S e c h s | J a y c e

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Ich konnte dieses Montgomery-Mädchen nicht ausstehen. Sie mich offenbar auch nicht.
Gut, immerhin irgendein Gefühl, dass wir miteinander teilten.

Denn eines war gewiss - Diese Gwendolyn konnte keine einzige Eigenschaft vorweisen, die ich am anderen Geschlecht zu schätzen wusste.
Zudem war dieser Bauerntrampel eine wahre Enttäuschung, wenn man zuvor den Anblick und die Anwesenheit ihrer Schwester genießen durfte.

Mit Lynn hätte diese Hochzeit meinen Segen gehabt. Ich hätte mich damit abfinden können, ein fremdes Mädchen, ohne jeglichen adeligen Nachweis, zu meiner Frau zu nehmen. Wirklich.

Aber nicht diese Amanda.

Sie erfüllte wirklich jedes Klischee, dass sich in der obersten Schicht bezüglich dem Fußvolk in Umlauf befand.
Vermutlich war Gwendolyn allein der Grund, warum die königlichen Familien nur missbilligende Blicke für das einfache Volk übrig hatten.
Ich war mir sogar relativ sicher, dass sie der Grund dafür ist.

Alleine für ihr loses Mundwerk wäre ein Waffenschein nötig. 

Sie hatte keinerlei Respekt. Weder mir noch meiner Familie gegenüber.
Wie sie mit mir sprach, war absolut inakzeptabel und ich konnte nur hoffen, dass sie mit der Zeit lernen würde, sich zu benehmen.
Oder meine Eltern erkannten, was für ein Gör sie für mich ausgesucht hatten und würden stattdessen Lynn zu meiner Königin krönen.

Na, das wäre doch mal was.

Anders als ihre Schwester, war Lynn nämlich alles, was ich mir zu wünschen gewagt hatte.
Sie war hübsch, charmant und wusste sich zu Benehmen. Sie sprach mit mir und meiner restlichen Familie, wie es von ihr erwartet wurde und zog alle Umstehenden in ihren Bann.
Sie war einfach perfekt.

Wie ich sehe, wurden die Gene zwischen den Schwestern recht einfältig verteilt.

Umso mehr schockierte es mich, als mein Vater, nur wenige Tage nach meinem Desaster-Date mit Gwendolyn, verkündete, dass diese vorübergehend bei uns Einziehen würde.

"So fällt es uns allen leichter, uns mit der Situation zu arrangieren. Miss Montgomery wird sich an das Leben im Elverstone Palace gewöhnen können und lernt somit gleich auch all ihre Pflichten kennen, die mit der Hochzeit einhergehen werden", erklärte König Cedrik beim gemeinsamen Abendessen, als er die fassungslosen Mienen seiner Familie bemerkte.

Kurz gesagt: So lässt sich diese explosive Mischung aus Mensch und Pferdeäpfel leichter kontrollieren.

Ich war mit der Entscheidung meines Vaters nicht einverstanden, doch ich konnte sie verstehen.
Seit unsere Verlobung an die Öffentlichkeit geraten war, stand natürlich auch Gwendolyn im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit.
Jegliche Fehltritte, die sie zweifellos begehen wird, fällt auf das Königshaus selbst zurück.  
Und das konnte sich die Monarchie nun wirklich nicht leisten.

"Wo wird sie schlafen?", fragte Rosalie und legte ihr Besteck zur Seite. Offenbar hatte ihr die Neuigkeit den Appetit verdorben, denn sie hatte ihr Essen kaum angerührt. "Bei Jayce?"

Ich warf meiner Mutter einen panischen Blick zu. Bitte, nein.
Ich würde es nicht ertragen, dieses Mädchen vierundzwanzig Stunden am Tag um mich zu haben.
Da können sie mich direkt in die Psychiatrie einweisen.

"Natürlich nicht", beeilte sich Königin Cathrin zu sagen, bevor ihr Gatte diese Entscheidung treffen konnte. "Sie wird eines der freien Gästezimmer am Ende des Flurs erhalten."
Auf die gerunzelte Stirn ihr Mannes hin fügte sie hinzu: "Ich denke Miss Montgomery braucht hin und wieder etwas Zeit für sich, um sich an die neue Situation zu gewöhnen."

Meine Mutter sorgte sich keine Sekunde lang um Gwendolyns Wohlbefinden. Das war jeden an diesem Tisch klar und ich denke, selbst die Bediensteten im Hintergrund waren sich dieser Tatsache bewusst.
Nur mein Vater nicht.

Er nahm die geheuchelte Besorgnis seiner Gattin mit einem zufriedenen Schmunzeln entgegen und tätschelte ihr wohlwollend die Hand. 
"Gut mitgedacht, Cathrin", lobte er sie wie ein kleines Kind. Meine Mutter lächelte nur frostig.

"Sie kann uns bestimmt bei einigen Aufgaben im Stall helfen", bemerkte ich und legte nun ebenfalls mein Besteck zur Seite.
Mir war bei unserem Treffen nicht entgangen, wie zögerlich Gwendolyn auf Mansis Rücken gestiegen war. Und wenn ich ihre kleine Unterhaltung mit den Wallach richtig verstanden habe, scheint sie zumindest großen Respekt vor den Tieren zu haben.

Irrwitzig, die Tochter eines Pferdezüchters hat Angst vor den Einnahmen ihres Vaters.

Mein Vater sah mich über den Tisch hinweg stirnrunzelnd an.
"Sie ist keine Angestellte, sondern deine Verlobte, Jayce. Sie wird nicht zum Arbeiten ins Schloss kommen, sondern um zu Lernen."
"Ich weiß", ruderte ich schnell zurück und lächelte meinen Vater beruhigend zu. "Ich dachte mir nur, dass sie sich bestimmt super mit Pferden auskennt und einige Tipps für unsere Stallburschen über hat. Vielleicht fühlt sie sich auch direkt heimischer, wo sie den täglichen Umgang mit den Pferden doch gewöhnt ist."

Jetzt war ich derjenige, der wie ein kleines Kind gelobt wurde. Ich nahm es mit einem boshaften Grinsen entgegen.

Gwendolyn wird bestimmt eine tolle Zeit hier im Schloss haben.


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Irgendwo zwischen Wahrheiten und LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt