"HATSCHI!"
Meine Augen tränten und ich blinzelte hektisch, während ich mir selbst wie wild Luft zufächelte, in der Hoffnung, meinen nächsten Niesanfall somit auszubremsen.
Eigentlich hatte mein Körper noch nie eine allergische Reaktion gezeigt, aber die Bibliothek des Elverstone Palace war vermutlich in den letzten Jahrzehnten nicht mehr abgestaubt worden, sodass es selbst in meiner Nase unangenehm kitzelte.
Zumindest im hinteren Teil des beachtlich großen Raumes. Der Abschnitt, der von der Königsfamilie offenbar nicht allzu oft aufgesucht wurde.
Vielleicht war gerade das der Grund, warum ich mich in die dunkle Ecke hinter den großgewachsenen Regalen, nicht einsehbar vom vorderen Bereich, zurückgezogen hatte.Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nicht gerade versteckte. Vor was, wusste ich allerdings auch nicht so genau.
Vielleicht von der penetranten Freundlichkeit des Blondschädels, die mich mehr abschreckte, als es sein großspuriges Gehabe je könnte. Oder vor Rosalie und ihrer irrwitzigen Perfektion, die mich, seit sie Lady Bylon versprochen hatte, tagtäglich mit mir die Tanzschritte für den Ball bei den Comwoods zu üben, geradezu verfolgte und schier in den Wahnsinn trieb.
Vielleicht aber auch vor Joseys Neugierde, die sie neuerdings für die nicht vorhandene Beziehung zwischen mir und ihrem Bruder hegte, und die stets mit einer tiefen, nachdenklichen Furche auf ihrer Stirn begleitet wurde. Oder auch einfach vor Königin Cathrines kühler Ignoranz, die nebenbei bemerkt wahrlich eine Meisterin darin war, mich wie Luft zu behandeln.Ich wusste es wirklich nicht, aber Fakt war, dass ich es gerade tat. Ich versteckte mich wie ein kleines Kind vor den Monstern unter meinem Bett.
Nur, dass ich anstatt der schützenden Decke die Stille der Bibliothek gewählt hatte.Die Bairnslams hatten wahrlich eine beachtliche Ansammlung an Büchern und ich bezweifelte, dass der Blondkopf je eine Nase in eines dieser Lektüren gesteckt hatte. Die geschwungenen, goldenen Titel auf dem alten Einband zeugten von kostbarem Wissen und angelernter Intelligenz - Zwei Eigenschaften, die dem Idioten gänzlich fehlten.
Ob es überhaupt jemanden im Elverstone Palace gab, der all diese Worte und Sätze verschlungen hatten, oder war die Ansammlung an Geschichten lediglich der Deko gedient?Gerne hätte ich mir eins der Bücher geschnappt, damit ich in meinem Versteck zumindest etwas zu Tun hatte, jedoch wurde ich aus der veralteten Schrift nicht schlau und hatte Mühe, mir bekannte, Buchstaben aus den Schlingen zu entziffern.
So begnügte ich mich damit, die mächtigen Bögen und Balken der Bibliothek zu bewundern und mich zu fragen, wie das alte Holz die Last der Bücher überhaupt noch tragen konnte.Mein Blick zuckte zu den bodentiefen Fenstern, die den Raum mit spärlichem Sonnenlicht fluteten, welches die aufgewirbelten Staubkörner in seinem Schein tanzen ließ. Man hatte einen wunderschönen Ausblick auf das Anwesen der Bairnslams, das musste ich neidvoll anerkennen.
In der Ferne konnte man sogar den See glitzern sehen, an den mich der Schnösel bei unserem zweiten Aufeinandertreffen entführt hat.
Der Ritt dorthin war mir deutlich länger vorgekommen, als der Weg scheinbar wirklich war.Vorsichtig trat ich an die riesige Fensterfront und blinzelte mir den Staub aus den Augen, während ich die warmen Strahlen auf meinem Gesicht und die einhergehende Ruhe genoss.
Ich denke, so friedlich hatte ich mich in den vergangenen Wochen nicht mehr gefühlt. Um genau Zusein, seit meinem Einzug in das Schloss.Ich vermisste meine Freunde. Eve fehlte mir wohl am Meisten in meiner Zeit bei der Königsfamilie. Zac vielleicht auch ein bisschen, aber das würde ich dem Dummkopf niemals sagen. Genauso wenig wie ich meinen Eltern oder Geschwistern gestehen würde, dass mich ihre Abwesenheit zunehmend schmerzte, je länger ich von Zuhause fernblieb.
Solange war ich von meinem Umfeld noch nie getrennt gewesen. Selbst Lynns Gehässigkeiten gingen mir irgendwie ab und das musste etwas heißen!
Ob ich sie wohl einmal besuchen sollte? War mir das überhaupt erlaubt? Durfte ich sie auf das Anwesen einladen?
Nach meiner Eheschließung mit diesem Vollidioten würde ich ja quasi die zukünftige Königin von Navar sein - Hatte man da nicht irgendwelche Privilegien?
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Irgendwo zwischen Wahrheiten und Lügen
RomanceGefangen zwischen Blaublütlern und den Geheimnissen der Vergangenheit tritt Gwendolyn ihre Pflicht an, den Thronfolger Navars zum Mann zu nehmen. Doch bereits nach dem ersten Kennenlernen steht fest - Weder Jayce noch Gwen sind sonderlich begeistert...