Emotionales Wrack, Aber Kein Sinkendes Schiff

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Du bist so empfindlich und sensibel,
sagst du und verdrehst die Augen
Du bist so nah am Wasser gebaut,
stellst du kopfschüttelnd fest
Dir geht alles so nah, viel zu nah,
grinst Du spöttisch

Die Worte prallen nicht an mir ab
Sie treffen mich unvorbereitet
Wie ein Regensturm, der den Himmel plötzlich verdunkelt und mich überrumpelt
Ich trage keinen Regenmantel an dem deine verachtenden Worte abperlen
Kein Regenschirm schützt mich vor deinen Urteilen, die auf mich einprasseln
Nein, ich steh vor dir
Durchnässt
Nicht nur auf - sondern bis unter die Haut

Dein verächtlicher Blick hat sich in mein Gehirn gebrannt
Dein spöttischer Unterton dröhnt mir in den Ohren
Hallt nach wie ein Echo
Zieht Kreise und erzeugt endlose Wellen
Als werfe man einen Stein in stille Wasser eines Sees
Unruhig wellt sich die Wasseroberfläche
Der Stein sinkt und verursacht Strudel
Selbst dann noch, nachdem die Wellen sich schon längst in der Weite verloren haben
Und die aufgewühlte Oberfläche gleicht wieder einem glatten Spiegelbild

Ich starre mein Spiegelbild an
Beobachte die Tränen, die sich ihren Weg über meine Wangen bahnen
Wütend sehe ich zu, wie die flüssigen Emotionen meine Wangen nass schimmern lassen
Verärgert wische ich sie mit dem Handrücken davon
Kneife die Augen zusammen
Und presse meine zitternden Lippen aufeinander
Mein Kiefer mahlt

Ich öffne die Augen und starre mir selbst entgegen
Schau mir in die Augen, die noch leicht feucht glänzen
Betrachte das Blau, was nun eher trist und Grau wirkt
Als wäre die Farbe verblasst
Langsam schüttel ich den Kopf
Hole Luft und sammel meine Gedanken
Ordne sie
Stelle die umgefallenen Bücher wieder zurück ins Regal

Ich bin nicht zu empfindlich
Ich bin empfindlich, ich empfinde gern
Und viel
Alles

Ich bin nicht zu sensibel
Ich bin sensibel
Ich will nicht verletzten, sondern verstehen und statt Schmerz zu verursachen will ich helfen zu lachen
Sensibel heißt feinfühlig sein und Rücksicht nehmen
Auf dich
Und mich

Ich bin nicht zu nah am Wasser gebaut
Ich baue mein Haus auf dem Wasser
Mitten auf dem See
Mit Stahlträgern bis auf den Grund des Sees
Den ich mit salzigen Tränen erschaffen habe
Denn ich empfinde Schmerz und ich habe keine Angst ihn zu zeigen

Mir geht nicht alles zu nah
Ich mag Nähe
Vertrautheit und Vertrauen
Ehrliche Worte und persönliche Gespräche
Worte, die man auch meint
Gegenseitige Akzeptanz und den Respekt vor Grenzen

Nenn mich emotionales Wrack
Aber ich bin längst kein sinkendes Schiff
Meine Segel sind gehisst und mein Kompass hat noch Ziele
Du musst nicht mit mir segeln, wenn du Angst vorm Sturm hast
Aber lass mich segeln
Nicht in den Sturm
Denn ich bin der Sturm
Erzähl mir nicht, der Stoff meiner Segel sei zu dünn
Oder die Planken auf denen ich laufe zu brüchig
Mein Schiff hat schon ganz andere Unwetter überstanden

Ich starre in den Spiegel und schau mir in die Augen
Sie haben die Farbe vom Ozean
Tiefblau
Tränen zieren meine Wangen
Salzig wie die See
Träne über Träne
Und ich lache
Denn es ist okay

Wortgewirr - Gedankenflut und ChaospoesieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt