P r o l o g

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„Eure Hoheit? Die feindlichen Truppen haben gerade die Hauptstadt Mont passiert. Wir konnten die Bevölkerung vor ihrem Angriff erfolgreich evakuieren, aber sie dringen weiter in unser Land vor."
Stumm lauschte die Königin den atemlosen Worten ihres Privatsekretärs und hob den Blick erst, als dieser seinen Statusbericht abschloss.

„Wie viele?", fragte sie ruhig und wandte den Blick aus dem Fenster, als würde sie bereits erwarten, die feindlichen Linien am Horizont, zwischen dem atemberaubenden Farbspiel von Rot und Orange, zu sehen.
„Ihre Truppen verdecken den gesamten Boden unseres Landes, Ma'am. Ich fürchte, ihre Anzahl übersteigt die unseres königlichen Heeres um Weiten."
Die Königin schloss resigniert die Augen und stieß einen leisen Seufzer aus.

Sie war für solche Angelegenheiten nicht ausgebildet worden. Ihre gesamte Kindheit wurde sie darauf vorbereitet, ihrem Mann bei möglichen politischen Konflikten beizustehen und ihr Königreich mit ihrer sanften Art zur Ruhe zu zwingen. Doch einen Krieg führen? Nein, das war die Aufgabe ihres Gemahls.

„Wie geht es meinem Mann? Ist er in der Lage, Befehle zu geben?" Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit, als sie sich zu ihrem Sekretär umwandte.
Bedauernd schüttelte dieser den Kopf. „Ihre Majestät ist nach wie vor nicht ansprechbar. Das Fieber zwingt ihn in die Bewusstlosigkeit."

Die Königin unterdrückte einen weiteren Seufzer und verbarg ihre Mutlosigkeit hinter ihren langen, schwarzen Haaren. Ihr Angestellter sollte nicht sehen, wie aussichtslos die Situation war.

Sie war zu unerfahren, um solch einen Krieg ohne die Hilfe ihres Mannes zu führen. Sie wusste nicht um die Strategien der Kriegskunst Bescheid und sie wollte ihre Soldaten nicht in den sicheren Tod ziehen lassen. Aber wie konnte sie das Vordringen ihrer Feinde stoppen?

Wenn sie nicht bald handelte, würden sie das Königshaus einnehmen und dann konnte sie ihr Volk nicht mehr beschützen.

Entschlossen drehte sie sich zu ihrem Sekretär herum. Kurz betrachtete sie das vertraute Gesicht ihres Angestellten. Alles was sie darin erkennen konnte, war pures Vertrauen.

Er glaubte an sie. Er dachte wirklich, dass sie das Volk retten und beschützen könnte.

Und das gab ihr mehr Mut, als in dieser hoffnungslosen Situation möglich war.

„Lasst auch die anderen Dörfer und Städte evakuieren. Bringt all die Menschen in Sicherheit und sorgt dafür, dass sie versorgt sind. Stellt in regelmäßigen Abständen Barrikaden auf, aber zieht euch gleich darauf zurück. Sie sollen nur als Ablenkung dienen. Ich werde währenddessen an die Front reisen."

Der Mann riss bei den Worten seiner Königin erschrocken die Augen auf. „Ihr wollt an die Front? Ich denke nicht, dass das eine sonderlich gute Idee ist, Eure Hoheit", wagte er zu bezweifeln.

„Das ist mir durchaus bewusst", erwiderte die Herrscherin schlicht.

Ihr war es nicht möglich zu kämpfen. Dafür war ihr Königreich nicht groß genug und ihre Erfahrung zu gering.

Aber sie konnte reden und verhandeln. Dafür war sie ausgebildet worden und das war auch ihre Aufgabe and der Seite ihres Gemahls, dem König, gewesen.

Sie würde ihren Feind um Frieden bitten. Das war das Einzige, was sie in dieser ausweglosen Situation tun konnte.
„Bereitet mir ein Pferd vor. Ich werde alleine reisen."

„Aber, Eure Ho-", der Sekretär wurde mit einer knappen Handbewegung unterbrochen, dennoch zögerte er, bevor er sich tief vor seiner Königin verneigte.
„Sehr wohl, Ma'am", murmelte er gehorsam und ließ sie allein in dem Büro ihres Gemahls zurück.

Die Königin trat von der imposanten Fensterfront zurück und schloss die Knöpfe ihres seidenen Mantels.
Der Ritt bis zur Hauptstadt Mont würde kurz und schnell verlaufen, wodurch sich nicht die Zeit ergeben würde, sich die richtigen Worte auszudenken, um den Angriff auf ihr Reich einzustellen.

Ein leises Knarzen unterbrach die Gedanken der Königin. Sie neigte den Kopf etwas zur Seite und erkannte das zarte Gesicht ihrer kleinen Tochter.
Mit großen, dunklen Augen starrte diese ihre Mutter an. Der schmale Mund trotzig verzogen, die kleinen Hände zu Fäusten geballt.

Sie schien zu wissen, dass etwas nicht stimmte.

„Was machst du, Mami?", fragte sie misstrauisch und betrachtete die Herrscherin skeptisch.

Die Königin sank vor ihrer Tochter auf die Knie und umschloss ihr Gesicht mit zitternden Händen. „Es ist nur eine politische Angelegenheit, mein Liebling. Ich bin bald wieder zurück, ja?" Sie drückte dem kleinen Mädchen einen sanften Kuss auf das schwarze Haar.

Die Königin erhob sich in dem Moment, in welchem ihr Privatsekretär erneut das Zimmer betrat. Sein Blick fiel auf die kleine Prinzessin und Trauer übermannte seine Mimik, als er die Schultern durchdrückte und sich wieder an seine Gebieterin wandte.

„Das Pferd steht bereit, Eure Hoheit."


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Irgendwo zwischen Wahrheiten und LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt