"Gwendolyn steht auf den Stallburschen."
Josey grinste mich an, als hätte ich Geburtstag und sie das perfekte Geschenk für mich.
Vielleicht war diese Information das auch. Zumindest hörte sie sich sehr vielversprechend an.
Interessiert hob ich die Augenbrauen und bedeutete meiner Schwester weiterzusprechen.Es war kaum ein Tag vergangen, seit Gwendolyn sich im Schloss ausgebreitet hatte, doch es fühlte sich bereits nach mehreren Wochen an.
Ich versuchte ihre Anwesenheit geflissentlich zu ignorieren, doch egal wo ich hinsah oder ging - Amanda folgte mir auf Schritt und Tritt.Nicht sie persönlich, nein. Aber ihre Anwesenheit, ihre Existenz, war in in den Mauern des Elverstone Palace so greifbar und penetrant, dass ich in keinem der Räume Ruhe fand.
Sie war wie ein Stinktier im Wald - Unauffällig und gewöhnlich und dennoch war man sich ihrer Anwesenheit überdeutlich bewusst.
Es machte mich wahnsinnig und ich konnte es kaum erwarten, diesem merkwürdigen Schauspiel ein Ende zu bereiten."Gwendolyn ist im Stall umgekippt", unterbrach Josey meine Gedanken und strich sich eine Strähne hinters Ohr. Ihre Wangen waren vor Aufregung erhitzt und ihre atemlose Stimme verriet mir, dass sie wohl den ganzen Weg von den Stallungen bis in die Bibliothek gerannt sein musste. Der übliche Geruch von warmen Pferdekörpern begleitete sie.
"Ihr ist nichts passiert, aber ein Stallbursche hat sich ihrer angenommen und Jay - Ihr sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Sie sah aus wie ein Fisch auf dem trockenen Land!"Ein Lächeln umspielte meine Lippen.
Vermutlich nicht die übliche Reaktion eines Mannes, wenn er von dem Fremdgaffen seiner Verlobten erfuhr, aber für mich war das wie Musik in meinen Ohren.
Das war doch etwas, womit ich arbeiten konnte.Der Bauerntrampel und ein Stallbursche. Was für ein wunderbares Paar.
Das ich nicht selbst den Einfall hatte, meine Zukünftige an einen Angestellten zu verscherbeln, ärgerte mich etwas. Es war so offensichtlich, dass es fast schon zu einfach war.Wenn Gwendolyn ihr Herz an einen Stallburschen verlor, würde sie die Hochzeit bestimmt absagen. Und wenn sie es nicht tat, war es immer noch Grund genug, meine Eltern von einer Auflösung der Verlobung zu überzeugen.
Meine Mutter würde mich niemals mit einer Frau ehelichen, die bereits vor unserer Hochzeit einem anderen Mann hinterher starrte.
Und meinen Vater würde sie schon weich kriegen. Er war wie warmes Wachs in ihren Händen."Wer ist es?", hakte ich bei meiner Schwester nach. Ich konnte gar nicht mehr aufhören, zu grinsen.
Josey nahm meine Freude mit einer kleinen Unsicherheit entgegen. Ich konnte die Besorgnis in ihren blaugrauen Augen glitzern sehen, als sie sah, wie die Zahnrädchen in meinem Kopf zu arbeiten begannen.
"Ich weiß es nicht. Einer von den Schichtarbeitern. Ich habe ihn erst zweimal im Stall gesehen."Okay, es würde schon nicht so schwer werden, Gwendolyns Liebsten auf dem Anwesen meiner Eltern ausfindig zu machen.
Die wahre Hürde bestand darin, dem Kerl diesen Unfall von Frau schmackhaft zu machen. Aber vielleicht hatte ich Glück und der Stallbursche hatte eine Affinität für freche, stillose Gören mit einem Hang zur Aggressivität. Soll es doch geben.
Zu jedem Topf passt ein Deckel, oder nicht? Selbst wenn ich Gwendolyn mehr als eine unförmige Pfanne einstufen würde, heißt es nicht, dass es nicht irgendjemanden oder irgendetwas da draußen gibt, was sich über sie stülpen lässt."Wo ist sie jetzt?" Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Josey, welche mich mit wachsender Unruhe dabei beobachtet hatte, wie ich meinen Gedanken nachhing.
"Ich würde mich vorerst nicht einmischen, Jay", platze es aus ihr heraus. "Vielleicht mögen sich die Beiden wirklich und dann würdest du als Heinzelmännchen nur stören. Gib ihr etwas Zeit. Und wer weiß, vielleicht wächst sie dir ja irgendwann ans Herz?"
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Irgendwo zwischen Wahrheiten und Lügen
RomanceGefangen zwischen Blaublütlern und den Geheimnissen der Vergangenheit tritt Gwendolyn ihre Pflicht an, den Thronfolger Navars zum Mann zu nehmen. Doch bereits nach dem ersten Kennenlernen steht fest - Weder Jayce noch Gwen sind sonderlich begeistert...