, wenn ich das einfach geschehen lassen würde?" Nun ist er es, der Lilia prüfend von oben herab ansieht. Doch sie blickt nur etwas verwundert zurück. Kurz darauf macht er auch schon einen Schritt auf sie zu, zieht sie näher an sich heran und beugt sich zu ihr herunter, um ihr einen leichten Kuss auf die Stirn zu hauchen. Kurz darauf wandert er zu ihrem Ohr.
"Ich will nicht, dass Leute so über dich denken. Jeder soll wissen, dass du nur zu mir gehörst." Seine Worte und sein Handeln lassen ihr Herz kurz aussetzen. Kurz darauf schlägt es schneller und sie spürt, wie sie langsam aber sicher rot wird. Cayden, dem das ganze recht unangenehm ist, hat sie bereits völlig ausgeblendet. Und spätestens als Meran seine Lippen sanft auf die ihren legt, denkt sie auch nicht mehr darüber nach, dass sie in der Schule sind.
Cayden wendet sich von ihnen ab, bleibt jedoch noch an Ort und Stelle stehen. Es kommt ihm so vor, als wolle Meran vorallem ihm zeigen, dass er Lilia in Ruhe lassen soll. Doch das ist ihm auch ohne das bewusst gewesen.
Nachdem Meran sich langsam von Lilia gelöst hat, sieht er mürrisch zu Cayden. Es wäre ihm lieber, wenn er gegangen wäre, statt zu warten. Doch diesen Gefallen hat er Meran natürlich nicht getan.
Lilia schüttelt kurz ihren Kopf, in der Hoffnung sich so wieder konzentrieren zu können. Doch als sie gerade zu Sprechen ansetzt, klingelt es zum Ende der Pause.
"In der zweiten Pause wieder hier, okay?" Cayden nickt nur auf ihre Frage und macht sich ohne ein weiteres Wort wieder auf den Weg in die Schule.

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