D r e i | J a y c e

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Hätte mir jemand vor unserer Reise nach Großreich Tar erzählt, dass ich als verlobter Mann in mein Königreich zurückkehren würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt.

Ich, Prinz Jayce, an der Seite eines einfachen Bauernmädchens?

Ich war gewiss kein Aufreißer (Zumindest wusste ich mich zu beherrschen) und ich leistete auch keinen Widerstand gegen den Wunsch meines Vaters, sesshaft zu werden. Ganz im Gegenteil.
Anders als Kacey hatte ich mich nämlich schon lange damit abgefunden, mit meiner Hochzeit lediglich einem Zweck zu dienen, anstatt die Liebe auf dieser Welt zu schüren.

Aber ein einfaches Mädchen aus der Hauptstadt?

Ich erkannte den Sinn hinter der Entscheidung meiner Eltern nicht. Ihre Beweggründe waren für mich so unverständlich wie für Joseys Hund die Worte 'Spuck das aus'.

Sie war die älteste Tochter eines gefragten Pferdezüchters.
Wie mir mein Vater gesteckt hatte, kam wohl mein heißgeliebter Hengst Lesharo aus dem Stall der Montgomery Familie.

Schön. Sie war finanziell gut abgesichert und in den Kreisen von Nisu wohl sehr hoch angesehen.
Aber sie hatte kein königliches Blut in sich. Keinen nachweislichen Adel in der Familie.

Warum, bei Gottes Namen, wollten meine Eltern also, dass ich sie zur Frau nahm? Es ergab einfach keinen Sinn.

"Du siehst aus wie abgeleckt." Joseys unpassender Kommentar riss mich aus meinen Gedanken.

Unwillkürlich hob ich meine Hand, um sie durch mein plattgedrücktes, blondes Haar zu schieben. Doch ich hielt noch in der Bewegung inne.
Meine Stylistin würde mich töten, um den Kopf vor dem Haupt meiner Mutter abzulegen, damit sie selbst die Schande begutachten konnte, die ich meinen Haaren angetan hatte.

"Ich weiß", erwiderte ich deshalb und ließ meine Hand wieder sinken.

Ja, ich wusste es wirklich.
Ich hatte Jen immerhin im Spiegel dabei beobachtet, wie sie das Schlechteste aus mir herausgeholt hatte.

"Deine Mutter wünscht sich das", hatte sie mir mit einem entschuldigenden Lächeln erklärt, als ihr meine verkniffene Miene aufgefallen war.
Sie wünschte sich was? Einen Lackaffen als Sohn?

"Benennst du euer erstes Kind nach mir?" Rosalie war auf meiner anderen Seite aufgetaucht und ließ ihren klaren, aufmerksamen Blick über die Menge an Besuchern schweifen.

Meine Eltern hatten die hohe Gesellschaft der umliegenden Königreiche für meine Verlobungsparty mit diesem Bauerntrampel in den Elverston Palace gebeten.
Es war schon merkwürdig, wie vertraut mir die graue Masse an fremden Gesichtern war.

"Du weißt genau, wie es heißen würde", entgegnete ich. Jeder wusste das.

Es gab etwas, dass der Adel in allen vier Königreichen definitiv nicht vorweisen konnte: Kreativität.
Seit Jahrhunderten warfen die Königsfamilien mit denselben drei Namen um sich, die ihnen von ihren Vorfahren mitgegeben wurden.

Ein neuer Vorname fand nur seinen Platz inmitten der höchsten Gesellschaft, wenn sich frisches Blut eingeheiratet hatte.
Prinzessin Sarah aus dem Königreich Kryphton konnte, zum Beispiel, ihrer künftigen Enkelin den Namen Nydia verleihen - Dank ihrem Vater, der sich in eine Kaufmannstochter verliebt hatte.

Jedes blaublütige Kind bekam den Drittnamen seiner Eltern verlieren, erhielt den Namen der Mutter oder des Vaters als Zweitnamen und der, der Großeltern bildete den Schluss.
So war es schon immer gewesen und so wird es auch immer bleiben.

Wenn die Königreiche etwas gemeinsam hatten, dann war es Einfältigkeit.

Eine unerwartete Berührung ließ mich zusammenzucken und ich drehte mich zu der Person herum, die soeben ihre Hand auf meine Schulter gelegt hatte.
Es war mein Vater. An seiner Seite, mit einem aufgemalten Lächeln, stand meine Mutter.

Irgendwo zwischen Wahrheiten und LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt