A c h t z e h n | J a y c e

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Gwendoly ist schon seit einer ganzen Weile verschwunden und da mich so langsam das Gefühl beschlich, dass sie die Veranstaltung auch die nächste halbe Stunde meiden würde, sah ich mich langsam im Saal nach einer anderen Beschäftigung um, der ich mich während der Abwesenheit meiner Verlobten widmen konnte.

In der Mitte des Ballsaals bewegten sich ein paar Pärchen zu den Klängen der Musik und ich konnte meine Eltern zwischen ein paar Leuten ausmachen, wie sie elegant und routiniert den Schritten eines krypthonischen Tanzes folgten.
Ein paar Meter neben ihnen wurde gerade Kacey von einem, mir unbekannten, Mann über das Parkett gewirbelt, wobei ich glaubte, ein verzweifeltes Glitzern in den grünen Augen meiner Cousine zu erkennen.

Kacey verhielt sich seit ihrem spontanen Striptease am See irgendwie anders. Nicht unbedingt verändert, doch ihr Unmut über die Regeln innerhalb der Monarchie war viel präsenter geworden. Geradezu greifbar.
Sie versteckte ihre Abneigung nicht mehr und so war ich nicht verwundert, als sie ein paar Sekunden später mitten in ihrer Bewegung verharrte, dem armen Kerl ein entschuldigendes Lächeln zu warf und sich eiligst von der Tanzfläche verabschiedete.

Kurz spielte ich mit dem Gedanken, ihr zu folgen und sicherzugehen, dass mit ihr alles in Ordnung war, doch gerade als ich mich in Bewegung setzen wollte, sprangen mir zwei weitere bekannte Gesichter ins Auge.

Josey stand, wo auch sonst, am wohlgefüllten Büfett und lud sich mit einer glückseligen Miene ihren kleinen Teller voll, während sich Rose neben ihr angeregt mit einem jungen Mann unterhielt. Anders als Kaceys Tanzpartner, war mir dieser Herr sehr wohl bekannt und brachte mein Blut auch sogleich zum Kochen, als ich beobachtete, wie er seine dreckigen Finger auf die Schulter meiner kleinen Schwester legte.

Mit verengten Augen starrte ich diesem Widerling Löcher in den Rücken, bis sich der Dunkelhaarige endlich umdrehte und meinem mordlustigen Blick mit einem breiten Lächeln begegnete. "Prinz Jayce. Welch eine Ehre."

Prinz Gavin, der zweite Sprössling der Comwoods Familie, war ein Skandalmagnet durch und durch und zudem auch noch männlich.  Gleich zwei Gründe, warum er besser die Finger von meinen kleinen Schwestern lassen sollte.
"Prinz Gavin", erwiderte ich seine Begrüßung kühl und trat auf die kleine Gruppe zu. Mein Blick zuckte zwischen Rose und dem Dunkelhaarigen hin und her. "Wie ich sehe, habt ihr schon Bekanntschaft gemacht."

Gavin, dieser Mistkerl, ließ seine Augen langsam über den zierlichen Körper meiner kleinen Schwester wandern, wobei er, meiner Meinung nach, viel zu lange auf ihrer Brust und ihren goldenen Locken verharrte, ehe er sich wieder mir zuwandte und ein unverschämtes Grinsen zur Schau trug. "In der Tat. Ich habe Prinzessin Rosalie fast gar nicht wiedererkannt. Wer hätte gedacht, dass aus dem kleinen, süßen Mädchen von damals eine solch attraktive Frau geworden ist?"
Rose lief unter den schmeichelnden Worten dieses Dreckssacks rot an und senkte verlegen den Blick zu Boden, während Gavin ihr ein charmantes Lächeln schenkte.

Meine Schwester war von ihm schon immer besonders angetan gewesen. Früher wie auch heute, hatte sie ihm an den Lippen gehangen - die Augen vor Bewunderung weit aufgerissenen.

Unwillkürlich ballte ich meine Hände zu Fäusten und versuchte, mir meine Gereiztheit nicht anmerken zu lassen. Das würde noch fehlen, wenn ich die Veranstaltung mit meinem über ausgeprägtem Beschützerinstinkt sprengen würde, indem ich Gavin jetzt und hier eine verpasste.
Auch wenn er es meiner Meinung nach verdient hatte. Seine dämlichen Augen glitten nämlich schon wieder über Roses Körper, als könnten sie davon nicht genug bekommen.

"Prinz Gavin möchte um die Welt reisen. Alleine. Ist das nicht aufregend?", meldete sich Rosalie zu Wort und betrachtete mich mit glänzenden Augen, ehe ihr schmachtender Blick wieder dem Prinzen galt. "Also ich würde mich das nie trauen. Sie müssen unbedingt bei uns Einkehren, wenn Ihr Weg Sie nach Nisu führt."
Ihre Stimme zitterte vor Aufregung etwas und ich fragte mich, wie es ihr nicht unangenehm sein konnte, diesen Kerl so offensichtlich anzuhimmeln.
Hatte sie denn gar keinen Stolz?

Irgendwo zwischen Wahrheiten und LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt