Kapitel 15

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Ich holte schnell meinen Rucksack und stellte mich wieder neben meine Freunde. "Wer geht als erstes?" fragte Adam und schluckte. Es sah einfach nicht stabil aus. "Ich kann gehen." Murmelte ich. Von keinem kam Einspruch.

Ich trat nachvorne und setzte zittrig den ersten Fuß auf den Stamm. Er hielt und rollte zum Glück nicht. Also zog ich mein zweites Bein nach und stand nun vollständig auf dem Baumstamm. "Pass auf." flüsterte Joanna und ich nickte. Dann setzte ich einen Fuß vor den anderen.

Schon bald war ich über der Schlucht und zwang mich, nicht nach unten zu blicken. Denn würde ich das tun, würde ich aus meinem Gleichgewicht kommen und abstürzen. Ich blieb stehen und befahl meinem Atem, sich zu beruhigen. Dann ging ich weiter. Meinen Blick hielt ich nach vorne gerichtet. Ich kam in der Mitte an.

Zittrig strich ich eine Strähne aus meinem Gesicht, die sich aus meinem Dutt gelöst hatte. Mein Gesicht schwitzte vor Angst, vor Anstrengung und wegen der Hitze. Ich bat Gott, dass ich sicher auf der anderen Seite ankommen würde und lief weiter. Langsam setzte ich meinen linken vor den rechten und dann andersherum.

Und dann kam es wie es kommen musste.

Ich blieb an meinem eigenen Fuß hängen und strauchelte. Ich schwankte hin und her, meine Arme seitlich von meinem Körper gestreckt. Und ich starrte nach unten. Tränen schossen in meine Augen, als ich merkte, dass ich mich nicht mehr halten konnte. War das das Ende? Ich rutschte ab und schrie. Wie in Zeitlupe rutschte ich nach links und dann flog ich. Kein Ton verließ meine Lippen und ich schloss meine Augen. Von weitem hörte ich einen erstickten Aufschrei.

Und dann fühlte ich eine warme Hand an meinem Handgelenk. Ruckartig blieb ich in der Luft stehen. Ich zitterte, aber öffnete meine Augen. Sie blickten direkt in die Ozeanblauen Augen Ricardos. Dieser hielt mich mit stählernem Griff fest. Seine Zähne waren zusammengebissen und er hob sich mit der anderen Hand am Stamm fest. Ich baumelte etwa 60 cm unter ihm hin und her und konnte gar nicht glauben, was geschehen war.

"Ich habe dich." Quetschte Ricardo durch seine Zähne. Keuchend zog er mich stück für stück hoch, bis ich meine Hände an den Stamm legen konnte. Ich hob mich fest, während Ricardo seine Hände an meine Hüfte legte. Ich zog mich selbst hoch und er unterstützte mich. Als ich auf dem Baumstamm saß, atmete ich geschockt aus.

Tränen flossen meine Wangen hinab und ich zitterte enorm. Ich starrte in Ricardos Augen und er in meine. "Danke." Hauchte ich. Leicht lächelte er. "Na komm." Er stand auf und reichte mir seine Hand. Ich nahm sie an und stand ebenfalls auf. Gemeinsam liefen den Rest bis zur anderen Seite. Erst dort atmete ich so richtig durch.

Wir ließen uns beide auf das nasse Gras fallen. Dann lachte ich los. Es war ein befreiendes Lachen. Er hatte mir mein Leben gerettet. Ohne darüber nachzudenken umarmte ich ihn. "Danke, dass du mein Leben gerettet hast." Murmelte ich in sein Ohr. Sein Atem kitzelte mich am Nacken. "Das würde ich immer wieder machen." Flüsterte er zurück. Ich löste mich von ihm und lächelte ihn an. Wir starrten eine Weile in die Augen des anderen, bis uns jemand unterbrach.

Es war Adam, der mit seiner Hand vor unseren Augen wank. "Na endlich." Murrte er und setzte sich neben uns. Nach und nach kamen die anderen auf unsere Seite. Nachdem ich fast abgestürzt bin, waren sie noch vorsichtiger. Auch Valeria stürzte fast ab, aber durch Wesley blieb sie oben. Als die beiden da waren, waren wir vollständig. "Sehr schön." Sprach Ricardo. "Dann gehen wir weiter. Wir müssen ungefähr noch zwei Stunden laufen."

Wir packten unsere Rucksäcke und liefen los. Keiner redete. Ich genoss die Stille, so konnte ich mich am besten von meinem Fast-Tod erholen. Das konnte auch nur mir passieren. Wieso war ich auch so tollpatschig?

Langsam wurde es dunkler. Der Nebel von heute Morgen tauchte wieder auf. Schon bald war die Hälfte unserer Körper von den dichten Nebelschwaden umgeben und man konnte nicht mal einen Meter weit sehen. Hoffentlich waren wir bald da. Und hoffentlich verliefen wir uns nicht. Ein letztes Mal tauchte die Sonne durch das Blätterdach auf, ehe sie hinter den Bäumen verschwand. Der Himmel wurde dunkler und auch im Dschungel konnte man kaum mehr was sehen.

"Mist" fluchte auf einmal Ricardo. "Was ist? Alles gut?" Besorgt kam ich neben ihm zu stehen. "Ich bin nur gegen eine Wurzel gelaufen." Knurrte er und humpelte weiter. Seufzend folgte ich ihm. Irgendwann war es stockdunkel. Immer wenn es raschelte, sah ich mich hektisch um. Den anderen erging es nicht besser. Wir hatten schließlich keine Ahnung, was sich hier herumtrieb.

" Wartet mal." Sagte ich. "Ich habe noch Taschenlampen eingepackt." Ich zerrte mir den Rucksack vom Rücken und kramte darin herum. Dann zog ich einen Beutel voller Taschenlampen heraus und übergab jeder zweiten Person eine. Lauft immer zu zweit. "Die anderen Lampen würde ich lieber aufbewahren." Zustimmendes Gemurmel erklang, dann wurden die Lampen angeknipst. Sofort sah man wieder mehr. Ich setzte den Rucksack wieder auf und lief zu Ricardo, der vorne alleine stand. "Bereit?" fragte er mich. Ich nickte und wir gingen los.

Da ich letzte Woche ja nichts hochgeladen habe, kommen heute vier.

The Last HumansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt